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Stillstand in Deutschland: Der Streik ist unangemessen – anpacken wäre besser


Meinung
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Tagesanbruch
Denkt jetzt jeder nur noch an sich selbst?

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 21.04.2023Lesedauer: 5 Min.
Warnstreik vor dem Erfurter Hauptbahnhof.Vergrößern des Bildes
Warnstreik vor dem Erfurter Hauptbahnhof. (Quelle: Martin Schutt/dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

kurz habe ich überlegt, ob ich den heutigen Tagesanbruch ausfallen lasse. Das erste Mal seit bald sechs Jahren. Abends zu anständiger Zeit ins Bett gehen, statt mir die Nacht um die Ohren zu schlagen. Wäre herrlich. Könnte ich mir eigentlich erlauben. Wenn alle Welt streiken kann, darf ich das ja wohl auch. Aber am Ende hat dann doch das Pflichtgefühl über den inneren Schweinehund gesiegt. Wie immer, na ja.

Ja, der Streik. Heute ist es wieder so weit: Die Mobilitätsrepublik Deutschland steht weitgehend still. Zumindest auf der Schiene und in der Luft. Bis mittags läuft der bundesweite Warnstreik bei der Deutschen Bahn und 50 weiteren Bahnbetreibern, außerdem auf den Flughäfen Hamburg, Köln/Bonn, Düsseldorf und Stuttgart. Die Gewerkschaften wollen deutlich höhere Löhne durchsetzen; das ist ihr Recht, und die Inflation macht ja wirklich alles teurer.

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Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack. Nicht nur, weil man heute als Pendler oder Passagier wieder mal stundenlang nicht von A nach B kommt. Man fragt sich auch unwillkürlich: Denkt eigentlich jeder nur noch an sich selbst?

Fordern ist leicht, fördern ist schwer. Vielleicht sollten wir angesichts all der Krisen trotzdem eher darauf schauen, was wir Förderliches tun können, um das Land wieder in Schwung zu bringen. Zähne zusammenbeißen, anpacken, ein neues deutsches Wirtschaftswunder schaffen, wenigstens ein kleines. "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann. Frage, was du für dein Land tun kannst", hat der ehemalige US-Präsident Kennedy gesagt. Gute Sätze.

Pandemiefolgen, Krieg, hohe Energiepreise, klimaschonender Umbau von Wirtschaft, Wohnen und Verkehr: Die Herausforderungen sind riesig. Wollen wir unseren Wohlstand erhalten, müssen wir uns jetzt richtig anstrengen. Der Staat hilft ja schon mit Gas- und Strompreisbremse, höheren Renten, mehr Kindergeld und manchem mehr. Die Deutsche Bahn muss zweistellige Milliardenbeträge in die Gleissanierung, den Netzausbau, mehr Züge und zusätzliches Personal stecken. Nun auch noch deutlich höhere Löhne, wie soll das gehen? "Zwölf Prozent mehr bei den oberen Einkommen" verlangt die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Verdi fordert für Flughafenbeschäftigte im Sicherheitsbereich, in der Passagier-, Personal- und Warenkontrolle deutlich höhere Zuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit. In beiden Fällen haben die Arbeitgeber bereits große Zugeständnisse gemacht – doch die Gewerkschaften wollen noch mehr.

Mehr, mehr, mehr: Ist das das neue deutsche Mantra? So wird es schwer, durch den Krisensturm zu kommen. Manchmal wünsche ich mir den Geist der Nachkriegsjahre zurück: Da haben die Leute die Ärmel hochgekrempelt und angepackt, statt in schwierigen Zeiten hohe Forderungen zu stellen. Finde ich bewundernswert. Deshalb ist der Tagesanbruch heute Morgen doch noch pünktlich in ihrem Posteingang gelandet.


Ohrenschmaus

Die Gewerkschaften verlangen sofort mehr Geld. Diese Herren aus Österreich wussten, wie das ganz einfach geht.


Vorsicht, Blitzer!

Bahn und Flughäfen werden bestreikt, dann eben schnell das Auto nehmen? Grundsätzlich ein nachvollziehbarer Gedanke, nur mit dem Wörtchen "schnell" in Verbindung mit "fahren" sollten Sie heute besonders vorsichtig sein: Fast alle Bundesländer – bis auf Berlin, Bremen und das Saarland – beteiligen sich am Blitzermarathon und stellen vor Schulen, Kitas, Altenheimen und an Unfallschwerpunkten verstärkt Radarfallen auf. Die Geschwindigkeitskontrollen beginnen in den frühen Morgenstunden und enden erst in der Nacht des Samstags. Allein in Bayern sind rund 1.800 Messstellen eingerichtet.

Eingebettet ist der Blitzermarathon in eine EU-weite Aktion. Die heißt "Roadpol Operation Speed", läuft bereits seit Montag und wird vom Netzwerk der europäischen Verkehrspolizei-Organisationen koordiniert. Anders gesagt: Auch im Ausland sollten Autofahrer den Tacho unbedingt im Auge haben (sollten sie sowieso immer). Der Termin für die nächste bußgeldbewehrte Verkehrserziehung ist übrigens auch schon bekannt: Vom 7. bis 13. August 2023, mitten in der Hauptreisezeit, sind wieder verstärkt Radarkontrollen geplant.


Urteil zur Todesfahrt

Apropos Auto: Im Juni vergangenen Jahres raste ein 29-jähriger Amokfahrer nahe dem Berliner Breitscheidplatz in zwei Fußgängergruppen, tötete eine Lehrerin und verletzte zahlreiche Schülerinnen und Schüler. Eine Horrortat, die an ein nationales Trauma rührte: Nur wenige Meter entfernt hatte der Terrorist Anis Amri 2016 einen Sattelzug in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gesteuert, wobei 13 Menschen starben und mehr als 60 verletzt wurden.

Bereits kurz nach der Todesfahrt beantragte die Staatsanwaltschaft die Unterbringung des Mannes in einer psychiatrischen Klinik; laut einem Gutachten leidet er an einer chronischen paranoiden Schizophrenie und ist nicht schuldfähig. Im folgenden Prozess wegen Mordes, 16-fachen Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung beantragten Staatsanwaltschaft und Nebenklage dann eine dauerhafte Unterbringung des Mannes in der Psychiatrie. Heute Mittag will das Landgericht Berlin sein Urteil sprechen.


Klima-Notstand

Höchstwerte bei der Erwärmung der Ozeane, beim Abschmelzen der Alpengletscher und beim Anstieg des Meeresspiegels: Bereits in ihrem vorläufigen Jahresbericht für 2022 vom vergangenen November listete die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) bedrohliche Entwicklungen auf. Das Wetterphänomen La Niña, hieß es damals, habe die Temperaturen etwas gemindert, sodass 2022 "nur" als fünft- oder sechstwärmstes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen in die Statistik eingehen werde. Zu dem Zeitpunkt aber lagen naturgemäß noch nicht alle Daten vor. Heute präsentiert die WMO in Genf den vollständigen Report, einschließlich der Messungen aus November und Dezember.


Und ansonsten?

Klimaschützer planen diverse Aktionen in Berlin, die FDP beginnt ihren Bundesparteitag, die Berliner SPD-Mitglieder entscheiden, ob sie wirklich mit der CDU koalieren wollen, der Bundestag beschäftigt sich in einem Corona-Bericht mit der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, auf der US Air Base Ramstein trifft sich die Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine, um die weitere Waffenhilfe zu organisieren. Ach ja, und dann ist da noch eine Kunstaktion in Köln, bei der sechs Aktmodelle "lebende Gemälde" inszenieren. Der Künstler Dennis Josef Meseg will damit auf den empörenden Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauchstätern und deren Opfern aufmerksam machen.

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Das Historische Bild

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Zum Schluss

So kann man das natürlich auch sehen.

Ich wünsche Ihnen einen dynamischen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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