"Hätte jede Mutter zum Weinen gebracht" Telefonat zwischen Lukaschenko und Prigoschin: Details aufgetaucht
Bislang galt Alexander Lukaschenko als Vasall Putins. Doch seit dem Wochenende hat sich die Lage geändert. Der Machthaber in Minsk befindet sich im Aufwind.
Der versuchte Putsch durch den Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin am vergangenen Samstag kennt in Russland nur Verlierer. Einerseits Prigoschin selbst, der beim Kreml in Ungnade gefallen ist, andererseits Wladimir Putin, dessen Macht durch die 24-Stunden-Rebellion erheblich beschädigt sein dürfte.
Ein Dritter dürfte sich hingegen die Hände reiben: Alexander Lukaschenko. Er trat in dem Rebellionsdrama als weiser Richter auf. Wer hätte es gedacht? Der 69-jährige Machthaber bot sich als Vermittler an, und tatsächlich, nach einem Telefonat mit Prigoschin soll dieser seine Putsch-Choreografie noch mal überdacht und seine Söldnertruppen zum Rückzug bewogen haben. Nun feiern belarussische Staatsmedien ihn in Minsk für sein diplomatisches Geschick.
Wie ausgeprägt dieses Geschick wirklich war, steht nur zu vermuten. Auf wessen Initiative hin sich Lukaschenko in das innerrussische Putschtheater einschaltete, ist bislang ebenfalls unklar. Dass es bei dem Gespräch zwischen Prigoschin und Lukaschenko aber hoch hergegangen sein muss, davon berichten Vertraute des belarussischen Langzeitdespoten.
"Unterhaltung war sehr maskulin"
Demnach sei die Konversation eher "schwierig" verlaufen, wie der Lukaschenko-treue Propagandist Wadim Gigin laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta sagte. "Die beiden warfen sich ohne viel Aufhebens derart vulgäre Dinge an den Kopf, dass es jede Mutter zum Weinen gebracht hätte", so der Direktor der belarussischen Nationalbibliothek gegenüber prorussischen Medien. Welche Worte genau gefallen sind, gibt Gigin nicht an. Nur so viel: "Die Unterhaltung war heftig, und, wie mir gesagt wurde, sehr maskulin."
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Letzteres gilt in Russland als Ausweis guter Staatsführung. Ohne die Demonstration von Männlichkeit kommt in Putins Reich niemand aus, der in der Politik (und auch anderswo) Erfolg haben möchte. Und genau diesen vermeintlichen Nachweis von Führungsstärke konnte Putin am vergangenen Wochenende nicht erbringen. Der Kremlherrscher erschien überrascht angesichts des Söldneraufstands. Prigoschins Putschversuch könnte daher für Putin noch unangenehme Nachwirkungen haben.
"Für Putin war das eine Niederlage, weil es gezeigt hat, wie schwach sein System inzwischen ist und wie leicht es ist, ihn herauszufordern", sagt der ehemalige weißrussische Diplomat und Politikanalyst Pawel Slunkin der "New York Times". Als einzigen Gewinner sieht Slunkin den Machthaber in Minsk. "Einzig Lukaschenko hat Punkte gemacht, natürlich bei Putin, aber auch in den Augen der Weltgemeinschaft und als Garant des Deals zwischen Prigoschin und dem Kreml."
"Sie sind wie siamesische Zwillinge"
"Es ist bemerkenswert, dass es nicht Putin selbst oder einer seiner Vertrauten gewesen ist, die [den Deal mit Prigoschin] verhandelten, sondern Lukaschenko", meint auch Peter Salmajew, Direktor der Eurasian Democracy Initiative gegenüber France24. "Es zeigt Putins Verzweiflung, dass er auf einen Vermittler angewiesen ist."
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Für Lukaschenko könnte die Verhandlungen dagegen ein wichtiger Schritt gewesen sein, sich aus der Umklammerung des Kreml zu lösen. Zuletzt hatte er sich nach Meinung vieler Experten nur deswegen an der Macht halten können, weil Putin ihn protegierte. International isoliert, im eigenen Land seit den mutmaßlich gefälschten Wahlen 2020 unter Druck, war Lukaschenko zum Vasallen Moskaus geworden.
Doch an einem Sturz Putins kann Lukaschenko nicht gelegen sein; fällt Putin, würde sehr wahrscheinlich auch Lukaschenko stürzen. "Sie sind wie siamesische Zwillinge", sagt der frühere belarussische Diplomat Pawel Latuschka der "New York Times". "Der Sturz des einen würde wohl den politischen Tod des anderen bedeuten."
- nytimes.com: "One Big Winner of Kremlin-Wagner Clash? The Dictator Next Door." (englisch)
- abc.net.au: "Putin's back was against the wall as his old friend Prigozhin advanced. Then 'Europe's last dictator' Alexander Lukashenko stepped in" (englisch)
- economist.com. "Alexander Lukashenko is the clearest beneficiary of Wagner’s mutiny" (englisch)