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Putins Machtverlust? Das sagt der deutsche Geheimdienst


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Putins Ukraine-Krieg
Geheimdienst-Bericht macht wenig Hoffnung


Aktualisiert am 24.05.2023Lesedauer: 3 Min.
Putin beim Friedensgipfel in Berlin: 2016 diskutierte der russische Machthaber mit der Kanzlerin über die Ukraine.Vergrößern des Bildes
Putin beim Friedensgipfel in Berlin: 2016 diskutierte der russische Machthaber mit der Kanzlerin über die Ukraine. (Quelle: Adam Berry)
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Der Präsident des Geheimdienstes BND gibt Einblicke in das System Putin. Seine Erkenntnisse lassen für den Krieg in der Ukraine nichts Gutes hoffen.

Schwindet seine Macht oder baut er sie gar aus? Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine vor mehr als 15 Monaten häufen sich die Spekulationen darüber, wie es um den Einfluss Wladimir Putins steht. Ein Grund dafür: Der russische Präsident zeigt sich nur selten in der Öffentlichkeit, soll zurückgezogen in einem Bunker hausen. Manche Experten halten ihn für sowohl politisch als auch gesundheitlich angeschlagen, mutmaßen, er könnte früher oder später vor einem Sturz stehen.

Laut Bruno Kahl, Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), gibt es dafür jedoch keine Anzeichen. Nach Erkenntnissen des deutschen Auslandsgeheimdienstes hat der Ukraine-Krieg bislang nur wenig an den politischen Verhältnissen in Russland geändert. "Wir sehen keine Risse in dem System Putin", sagte Kahl am Montag bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks).

Wie fest Putin tatsächlich im Sattel sitzt, lässt sich seriös kaum sagen. Außer einem überschaubaren inneren Kreis an Vertrauten lässt der Kremlherrscher niemanden an sich heran. Wer ihn sehen möchte, muss zuvor mindestens 14 Tage in Quarantäne, wie ein aus Russland geflohener ehemaliger Sicherheitsbeamter des Kremls berichtete. Auch von zahlreichen Doppelgängern ist die Rede, die den Potentaten bei öffentlichen Terminen angeblich vertreten.

Ein Mann mit besten Kontakten in den Kreml

Sicher lässt sich derweil nur sagen, was sich vor Ort beobachten lässt: Trotz aller Sanktionen und hoher Verluste unter den russischen Soldaten gibt es keinen Aufschrei in der russischen Zivilgesellschaft oder der Elite. Den Blutzoll, den die Bevölkerung für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ihres Präsidenten zahlt, scheint sie ihm – nicht zuletzt als Folge der Staatspropaganda – offensichtlich nicht allzu sehr zu verübeln. Auch deshalb zieht der russische Schriftsteller Wladimir Sorokin ein ernüchterndes Fazit der russischen Zivilgesellschaft: "Wir sind alle schuldig, natürlich."

Ein weiteres Indiz, das Kahls These stützt: Die Reste der Opposition in Russland wurden durch Schauprozesse, bei denen ihre prominentesten Vertreter zu langer Lagerhaft verurteilt wurden, mundtot gemacht. Immer drakonischere Strafen für Kritik an der Führung schüchtern auch die letzten, die aufbegehren, ein.

Und: Wenn es überhaupt zu Kritik am System Putin kommt, dann stammt die häufig von einer Handvoll Militärbloggern sowie Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin. Der seinerseits wiederum beste Kontakte zum Kreml pflegt.

Prigoschins Kritik zielt daher nie auf Putin selbst, sondern immer nur auf dessen Generäle. Praktisch für den Diktator, denn so kann er den Schwarzen Peter stets der Militärführung zuspielen. Prigoschin dient ihm dabei als nützlicher Strohmann.

Das ist einer der Gründe für den Krieg

BND-Chef Kahl sieht daher keine Anzeichen, dass das System Putin ins Wanken gerate oder implodiere. Allerdings sei dies auch nicht auszuschließen. "Russland ist nach wie vor in der Lage, einen Krieg auf der langen Distanz gesehen zu führen", mit immer wieder neu rekrutierten Soldaten, so Kahl.

Dies gelte auch für die Bereiche Rüstung und Munition. Zwar gebe es Verwundbarkeiten und Überraschungen – etwa, was die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte betreffe. Wenn aber der Westen die Ukraine nicht gut genug unterstütze und Widerstand organisiere, könne sich Putins Strategie durchsetzen. Und die lautet: Aussitzen.

Putin, den der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew im Interview mit dem "Tagesspiegel" mit Adolf Hitler vergleicht, setzt auf den Ermattungseffekt. Er ist offenbar überzeugt davon, dass der Westen die Ukraine früher aufgibt als Russland. Putin sieht sich im politisch-kulturellen und militärischen Wettrennen mit dem Erzfeind USA und deren europäischen Verbündeten überlegen. Das ist wohl auch einer der Gründe dafür, dass der Diktator den Krieg überhaupt begonnen hat.

Vorher nicht die "Panzer und Raketen durchgezählt"

Vergleichsweise früh habe der BND gewusst, dass Russland sein Nachbarland angreifen werde, sagte Kahl: "Ungefähr 14 Tage vor Kriegsbeginn haben wir auch Phänomene festgestellt, die nicht anders interpretierbar waren."

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begann am 24. Februar vergangenen Jahres. Haben Kahl und seine Leute also deutlich später als ihre Kollegen bei den britischen und amerikanischen Geheimdiensten vor dem russischen Angriff gewarnt? Der BND-Chef wies diese Kritik zurück:

Die anderen Dienste hätten die Wahrscheinlichkeit eines Krieges relativ stark anhand von Beobachtungen vor Ort prognostiziert. Der BND habe dagegen Wert darauf gelegt, dass die Entscheidung zum Angriff letztendlich von Putin getroffen werde. Und der Kremlchef wiederum habe dies von vielen Faktoren abhängig gemacht, "die nicht im Durchzählen von Raketen oder Panzern" bestanden hätten, sondern wohl auch vom Wohlwollen der russischen Gesellschaft.

Verwendete Quellen
  • spiegel.de: Angriff auf die Ukraine: Wer im Westen den Krieg wirklich beenden will, muss politische Risiken eingehen (kostenpflichtig)
  • rundschau-online.de: Herfried Münkler zum Ukraine-Krieg: "Einem Zyniker wie Putin mit Moral kommen zu wollen, ist schon vermessen“ (kostenpflichtig)
  • guardian.co.uk: Vladimir Putin: Russian defector sheds light on Putin paranoia and his secrettrain network (englisch)
  • tagesspiegel.de: Schriftsteller Viktor Jerofejew: "Das Putin-Regime ist nahe am Hitler-Regime" (kostenpflichtig)
  • sueddeutsche.de: Wladimir Sorokin im Interview: "Wir sind alle schuldig, natürlich" (kostenpflichtig)
  • youtube.com: Bundesakademie für Sicherheitspolitik: Sicherheitspolitisches Gespräch an der BAKS
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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