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Kindergrundsicherung: Warum die Ampel eine "Osterruhe" á la Merkel braucht


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Was hat Angela Merkel hier zu suchen?


Aktualisiert am 06.04.2023Lesedauer: 5 Min.
Angela Merkel: Die Politik könnte jetzt eine Osterruhe gebrauchen.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel: Die Politik könnte jetzt eine Osterruhe gebrauchen. (Quelle: imago images/Political-Moments)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

ich will ehrlich sein: Wenn es auf Ostern zugeht, habe ich neuerdings Angela-Merkel-Flashbacks. Da spukt mir die frühere Kanzlerin wieder im Kopf herum, so als sei in den vergangenen zwei Jahren nichts passiert. Ich muss dann daran denken, wie Angela Merkel 2021 kurz vor den Feiertagen eine "Osterruhe" verkündete – und damit ein Osterchaos auslöste.

Sie erinnern sich wahrscheinlich dunkel, es war noch Corona, wie man heutzutage sagt. Merkel hatte sich mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mitten in der Nacht ausgedacht, das Land über Ostern herunterzufahren, um die dritte Welle der Pandemie zu brechen. Ein ziemlich harter Lockdown mit ziemlich wenig Zeit, um zu klären, wie er eigentlich funktionieren sollte.

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Merkel blies die Sache wenig später wieder ab und entschuldigte sich für die "Osterruhe", was damals völlig gerechtfertigt war, im Rückblick aber auch ein bisschen tragikomisch wirkt. Ein bisschen Osterruhe hätte besonders der Politik damals wohl ganz gutgetan. Und das täte sie heute auch.

Von Ruhe ist nämlich in der Ampelkoalition wenig zu spüren. Und das, obwohl viele Politikerinnen und Politiker tatsächlich etwas Osterurlaub machen, was bei ihnen aber oft nur heißt, dass es ein paar Minuten länger dauert, bis sie auf SMS antworten. Aber das ist ein anderes Thema.

Wer keinen Urlaub macht oder eben einen irgendwie-halben Politiker-Urlaub, der streitet sich vor allem. Daran hat auch der Marathon-Koalitionsausschuss nichts ändern können, womöglich hat er die Lage noch verschärft. Denn den Grünen, so muss man das sagen, geht allmählich der Langmut aus. Sie fühlen sich alleingelassen in der Koalition und übervorteilt von FDP und SPD. Ob das nun immer gerechtfertigt ist oder nicht, ist eine andere Frage, aber für eine Koalition kann schlicht das Gefühl zum Problem werden.

Es ist diese Stimmung, die zu erklären hilft, warum die diversen Streitigkeiten der Ampel gerade mit einer solchen Schärfe ausgetragen werden. Etwa der Streit um die Kindergrundsicherung. Da werfen manche Grüne der FDP "Schäbigkeit" vor und Christian Lindner, "völlig ungeeignet" zu sein für sein Amt des Finanzministers. Die FDP wiederum schimpft über eine "ehrabschneidende Bullshit-Kampagne" der Grünen und verlangt, dass Familienministerin Lisa Paus "ihren Job richtig macht".

Wo ist die Osterruhe, wenn man sie mal braucht? Die FDP ärgert sich vor allem darüber, dass Grüne den Eindruck erwecken, den Liberalen seien arme Kinder egal. Die Grünen fürchten, dass die FDP ihr nächstes Herzensprojekt schreddert und Olaf Scholz mal wieder einfach zuschaut. Oder gleich mit schreddert.

In der Sache geht es um viel Geld und viele komplizierte Details. Wobei sich die öffentliche Debatte gerade vor allem auf das viele Geld beschränkt. Die Grünen wollen zwölf Milliarden Euro für die Reform, Finanzminister Lindner und die FDP wollen nur zwei, drei Milliarden Euro mehr geben.

Die SPD hat sich nun beim Geld auf die Seite der Grünen geschlagen, was die Grünen gefreut haben dürfte. Aber auch die SPD mahnt etwas an, das ein Hauptkritikpunkt der FDP ist: Es gibt zwar Eckpunkte für die Kindergrundsicherung, aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Die zwölf Milliarden Euro beruhen auf Schätzungen.

Nun argumentieren die Grünen hinter vorgehaltener Hand, die paar Milliarden der FDP reichten wohl nicht einmal für eine Minimalversion der Kindergrundsicherung. Also eine Verwaltungsreform mit ein bisschen mehr Digitalem und ein bisschen weniger Bürokratie. Mag sein, mag nicht sein. Richtig durchgerechnet ist es eben noch nicht.

Schlüssiger erscheint mir da ein anderes Argument der Grünen. Nämlich dass man die Bürokratie ja nicht abbaut, weil das so viel Spaß macht, sondern damit es einen Effekt hat: Die Menschen sollen sich nicht mehr in Dutzenden Formularen verheddern und irgendwann entgeistert den Stift fallen lassen. Sie sollen das Geld, das ihnen zusteht, so leicht wie möglich bekommen. Das ist bisher ein echtes Problem: Den Kinderzuschlag etwa erhält nur ein Drittel der Menschen, die ein Recht darauf haben.

Dass es mehr Geld braucht, wenn mehr Menschen Geld bekommen sollen, erscheint mir logisch. Dafür müssen die jeweiligen Beträge gar nicht erhöht werden. (Obwohl die Grünen auch das gerne hätten.) In der Partei reden sie davon, dass ein Großteil der zwölf Milliarden Euro schon dafür draufgehe, mehr Menschen das auszuzahlen, was ihnen ohnehin zusteht. Wie viel aber genau? Das sagt bisher noch niemand. Von einem "ordentlichen Milliardenbetrag" spricht Fraktionsvize Andreas Audretsch nun immerhin. Aber wie ordentlich ist ordentlich?

Und so erzählt der Streit über die Kindergrundsicherung eben auch die Geschichte dreier Koalitionspartner, die sich keinen Zentimeter mehr über den Weg trauen. Die FDP hat die Sorge, dass die Grünen ohne Sinn und Verstand Unmengen an Geld verteilen wollen, ohne dass sich viel verbessert. Die Grünen haben Angst, dass sie am Ende mit einem ausgeklügelten Konzept, aber ohne Geld dastehen, um es auch Wirklichkeit werden zu lassen. Und der SPD scheint so langsam zu dämmern, dass sie sich nicht aus allen Konflikten heraushalten kann, wenn sie in dieser Koalition nicht selbst unsichtbar werden will. Und wenn es in einem Jahr überhaupt noch eine gemeinsame Regierung geben soll.

Es ist also mal wieder so, wie es in der Ampel zuletzt oft war: ziemlich verfahren. Vielleicht hilft es da sogar, dass Finanzminister Lindner endgültig beschlossen hat, dieses Frühjahr keine Eckwerte für den Haushalt vorzulegen, sondern erst im Frühsommer den eigentlichen Kabinettsentwurf. Das könnte Zeit schaffen, sich darüber zu verständigen, wie die Kindergrundsicherung konkret aussehen soll.

Vorher könnte etwas Osterruhe helfen, die Wogen zu glätten. Also eine Osterruhe im eigentlichen Wortsinn, nicht in der Merkel'schen Version. Wann sollte man an Wunder glauben, wenn nicht zu Ostern?


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Zum Schluss

Lassen Sie es sich schmecken.

Ich wünsche Ihnen ein ruhiges Osterwochenende. Den Tagesanbruch am Wochenende gibt es diesmal schon am Freitag für Sie.

Herzliche Grüße

Ihr Johannes Bebermeier
Politischer Reporter
Twitter: @jbebermeier

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Mit Material von dpa.

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