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Desinformation über Harris & Baerbock – Spur führt nach Russland


Tagesanbruch
Die Spur führt nach Russland

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 19.09.2024 - 07:19 UhrLesedauer: 6 Min.
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Wladimir Putin: Beeinflusst der russische Präsident Wahlen mit Desinformationskampagnen? (Quelle: Vladimir Smirnov/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Sie werden nicht glauben, was ich gestern gesehen habe. In einem Video berichtet eine Frau von einem Unfall, in den sie 2011 in den USA verwickelt war: Sie wurde in San Francisco von einem Auto angefahren und schwer verletzt. Zahlreiche Operationen musste sie danach durchleiden, trotzdem kann sie seitdem nicht mehr laufen.

Am Steuer des Autos saß eine Frau, berichtet das Opfer. Die Fahrerin war in falscher Richtung auf einer Einbahnstraße unterwegs gewesen und hatte nach dem Unfall Fahrerflucht begangen. Der Name der Verursacherin: Kamala Harris, damals Generalstaatsanwältin von Kalifornien, heute Vizepräsidentin der USA und Präsidentschaftskandidatin der Demokraten.

Ein solcher Vorfall dürfte die Kampagne von Harris ruinieren. Eine Politikerin, die einen anderen Menschen schwer verletzt und Fahrerflucht begeht, muss eigentlich sofort zurücktreten. Doch davon ist bisher keine Rede.

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Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Warum erfahre ich erst jetzt davon? Müssten t-online und viele andere Medien nicht rund um die Uhr über diesen Vorfall berichten? Der Grund, warum Sie bisher nichts von dieser Geschichte gehört haben, ist ganz einfach: Sie ist nie passiert. Das Video ist Teil einer Desinformationskampagne, die den US-Wahlkampf beeinflussen soll.

Solche Kampagnen mögen bei genauerem Hinsehen plump wirken. Doch viele Menschen schauen eben nicht genau hin oder wollen so etwas sogar glauben. Das macht diese Kampagnen so brandgefährlich. Dabei könnte man sich besser gegen Desinformation schützen, auch wenn die Politik bisher wenig Hilfestellung gibt.

Wer sich das Video, die Webseite und die Berichterstattung über den angeblichen Harris-Unfall ansieht, müsste schnell ins Zweifeln kommen. Die angeblichen Röntgenbilder des Opfers? Wurden aus dem Internet zusammengesucht. Die "Nachrichtenseite", die das Ganze verbreitet? Eine simpel designte Webseite, die erst Ende August online ging. Und die Verantwortlichen dahinter? Werden in Russland vermutet, schreibt der US-Softwarehersteller Microsoft in einer Analyse des Videos.

Russische Desinformationskampagnen sind an sich nichts Neues. Bereits im US-Wahlkampf 2016 versuchten vom Kreml gesteuerte Gruppen, das Ergebnis zu beeinflussen. Daran hat sich acht Jahre später nichts geändert: Unser US-Korrespondent Bastian Brauns berichtete jüngst über eine Klageschrift des Justizministeriums. Darin wird einem US-Unternehmen vorgeworfen, Millionen an rechte Influencer gezahlt zu haben, um Narrative zugunsten des Kremls zu streuen. Das Unternehmen erreicht mit seinen Inhalten Millionen Menschen. Geteilt werden sie auch von einflussreichen Personen wie dem Tech-Milliardär Elon Musk.

Der Drahtzieher soll aber nicht in den USA sitzen, sondern der russische Propagandakanal RT sein. Das vom Kreml gesteuerte Medienunternehmen wurde bereits EU-weit verboten. Seit Dienstag ist der Sender auch auf Facebook, WhatsApp und Instagram weltweit gesperrt.

Aus den Dokumenten des US-Justizministeriums soll zwischen den Zeilen hervorgehen, welchen Ausgang die US-Präsidentschaftswahl aus Moskauer Sicht nehmen sollte. Donald Trump, der großspurig immer wieder davon spricht, den russischen Krieg in der Ukraine innerhalb kürzester Zeit beenden zu wollen, käme dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als US-Präsident wohl sehr gelegen.

Trump will die Ukraine militärisch nicht mehr unterstützen. Russland würde durch einen geschwächten Gegner wohl deutlich mehr ukrainische Gebiete erobern als bisher – und in "Friedensverhandlungen" wäre die Ukraine dann wohl gezwungen, große Gebiete ihres Landes an Russland abzutreten. Es wäre das, was Bundeskanzler Olaf Scholz häufig als Diktatfrieden bezeichnet.

Die Einflussnahme betrifft allerdings nicht nur die USA. Auch deutsche Politiker sind bereits Opfer vergleichbarer Schmutzkampagnen geworden. Erst vor sechs Wochen berichteten wir über einen Fall, der Annalena Baerbock betraf: Ein Mann hatte auf einer fragwürdigen Seite behauptet, er sei von der Außenministerin mehrfach bezahlt worden, um Sex mit ihr zu haben. Auch an dieser Geschichte stimmte nichts, die Spur führte ebenfalls nach Russland.

Einzelfälle sind solche Lügengeschichten also nicht. Meine Kollegen Lars Wienand und Jonas Mueller-Töwe recherchieren seit Jahren zur sogenannten Doppelgänger-Kampagne. Russische Propagandisten bauen deutsche Nachrichtenseiten täuschend echt nach, um sie dann mit kremlfreundlichen Inhalten zu befüllen. Solche Doppelgänger gab es in der Vergangenheit auch von t-online. "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR berichteten ebenfalls jüngst über ein russisches Unternehmen, das für den Kreml solche Doppelgänger-Seiten produzieren soll.

Die russische Führung nimmt die deutsche Öffentlichkeit auch ins Visier, weil Deutschland nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine ist. Und die russische Desinformation spielt ganz gezielt mit der deutschen Furcht vor einer Eskalation des Krieges.

Gleichzeitig werden diejenigen gestärkt, die ähnlich wie Trump für ein schnelles Ende der Kampfhandlungen plädieren und dabei die Folgen für die Ukraine herunterspielen: das BSW und die AfD. Möglich ist das etwa durch sogenannte Trollarmeen. Dabei werden unzählige falsche Profile in den sozialen Medien angelegt, die dann zentral gesteuerte Nachrichten im Sinne der Hinterleute streuen. Dadurch können im digitalen Raum etwa Meinungen und politische Ansichten größer und relevanter erscheinen, als sie es in der Realität eigentlich sind.

Doch es gibt Möglichkeiten, wie man sich gegen solche Kampagnen zur Wehr setzen kann. Oftmals reichen schon einfache Fragen, um den Wahrheitsgehalt von Informationen zu prüfen: Woher stammt etwa eine Information? Wer verbreitet sie noch? Ist der Absender glaubwürdig – und stimmen die Zahlen und Fakten?

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Nur reicht das allein nicht aus. Wäre das Problem der Desinformation mit einigen wenigen Fragen lösbar, wäre es an dieser Stelle kein Thema mehr. Politisch muss endlich erkannt werden, dass der Umgang mit Informationen in der digitalen Welt nichts ist, was man einfach so laufen lassen kann.

Was spricht etwa dagegen, Schüler bundesweit über die Gefahren und Risiken von Desinformation in der digitalen Welt verpflichtend zu unterrichten? Warum werden Straftaten in sozialen Netzwerken immer noch so selten verfolgt? Wie stellt sich die Bundesregierung die Regulierung von Fake-Inhalten vor, die mit Künstlicher Intelligenz generiert werden?

Auf all diese Fragen gibt es kaum Antworten. Doch sie werden bitter benötigt. Denn sonst sind plumpe Lügen über Annalena Baerbock und Kamala Harris nur der Anfang einer Entwicklung, in der die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge immer weiter zu verschwimmen droht.


Diesmal sind es Funkgeräte

Was gerade im Libanon passiert, ist noch immer schwer zu glauben. Erst explodierten am Dienstag unzählige Pager, wodurch mindestens zwölf Menschen getötet und fast 3.000 Menschen verletzt wurden. Gestern waren es dann etliche Funkgeräte, die in den Händen von Terroristen der Hisbollah plötzlich in die Luft flogen.

Die israelische Regierung schweigt indes, ob sie hinter der Aktion steckt. Allerdings gibt es wenig Zweifel daran, dass das Land für diese ungewöhnliche Geheimoperation verantwortlich ist. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Machtdemonstration Israels, um den Feinden in der Region zu demonstrieren, wie überlegen man ihnen ist.

Doch abseits dieses Verblüffens stellt sich vor allem die Frage, was die israelische Regierung mit diesem Muskelspiel gewonnen hat. Der Trick mit den Explosionen könnte noch fatale Folgen haben, schreibt mein Kollege Patrick Diekmann: Der Groll der Hisbollah und der anderen israelischen Feinde wird noch größer, als er ohnehin schon ist. Konkreter soll sich heute der Anführer der Terrorgruppe, Hassan Nasrallah, äußern.

Der israelische Verteidigungsminister, Joav Galant, sprach am gestrigen Abend schon von einer neuen Phase des Krieges, dessen Fokus sich weg vom Gazastreifen Richtung Norden und damit Richtung Libanon verlagere. Man würde sich stattdessen wünschen, die israelische Regierung würde bei der Befreiung der Geiseln aus den Händen der Hamas einen ähnlichen Einfallsreichtum an den Tag legen wie beim Reizen seiner Feinde.


Das historische Bild

Das Bundesverdienstkreuz ist begehrt, allerdings auch seit seiner Stiftung höchst umstritten. Mehr lesen Sie hier.


Was steht an?

Wie geht es weiter im Hochwassergebiet? Antworten darauf wird heute wohl auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei ihrem Besuch in Breslau geben: Dort trifft sie nicht nur auf Polens Ministerpräsident Donald Tusk, sondern auch auf dessen Amtskollegen aus Tschechien, Österreich und der Slowakei.


Antworten auf Explosionen: Was hat es mit den zwei Explosionen in der Kölner Innenstadt auf sich? Darüber will die Polizei um 14 Uhr in einer Pressekonferenz informieren.


Der Meister tritt an: Bayer Leverkusen startet heute in die neue Saison der Champions League. Gegner ist um 18.45 Uhr der niederländische Traditionsklub Feyenoord Rotterdam. Um 21 Uhr wird zudem RB Leipzig gegen Atlético Madrid spielen.


Lesetipps

Fast 5,1 Millionen Euro für Sahra Wagenknechts Partei: Die bisher größte Spende einer Privatperson gab große Rätsel auf – bis jetzt. t-online hat die Herkunft des Geldes herausgefunden. Meine Kollegen Lars Wienand und Carsten Janz berichten.


Russlands Verluste im Krieg gegen die Ukraine sind immens. Wie kompensiert Wladimir Putin diese zunehmende Schwäche? Durch psychische Manipulation der westlichen Politik, sagt der Militärökonom Marcus Keupp im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.


Intel nimmt Abstand vom Bau einer Fabrik in Magdeburg. Das sorgt in der Ampel für neue Spannungen. Aber ein Wirtschaftsexperte warnt davor, die Diskussion einfach auszusitzen, schreibt meine Kollegin Frederike Holewik.


Leon Goretzka steht beim FC Bayern schon länger auf dem Abstellgleis. Mittlerweile ist das Thema so groß, dass es den sportlichen Erfolg des Klubs überstrahlt, kommentiert unser Sportchef Andreas Becker.


Ohrenschmaus

Leon Goretzka sollte nicht traurig sein. Ich glaube an große Comebacks, auch in der Musik.


Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Donnerstag. Morgen schreibt Florian Harms für Sie.

Herzliche Grüße

Ihr

David Schafbuch
Stellvertretender Ressortleiter Politik & Wirtschaft
X: @Schubfach
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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