"Wir prüfen, was möglich ist" Deutsche Kampfjets? Pistorius macht Ukraine Hoffnung
Die Ukraine bittet auch um Kampfjets aus Deutschland. Für die Bundesregierung war das bislang ein Tabu – deutet Verteidigungsminister Pistorius jetzt die Wende an?
In der Debatte um westliche Kampfjets für die Ukraine schien das deutsche "Nein" lange Zeit unumstößlich zu sein. Nicht nur die Sorge vor einer direkten Konfrontation mit Russland hält die Bundesregierung davon ab, Tornados und Eurofighter an Kiew zu liefern. Entscheidend ist auch, ob die Bundeswehr überhaupt einsatzfähige Maschinen entbehren kann. Selbst die Verteidigungsexperten von FDP und Grünen – sonst treibende Kräfte hinter den Waffenlieferungen – lehnen den Wunsch nach deutschen Kampfjets eindeutig ab.
Nicht so vehement klingen da die jüngsten Äußerungen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD): "Wir prüfen gerade, was möglich ist, was wir tun wollen und können und werden in den kommenden zwei Wochen eine Entscheidung treffen", sagte Pistorius jetzt der "Deutschen Welle" auf die Frage, ob Deutschland in der Kampfjet-Koalition für die Ukraine eine aktive Rolle spielen werde. Man befinde sich in der Phase des "Überdenkens" (rethinking), sagte Pistorius dem Sender am Rande seines Indonesien-Besuchs auf Englisch.
Kampfjet-Koalition: Druck auf Berlin steigt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich in der Frage einer deutschen Beteiligung an dem informellen Bündnis, das auf Initiative Großbritanniens und der Niederlande entsteht, bislang maximal zurückgehalten. Das sei "ein Projekt, das nicht von kurzer Dauer ist", so Scholz kürzlich im Interview mit dem ZDF. Im Mittelpunkt steht dabei die Beschaffung von Flugzeugen des Typs F-16, über die Deutschland gar nicht verfügt. Zuletzt brachten ukrainische Politiker aber auch Tornados und Eurofighter ins Spiel, die Kampfjets der Bundeswehr.
Markieren Pistorius' Äußerungen nun womöglich eine Abkehr von der deutschen Zurückhaltung? Auch die Lieferung deutscher Kampfpanzer schien monatelang ein Tabu darzustellen, bevor Scholz schließlich einwilligte. Und zuletzt stieg der Druck auf Berlin, sich mit eigenen Maschinen an der Kampfjet-Koalition zu beteiligen. Fraglich bleibt allerdings, ob sich Deutschland überhaupt von seinen in die Jahre gekommenen Tornados oder als "Pannenflieger" verschrienen Eurofightern trennen kann, ohne seine Verpflichtungen gegenüber der Nato zu vernachlässigen.
Wohl keine Taurus-Marschflugkörper für Kiew
Unterdessen meldete die Ukraine am Mittwoch einen ersten Erfolg der Kampfjet-Koalition: Mehrere "europäische Partner" hätten dem Land "ein ernsthaftes, überzeugendes Angebot" für F-16-Jets gemacht, so Präsident Selenskyj. Konkrete Zahlen nannte er nicht. Insgesamt will die ukrainische Armee eine Flotte von 120 modernen westlichen Kampfjets aufbauen, um ihre Maschinen sowjetischer Bauart zu ersetzen. 48 Stück davon sollen F-16 sein, das am weitesten verbreitete Kampfflugzeug der Welt. Hoffen kann die Ukraine auch auf 41 australische Jets vom Typ F/A-18.
Im Interview mit der "Deutschen Welle" äußerte sich Pistorius auch zur Frage nach deutschen Marschflugkörpern vom Typ Taurus, deren Lieferung an Kiew der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter forderte. Taurus entspricht in seiner Zerstörungskraft dem Marschflugkörper Storm Shadow, den Großbritannien der Ukraine zuletzt in größerer Stückzahl geliefert hat – mit 500 Kilometern hat das deutsche Modell aber eine deutlich höhere Reichweite. Auf die Frage, ob Kiew auf Taurus hoffen könne, sagte Pistorius: "Im Moment nicht und das ist auch nichts, worüber wir ernsthaft nachdenken."
- dw.com: Pistorius: Russian arms for India not in German interests (englisch; Stand: 7. Juni 2023)
- zdf.de: Kampfjet-Koalition ohne Deutschland? (Stand: 7. Juni 2023)