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Wladimir Putin: Schuld sind immer die anderen


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Putin-Rede
Wird er jetzt noch radikaler?


Aktualisiert am 07.09.2022Lesedauer: 3 Min.
RUSSIA-ECONOMY/FORUM-PUTINVergrößern des Bildes
Kein Gas über Nord Stream 1: Putin zufolge trägt Deutschland dafür die Verantwortung. (Quelle: TASS HOST PHOTO AGENCY)
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Aggressivität, Sanktionsfieber, Schuld des Westens – der russische Präsident teilt in Wladiwostok massiv aus und radikalisiert sich weiter.

Wladimir Putin rückt nicht ab von seinen propagandistischen Ansichten, im Gegenteil – am Mittwoch machte der Kremlchef dem Westen erneut massive Vorwürfe. Er warf den USA und der EU "Sanktionsfieber" vor, Aggressivität im Umgang mit Russland und gab Deutschland Schuld daran, dass derzeit kein Gas über Nord Stream 1 fließt. (Mehr dazu lesen Sie hier)

Er nutzte das Podium auf dem Östlichen Wirtschaftsforum im russischen Wladiwostok, um sich an die Welt zu richten. Der Tenor: Russland verteidige sich gegen Angriffe von außen. Und das mitten im laufenden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch beim Thema Gas fabulierte er weitgehend faktenfrei: Gazprom etwa, argumentierte Putin, wolle ja Gas über die Pipeline liefern, könne aber nicht, weil das Energieunternehmen vergebens auf die entscheidende Turbine warte.

Putins irritierende Rede

Die deutsche Regierung hält dieses Argument für vorgeschoben und hat auch in der Vergangenheit derartige verbale Angriffe seitens Russland abgewehrt. Doch Putin teilte an diesem Mittwoch auch in Richtung Ukraine aus: Die Weizenexporte aus der Ukraine, für deren Ausbleiben Russland heftig kritisiert worden war, würden durch die Ukrainer behindert, sagte er auf dem Forum, zu dem unter anderem die Staatschefs Armeniens und der Mongolei gekommen waren.

Noch dazu kritisierte Putin, kämen die Transporte nicht bei den bedürftigen Entwicklungsländern an, sondern in den weniger darauf angewiesenen Ländern der EU. Er drohte, die Lieferungen unter diesen Umständen zu stoppen.

Nach der Rede antwortete Putin auf einem Podium zwischen Ansprachen verschiedener Staatschefs – darunter aus Indien und Myanmar – auf Fragen des Moderators. Putin blieb betont gelassen und zugleich rhetorisch scharf. Die in Russland sogenannte "militärische Spezialoperation" in der Ukraine habe Russland lediglich zum Schutz der Menschen im Donbass begonnen, behauptete Putin.

Putin legt sich "ideologisch stärker fest"

Auf diese Weise, meint der Russlandexperte André Härtel von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), habe Putin von Beginn an die Schuldfrage in diesem Krieg gezielt umgedreht. Der russische Präsident hatte schon zuvor die Ukrainer dafür verantwortlich gemacht, dass kein Weizen exportiert werden konnte, weil sie die Häfen vermint hätten. Die Ukraine ihrerseits hatte das mit der Sorge vor russischen Angriffen erklärt. Dass es den Russen gelinge, auf diese Weise Diskurse mitzubestimmen und dabei die Wahrheit zu verschleiern, beobachte er mit großer Sorge, so Härtel.

Er nehme dabei eine zunehmende Verhärtung bei Putin wahr: "Wir sehen bei Putin eine Ideologisierung. Er galt als sehr realistischer Staatsmann mit sehr großem Machtanspruch, aber eben auch als gedanklich flexibel." Ein Beispiel sei der Nato-Beitritt von Schweden und Finnland, der eigentlich ein No-Go für Russland gewesen sei, den Putin dann aber hingenommen habe. Das ändere sich derzeit. "Jetzt legt er sich ideologisch stärker fest."

Russlands Platz in der Welt

Dabei versucht Putin, nicht nur in international beachteten Reden, sondern auch in subtileren Formen den russischen Einfluss in der Welt zu stärken. Das zeigt sich an einem Erlass (russisch: Ukas), den Putin Anfang der Woche unterzeichnet hat. "Ukas Nr. 611" heißt das 31-seitige, nüchtern verfasste Papier, das der "humanitären russischen Politik im Ausland" gewidmet ist und Russlands Platz in der Welt neu definieren soll.

Vordergründig geht es darum, wie Russland seine "geistig-ethischen Werte" im Ausland verbreiten und bei russischen Menschen im Ausland stärker verankern will. Das Konzept der "russkij mir", der russischen Welt außerhalb der russischen Grenzen, ist nicht neu. Und auch jetzt ist die Rede davon, wie der Kulturaustausch gepflegt, die "freie Entfaltung" der Persönlichkeit gewährleistet und Sport- und Wissenschaftskooperationen ausgebaut werden sollen.

Schutzmacht für alle Russinnen und Russen

Vor allem aber ziele Putin mit dieser außenpolitischen Doktrin, sagt Forscher Härtel, auf die eigene Legitimierung von innen. Darauf sei das Regime während des Krieges zunehmend angewiesen. Der Krieg verlange auch der russischen Gesellschaft einiges ab: Einschränkungen wegen der Russland-Sanktionen des Westens oder tote Soldaten und die Familien, die um sie trauern. Das sei nicht mehr zu leugnen, so Härtel.

Um die wachsenden Probleme zu verschleiern, inszeniere der Kreml sich als Schutzmacht mit der "sakralen Aufgabe", ethnische Russen weltweit zu schützen und zu unterstützen. Eine Aufgabe, mit der sich alle Russinnen und Russen identifizieren sollten.

Schon bei früheren Veranstaltungen nach Kriegsbeginn kündigte Putin an, Russen jenseits der aktuellen russischen Grenzen schützen zu wollen. Ziel dieser Rhetorik sei es, dass die Russen diese so verinnerlichen, dass sie bereit seien, sich dafür aufzuopfern, sagt Härtel. "Ich rechne damit, dass das noch zunehmen wird."

Verwendete Quellen
  • Tass-Stream Putins Auftritt beim Östlichem Wirtschaftsforum
  • Nachrichtenagenturen Tass, Reuters, dpa
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