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Merz stolpert in eine Falle: Verspielen CDU und CSU den Wahlsieg?


Tagesanbruch
Verspielen CDU und CSU den Wahlsieg?

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 09.01.2025 - 07:10 UhrLesedauer: 6 Min.
Die Unionschefs Merz (l.) und Söder schlingern durch den Wahlkampf.Vergrößern des Bildes
Die Unionschefs Merz (l.) und Söder schlingern durch den Wahlkampf. (Quelle: Liesa Johannssen/REUTERS)
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Es gibt Politiker, die nur an sich denken. Es gibt Politiker, die Fehler machen. Und es gibt Markus Söder: Einen bisher recht erfolgreichen Ministerpräsidenten, der in seiner Selbstsucht drauf und dran ist, den größten Fehler seiner Laufbahn zu begehen. Weil er fürchtet, dass die Freien Wähler seiner CSU bei der Bundestagswahl ein paar Prozentpünktchen abknöpfen, läuft er seit Wochen politisch Amok: Er brüllt alles nieder, was irgendwie nach den Grünen aussieht. Welche konkreten Punkte ihn stören, vermag er nicht zu sagen, stattdessen zeichnet er ein Feindbild: Robert Habeck scheint er schlimmer zu finden als Trump, Putin und vegane Wurst zusammen. Fehlt nur noch, dass er in den Wald rennt und die Tannenbäume anschreit, weil die auch immergrün sind. Im Wettkampf der größten Grünen-Hasser will Lautsprecher Söder den Titel holen – so buhlt er um die Stimmen bürgerlicher Ampel-Kritiker und womöglich auch um die Gunst von AfD-Claqueuren.

In seinem Furor unterscheidet der Bayer nicht mehr zwischen politischen Feinden und Freunden. Gestern ging er verbal brachial auf Schleswig-Holsteins Landeschef Daniel Günther von der CDU los – Parteichef Friedrich Merz musste den Franken auf offener Bühne einfangen. "Söder ist wie besessen", schreibt unsere Kolumnistin Nicole Diekmann. "Womöglich geht es nicht nur um politische Brandmauern. Sondern auch ums Zündeln – einfach aus dem Frust heraus, wieder nicht Kanzlerkandidat geworden zu sein."

Fest steht: Das Rumpelstilzchen Söder wird zur Belastung für die Wahlaussichten der Union. Eigentlich meinten die Strategen von CDU und CSU, ein inhaltsleerer Wahlkampf genüge für einen sicheren Sieg am 23. Februar. Der Frust im Land über die Kamikaze-Koalitionäre der Ampelparteien sei so groß, dass sie lediglich Plakate mit Deutschlandflagge und nichtssagenden Sprüchen aufzuhängen bräuchten, schon falle ihnen das Kanzleramt in den Schoß.

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Falsch gedacht. Zwar liegen die Unionsparteien in den Umfragen noch mit komfortablem Abstand auf Platz eins, doch die Grünen und die AfD legen zu – und nun erweist sich auch noch der Unglücksrabe Olaf Scholz als härterer Gegner als gedacht. Auf Donald Trumps imperiale Gelüste hat der Kanzler gestern schnell, klar und souverän reagiert: Er setzte dem künftigen Populistenpräsidenten ein Stoppschild (hier mein Kommentar).

Trumps baldiger Amtsantritt verändert den Bundestagswahlkampf. Der übergriffige Amerikaner bietet Scholz dieselbe Profilierungschance wie der Kriegerpräsident George W. Bush im Jahr 2002 dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder: Auch damals bescherte Widerspruch gegen Washingtons imperiale Pläne der SPD den Wahlsieg (es ging um die Irak-Invasion).

Sieht Merz nicht, in welche Falle er da stolpert? Entweder hat er schlechte Berater oder seine mangelnde Erfahrung als Wahlkämpfer macht sich nun bemerkbar. Zumal der CDU-Chef auch inhaltlich irrlichtert. Mit seiner Forderung, Doppelstaatlern bei Straffälligkeit die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, hat er schlagartig Millionen Menschen mit Migrationshintergrund verprellt. Sind Verkehrssünder, Diebe, Schläger deshalb schlechtere Menschen, weil sie neben dem deutschen noch einen weiteren Pass besitzen? Merz sagt es nicht so deutlich, aber er suggeriert ein rassistisches Weltbild.

Die Empörung darüber ist riesig – von Deutschen mit Migrationshintergrund, von Katholiken, Akademikern, Firmenchefs. "Früher fühlte ich mich tatsächlich der CDU nahe", schreibt ein Nürnberger Unternehmer mit indonesischen Wurzeln auf LinkedIn. "Meine Oma war im Ortsverband aktiv, der Vater meines besten Freundes war jahrelang Bürgermeister für die CDU. Ich konnte konservative Politik verstehen. Heute kann ich das nicht mehr. Die Worte, die aus den Reihen der CDU kommen, machen mir Angst. Die Brandmauer zur AfD scheint nicht mehr zu bröckeln, vielleicht braucht man sie nicht mehr, weil man sich längst auf dem gleichen Boden bewegt. Wenn unsere politischen Führungskräfte den Wertekompass verlieren, verlieren wir als Gesellschaft und werden zum internationalen Spielball."

Ist Friedrich Merz ein verkappter Rassist oder hat er trotz seiner Eloquenz immer wieder rhetorische Aussetzer? Beides wäre für einen Kanzler absolut unpassend. Verspielt er weiterhin so schnell Vertrauen wie in den vergangenen Tagen, könnte es mit dem Wahlsieg für die Union tatsächlich eng werden. Selbst schuld!


Musks miese Meinungsmache

Es ist ja keineswegs so, dass sich der Tech-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk mit irren bis unflätigen Anwürfen nur in die deutsche Politik einmischt. Auch der britische Premierminister Keir Starmer ist Ziel seiner Attacken. Doch in Deutschland herrscht Wahlkampf, und das scheint den rechtslibertären Unternehmer, für den Fakten irrelevant sind und Lügen zum Geschäftsmodell gehören, besonders zu triggern. Mal macht er in einem Gastbeitrag für die ehemalige Qualitätszeitung "Welt am Sonntag" Wahlwerbung für die AfD, mal attackiert er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als "antidemokratischen Tyrannen" oder schimpft Kanzler Olaf Scholz einen "unfähigen Dummkopf".

Heute startet der gebürtige Südafrikaner seinen wohl weitreichendsten Unterstützungsversuch für die AfD: Um 19 Uhr ist auf seiner Propagandaplattform X ein öffentlich zugängliches Live-Gespräch mit der Co-Parteichefin und Spitzenkandidatin Alice Weidel geplant. Die Partei erhofft sich davon Reichweite und einen Imageschub: "Es ist schwerer, uns als Nazi-Partei zu bezeichnen, wenn der US-Präsident und sein wichtigster Berater auf unserer Seite stehen", sagt der Brandenburger AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt unserer Reporterin Annika Leister. Dass derselbe Politiker noch vor wenigen Jahren gegen den Bau von Musks Tesla-Werk bei Berlin protestierte und die AfD generell für Verbrennermotoren und gegen die Verkehrswende eintritt – wen kümmern solche Widersprüche schon im kurzlebigen Aufregungskosmos von X?

Es zeigt sich einmal mehr: Die AfD hat kein schlüssiges Programm, sondern will nur mit Parolen Radau machen. Staatliche Verantwortung sollten solche Leute nicht bekommen.


Meloni erklärt sich

Während Frau Weidel ihrem Sprecher zufolge Mister Musk bisher nicht persönlich begegnet ist, sollen Giorgia Meloni und der Milliardär freundschaftlich verbunden sein. Nicht unwahrscheinlich, dass dieser Umstand der italienischen Ministerpräsidentin ihre jüngste Audienz beim künftigen US-Präsidenten Donald Trump in Florida verschafft hat. Zudem soll bei dem Blitzbesuch auch über einen brisanten Rüstungsauftrag Italiens an Musks Firma SpaceX geredet worden sein: Das Raumfahrtunternehmen könnte mit seinen Starlink-Satelliten fünf Jahre lang die Kommunikation des italienischen Militärs und des Katastrophenschutzes sicherstellen. Volumen des Deals: 1,5 Milliarden Euro. Eine Aussicht, die nicht nur die Opposition in Rom in Wallung versetzt. Wenn Signora Meloni heute ihre Pressekonferenz zum Jahresstart gibt, muss sie mit kritischen Fragen rechnen.

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Feuerdrama in Los Angeles

Die außer Kontrolle geratenen Waldbrände rund um Los Angeles richten immer größere Zerstörung an und fordern erste Todesopfer. Aufgrund eines neu ausgebrochenen Feuers am Mittwochabend haben die Behörden jetzt auch dringend zur Evakuierung des Zentrums von Hollywood aufgerufen. Meine Kollegin Jennifer Doemkes, die im Westen der Stadt lebt, schildert dramatische Szenen.


Zahl des Tages

2.766 neue Ideen

Täglich machen Meldungen über Insolvenzen deutscher Unternehmen Schlagzeilen, auch auf t-online. Doch das ist nicht das ganze Bild. Denn zugleich werden in Deutschland mehr Start-up-Firmen gegründet als je zuvor – im vergangenen Jahr waren es 2.766 neue Unternehmen, elf Prozent mehr als 2023. Es ist nicht alles schlecht!


Lesetipps

Es gab eine Zeit, da konnten die übrigen Parteien dem Erstarken der Grünen nur ohnmächtig zusehen. So geht es ihnen jetzt mit der AfD. Was ist da passiert? Unser Politikchef Christoph Schwennicke erklärt es Ihnen.


Imperiale Pläne oder Ablenkungsmanöver: Was genau hat Donald Trump mit Grönland und Kanada vor? Unser Amerika-Korrespondent Bastian Brauns verrät es Ihnen.



Putins Truppen rücken im Donezk-Gebiet vor, die Ukrainer greifen in der russischen Region Kursk an. Was folgt daraus? Der Militäranalyst Franz-Stefan Gady erklärt im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke die Lage.


Das historische Bild

Bald sollen wieder Menschen zum Mond fliegen. Der Amerikaner Robert Goddard leistete vor knapp 100 Jahren den ersten Beitrag, dass dies überhaupt denkbar ist: so nämlich.


Ohrenschmaus

Das Jahr ist schon ein paar Tage alt, doch ich könnte immer noch platzen vor Energie. Kein Wunder bei diesem Sound.


Zum Schluss

Die deutsche Wirtschaft schmiedet Pläne.

Ich wünsche Ihnen einen nervenstarken Tag.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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