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Ukraine-Krieg: US-Historiker sieht Chance für Niederlage Putins


Analyse von sieben Faktoren
US-Experte prophezeit Putins Niederlage im Ukraine-Krieg

Von t-online, wan

Aktualisiert am 28.07.2022Lesedauer: 3 Min.
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Wladimir Putin bei Gesprächen im Kreml (Archivbild): Ein US-Historiker sieht in seiner Analyse große Probleme der russischen Truppen im Ukraine-Krieg. (Quelle: IMAGO/Mikhail Klimentyev/Kremlin Pool)
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Der renommierte Historiker Timothy Snyder sieht eine Chance für die Ukraine, den Krieg zu gewinnen. Einen Ratschlag für Deutschland hat der Experte auch.

Der renommierte Yale-Professor Timothy Snyder hat auf seinem Blog "Thinking about" die aktuelle Lage im Ukraine-Krieg analysiert – und kommt zu überraschenden Schlussfolgerungen. Denn der Historiker sieht Kremlchef Wladimir Putin derzeit auf der Verliererseite. Der Ukraine hingegen räumt er gute Chancen ein, am Ende als militärischer Sieger aus dem Krieg hervorzugehen.

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Snyder hat sieben Faktoren identifiziert, die in Kriegen entscheidend sind und anhand dieser den aktuellen Stand untersucht und bewertet.

Deutliche Worte an deutsche Bundesregierung

Zeit: Russland habe sich einen schnellen Sieg erhofft, so Snyder. Wenn sich kein rascher Erfolg einstelle und der Feind sich nicht gedemütigt fühle, dann spiele die Zeit eine wichtige Rolle und andere Faktoren würden wichtiger.

Wirtschaft: Russland habe eine wesentlich größere Wirtschaftskraft als die Ukraine. Nach Ansicht von Snyder werden die Sanktionen gegen Russland schon bald ihre Wirkung entfalten – und die Ukraine könne technologisch aufrüsten, weil Russland keine entsprechenden Importe mehr habe. Außerdem habe die Ukraine die Wirtschaftsmächte EU und USA hinter sich. An Deutschland gerichtet schreibt Snyder: "Deutschland sollte weniger darüber nachdenken, seine Armee in fünf Jahren aufzurüsten, sondern was sie der Ukraine in fünf Wochen schicken können, und was sie in fünf Monaten aufbauen können."

Snyder spricht von "desaströser" russischer Logistik

Logistik: Die Ukraine bewege sich auf eigenem Gebiet, was für den Experten ein Vorteil ist. Personal und Material müssten nicht weit transportiert werden. Russlands Logistik sei hingegen im Februar und März "desaströs" gewesen. Im Donbass habe sich das gebessert, auch wegen der Nähe zu Russland – aber auch diese Verbindung könne gebrochen werden.

Topografie: Snyder wundert sich, warum russische Truppen nicht mehr Landgewinne gemacht hätten, vor allem im recht flachen Südosten der Ukraine. Im Norden habe es Hügel und Wälder gegeben, diese fehlen im Süden – und trotzdem mache Russland kaum Fortschritte.

Art der Kriegsführung: Nach Snyders Ansicht meiden russische Soldaten die Nähe zu ukrainischen Truppen und verlassen sich auf die Artillerie. Sie verwüsteten Gegenden mit Angriffen und erklärten diese dann für eingenommen. Russland habe bislang einen Vorteil bei Raketen. Wenn diese aber zur Neige gingen, ändere sich der Charakter des Krieges. Die Ukraine habe mehr Langstreckenwaffen erhalten und könne damit den Kriegsverlauf verändern. Wenn deren Artillerie überlegen sei, könne das die russischen Vorstöße verlangsamen.

Snyder: Russlands Strategie liegt außerhalb des Kriegsgebiets

Ethos: Für Snyder fehlt es bei den russischen Generälen an Engagement. "In den Ausschnitten, die ich höre, wissen russische Kommandeure nicht so wirklich, warum sie in der Ukraine sind. Russische Soldaten(...) sind nicht besonders motiviert", schreibt der Historiker. Sie könnten sich jederzeit ins Heimatland zurückziehen, und man habe den Eindruck, viele wollen das auch.

Strategie: Die russische Invasion ist nach Snyders Einschätzung auf der Doktrin aufgebaut gewesen, dass die Ukrainer die russischen Soldaten als Freunde willkommen heißen. Die offizielle Linie sei immer noch die "Denazifizierung und Demilitarisierung" – und damit die Eliminierung der ukrainischen Nation. Das sei vielleicht ein Grund für einen Krieg, reiche aber nicht für ein Ende. Russland habe einige Gebiete eingenommen, aber am Ende habe die Ukraine mehr zurückerobert als verloren. Derzeit scheine die russische Strategie zu sein, globale Lieferketten zu blockieren, wie etwa bei Exporten nach Asien und Afrika.

"Richtige Einstellung und Waffen des Westens"

Snyder sieht große Chancen für Kiew. "Der Krieg hat gezeigt, dass der ukrainische Staat (oder eigentlich die ukrainische Zivilgesellschaft) weitaus widerstandsfähiger und funktionsfähiger ist, als fast jeder gedacht hätte. Die Ukraine ist zumindest meiner Ansicht nach in der Lage, diesen Krieg zu gewinnen. Aber angesichts ihrer Nachteile, insbesondere in Bezug auf die Wirtschaftskraft, ist die Ukraine anfällig für Veränderungen in unserer Einstellung zum Krieg. Russlands schneller Weg zum Sieg und vielleicht sein einziger Weg zum Sieg besteht darin, uns davon zu überzeugen, dass die Ukraine nicht gewinnen kann (oder dass der Krieg irgendwie die Schuld der Ukraine ist und dass er irgendwie aufhören würde, wenn wir uns abwenden)."

Sein Rat an den Westen: "Alles, was wir tun müssen, um die Dinge zu sehen, wie sie sind, ist etwas Geduld zu zeigen und die Demokratie zu unterstützen, die angegriffen wird – mit der richtigen Einstellung und den richtigen Waffen. Der Ausgang des Krieges könnte durchaus von unserer Fähigkeit abhängen, dies zu tun."

Timothy Snyder lehrt an der amerikanischen Yale-Universität und am Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte des Holocaust und osteuropäische Geschichte. Im Jahr 2013 hat er den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken der Hansestadt Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung erhalten.

Verwendete Quellen
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