Schlechte Ausrüstung und wütende Rekruten Mit diesen drei Problemen kämpft das russische Militär
Dem russischen Militär fehlt es offenbar nicht nur an ausgebildetem Personal: Auch in der Rüstungsindustrie ist die Mängelliste lang.
257 Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges toben in weiten Teilen der Ukraine weiter schwere Kämpfe. Die russische Armee attackiert durch Angriffe auf überlebenswichtige Infrastruktur verstärkt auch die Zivilbevölkerung – dennoch kann sie im Osten des Landes keine nennenswerten Fortschritte vermelden.
Den russischen Truppen mangelt es offenbar auf mehreren Ebenen an Nachschub. Das betrifft nicht nur die zahlreichen Soldaten, die im Krieg gegen die Ukraine gefallen sind – auch die Ausrüstung wird knapp. t-online hat drei Probleme identifiziert, mit denen die russische Armee aktuell zu kämpfen hat.
1. Schlechte Stimmung unter den Rekruten
Nach Angaben des Kremls ist die russische Teilmobilmachung abgeschlossen. Wie geplant seien 300.000 Männer für den Einsatz mobilisiert worden, erklärte Verteidigungsminister Sergej Schoigu. In den Ausbildungslagern droht die Stimmung aber zu kippen: Seit einigen Wochen häufen sich Berichte über eine miserable Ausstattung, rostige Gewehre und fehlende Funktionskleidung.
Stellvertretend für die Probleme stehen die Proteste jüngst eingezogener Rekruten in einem Ausbildungslager in Kasan. Aufnahmen in sozialen Medien zeigen ein Wortgefecht zwischen einem mutmaßlichen General der russischen Armee und einer großen Gruppe aufgebrachter Männer in Uniform. Die schlechte Ausrüstung macht die Menge offenbar so sauer, dass sie den General dazu auffordert, seine Abzeichen abzunehmen, und ihn im Chor mit dem obszönen Schimpfwort "Pidaras" belegt.
Ausgelöst wurden die Unruhen offenbar durch einen Mangel an Essen und trockenem Brennholz in dem Lager, wie das Nachrichtenmagazin "Stern" berichtet. Die Soldaten sollen während der Trainings zudem ohne ausreichende Kleidung stundenlang im Schlamm ausgeharrt haben. In Kasan fallen die Temperaturen nachts unter den Gefrierpunkt.
Laut Mitteilung der russischen Behörden wurden diese Probleme nach einem Besuch des Einrichtungsleiters schon am Folgetag behoben. Experten gehen dennoch davon aus, dass Russland große Schwierigkeiten bei der Ausbildung der eingezogenen Reservisten hat und Soldaten teils schlecht vorbereitet an die Front schicken muss. Das gilt als zunehmend problematisch für die Kampfmoral der Truppen. Experten des US-amerikanischen Institute for the Study of War gehen unterdessen davon aus, dass Moskau im Verdeckten eine zweite Mobilisierungswelle vorbereitet.
2. Waschmaschinen für Raketen
Der russischen Rüstungsindustrie mangelt es an Bauteilen. Die Wirtschaftssanktionen westlicher Staaten verhindern, dass Russland uneingeschränkt Chips und Halbleiter importieren kann. Diese werden für die Produktion aber dringend benötigt, unter anderem für die Herstellung von Raketen oder Panzern. Zugleich sind die Verluste groß: Experten gehen davon aus, dass etwa ein Drittel der russischen Panzerflotte bereits verloren ist.
Abhilfe versucht Russland offenbar über den Import von Waschmaschinen zu schaffen, wie das Nachrichtenpotal "ntv" berichtet. Demnach könnten die Kaukasus-Staaten Armenien und Kasachstan Russland helfen, Sanktionen zu umgehen. In beiden Ländern sind die Importe von Waschmaschinen, zumeist aus EU-Ländern, ungewöhnlich stark angestiegen. Einzelne Teile, die in den Haushaltsgeräten verbaut sind, kann die russische Rüstungsindustrie wiederum gut gebrauchen.
Anzeichen dafür, dass Russland Geschirrspüler und Waschmaschinen für die Herstellung militärischen Geräts nutzt, gibt es bereits seit Mai. Beweise für die Kooperation Armeniens und Kasachstans liegen dagegen nicht vor. Dabei würden die Länder durch den Handel mit Haushaltsgeräten auch mit dem Sanktionsregime der EU brechen. Demnach ist nicht nur der direkte Verkauf von Rüstungsgütern an Russland verboten. Auch der Export von Geräten, die vielseitig nutzbare Bauteile ("dual use") enthalten, ist untersagt.
3. Hohe Verluste der Luftwaffe
Hohe Verluste erlebt offenbar auch die russische Luftwaffe: Nach ukrainischen Angaben sind es seit Beginn der Invasion 278 Flugzeuge, die auf russischer Seite zerstört wurden. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen – doch auch der britische Geheimdienst attestiert Russland in seinem täglichen Lage-Update einen "anhaltenden Mangel an Luftüberlegenheit" im Krieg gegen die Ukraine.
Den Verlust an Flugzeugen kann Russland dabei nach Einschätzung der Experten nicht auffangen. "Die russischen Flugzeug-Verluste übersteigen wohl erheblich ihre Fähigkeit, neue Flugwerke herzustellen", schreibt das britische Verteidigungsministerium am Montag. Hinzu kommt demnach ein Mangel an fähigen Piloten – deren Ausbildung dauert. Die Probleme der russischen Luftwaffe dürften sich demnach auch in den nächsten Monaten nicht auflösen, urteilen die britischen Experten.
- stern.de: "Kein Wasser, kein Brennholz, rostige Gewehre - neue Proteste von Mobilisierten flammen auf"
- n-tv.de: "Lösen Waschmaschinen Putins Raketenprobleme?"
- n-tv.de: "Russen nutzen Chips aus Geschirrspülern in Panzern"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa