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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zurückkehren, um zu bleiben Wie Leben auf Mond und Mars Realität werden könnte
Der Mond als touristisches Ziel
Seit 1972 hat kein Mensch mehr den Mond betreten, die letzten Gesteinsproben vom Mond wurden 1976 zur Erde gebracht. Doch mit der Landung der chinesischen Sonde "Chang’e 5" am 16. Dezember 2020 in der Mongolei wurden nun erstmals wieder Proben des Erdtrabanten gesichert. Und auch astronautische Mondmissionen soll es in naher Zukunft wieder geben. Denn die Rückkehr zum Mond und die Einrichtung einer dauerhaften Präsenz auf dem Himmelskörper sind erklärte Ziele von Weltraummächten und privaten Akteuren.
Der Mond – ein "äußerst interessantes touristisches Ziel"
So plant beispielsweise die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA mit dem Programm "Artemis" im Jahr 2024 „die erste Frau und den nächsten Mann” zum Mond zu bringen. Anschließend sollen dort bis Ende des Jahrzehnts permanente Infrastrukturen für die langfristige Erforschung des Mondes aufgebaut werden. Sowohl internationale Partner – unter anderem die Europäische Weltraumorganisation ESA – als auch privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligen sich offiziell an dem Programm.
Aus Sicht von Prof. Dr. Ralf Jaumann, Honorarprofessor für Planetologie und Fernerkundung am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin gibt es für das große Interesse am Mond und an dessen Besiedlung sowohl wissenschaftliche als auch wirtschaftliche Gründe. Zum einen könne der Mond selbst erforscht, aber auch darüber hinaus wissenschaftlich genutzt werden. Zum Beispiel für Experimente unter Mondvakuum, als Experimentierfeld für das Leben außerhalb der Erde oder als astronomische Beobachtungsstation. Zum anderen sei der Mond aufgrund seiner Nähe zur Erde für den Tourismus besonders attraktiv. "Wenn die Infrastruktur einmal besteht, kann man einfach zum Mond fliegen und ich bin mir ziemlich sicher, dass das dann auch ein äußerst interessantes touristisches Ziel sein wird", sagt Jaumann. Und nicht nur kurzfristige Ausflüge, sondern auch längere Aufenthalte auf dem Mond sind geplant.
Das Weltraumwetter birgt extreme Herausforderungen
Allerdings unterscheiden sich die Umweltbedingungen auf dem Mond stark von denen, die der menschliche Körper von der Erde gewohnt ist. Beispielsweise dauert ein Tag auf dem Mond einen Monat. "Das heißt, es ist 13 Tage Nacht und 13 Tage hell. Während der Nacht gehen die Temperaturen auf -100 bis -120 Grad Celsius herunter. Das stellt auch die Energieversorgung auf dem Mond – sofern man Solarenergie nutzen will – vor Probleme", sagt Jaumann. Außerdem gibt es auf dem Mond keine Atmosphäre und keinen natürlichen Schutz vor Weltraum- und Sonnenstrahlung. "Die Sonnenstrahlung variiert stark und kann sich innerhalb kürzester Zeit um das Vielfache potenzieren. Man muss das sogenannte Weltraumwetter sehr genau kennen, um sich auf dem Mond außerhalb der Basis zu bewegen", so der Planetologe.
Laut Jaumann ließe sich das Energieproblem ein Stück weit umgehen, indem man eine Mondbasis und Solarzellen in der gebirgsartigen Region um die Einschlagskrater am Südpol aufbaut, wo immer Sonnenlicht hinfällt. Vor Strahlung könnten die Astronauten und Astronautinnen geschützt werden, indem man die Basis mit einer dicken Schicht Mondstaub – sogenanntem Regolith – isoliert. Um menschliches (Über-) Leben unter den widrigen Umweltbedingungen auf dem Mond überhaupt für einen längeren Zeitraum zu ermöglichen, tüfteln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit an technologischen Lösungen – beispielsweise in den Projekten "Moonrise" und "Moon and Mars Base Analog" (MaMBA).
Baumaterial als teure Fracht – eine Alternative muss her
Das Projekt "Moonrise" plant eine Technologie zu entwickeln, mit der man Mondregolith verformen und als Baumaterial nutzbar machen kann. Dazu verwendet das gemeinsame Projekt des "Instituts für Raumfahrtsysteme"(IRAS) der Technischen Universität Braunschweig und des "Laser Zentrums Hannover e.V". ein 3D-Druck-Verfahren, bei dem nacheinander mehrere Schichten Regolith aufgetragen und mittels Laser geschmolzen werden.
"Die Idee ist, Materialien, die es vor Ort gibt, mittels Wärmebehandlung so zu verformen, dass man daraus beispielsweise Gebäude oder Straßen bauen kann, ohne dazu viel Material von der Erde mitnehmen zu müssen", sagt Weltraumingenieur Prof. Dr.-Ing. Enrico Stoll, der das IRAS leitet. Denn der Transport von Materialien zum Mond ist enorm teuer – auch wenn die Schätzungen weit auseinander gehen. Stoll geht von Kosten zwischen 700.000 und 1 Million Euro pro Kilogramm Fracht aus.
"Moonrise" auf der Suche nach einer Mitfluggelegenheit
Der Drucker des "Moonrise"-Experiments hat ein Volumen von eineinhalb bis zwei Litern und wiegt etwa drei Kilo. Allerdings kann der entwickelte Prototyp nur kleine Strukturen drucken. Um größere Objekte, wie beispielsweise Bauteile für Mondstationen, herzustellen, bräuchte es einen größeren Drucker.
Im Juli dieses Jahres wurde das Druckverfahren bereits erfolgreich unter Mondgravitation getestet. Aktuell ist "Moonrise" auf der Suche nach einer Mitfluggelegenheit, um das Verfahren auch auf dem Mond tatsächlich testen zu können.
Die Basis muss hat einige Anforderungen zu erfüllen
Während "Moonrise" an einer Technologie zum Bau einer Mondbasis forscht, beschäftigt sich MaMBA damit, wie eine solche Basis konkret aussehen könnte. Zwar gibt es auf der Erde bereits mehrere Testhabitate, beispielsweise für psychologische Studien, aber keines, das auf anderen Himmelskörpern funktionsfähig wäre. Bei dem Projekt des "Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation" (ZARM) der Universität Bremen soll deshalb ein Prototyp entstehen, der als Basis auf dem Mond oder Mars auch technisch umsetzbar ist.
"Der Prototyp muss mehrere Anforderungen erfüllen: Luft und Wasser müssen wiederaufbereitet werden, das Gehäuse muss druckfest sein und es muss Schutz vor der Weltraumstrahlung geben. Aber die Crew soll sich auch wohlfühlen in dem Habitat", sagt Projektleiterin Dr.-Ing. Christiane Heinicke. Die Physikerin und Ingenieurin hat selbst im Rahmen einer psychologischen Studie an einer Mars-Simulation teilgenommen – ihre Erfahrungen aus diesem Experiment fließen in das Projekt mit ein.
Der MaMBA-Prototyp besteht aus sechs Modulen – drei Module für Arbeitsaktivitäten und drei Module für Freizeitaktivitäten. Außerdem gibt es zwei Luftschleusenmodule, über die man das Habitat betreten und verlassen kann. Trotz der hohen Transportkosten geht Heinicke davon aus, dass die Module für die erste Mondbasis von der Erde dorthin geflogen werden müssen. "Der Transport zum Mars ist natürlich noch deutlich schwieriger, länger und teurer, dafür sind die Umweltbedingungen auf dem Mars weniger widrig als auf dem Mond. Das heißt, wenn die Basis auf dem Mond zuverlässig funktioniert und wir dort die 'Kinderkrankheiten' des Habitats ausgebessert haben, sollte sie auf dem Mars noch zuverlässiger funktionieren", sagt Heinicke.
Dauerhaftes Leben auf Mars und Mond – eine Frage des politischen Willens
Wenn man die Expertinnen und Experten fragt, ab wann sie dauerhaftes menschliches Leben auf dem Mond beziehungsweise auf dem Mars für möglich halten, erhält man unterschiedliche Antworten. Jaumann geht davon aus, dass es frühestens in 50 Jahren eine dauerhaft bewohnte Mondbasis geben wird. Stoll zeigt sich weitaus optimistischer: "Da bin ich einfach mal Technologie-Enthusiast und sage in 15 Jahren können wir das schaffen." Heinicke schätzt, dass es in zehn Jahren eine bewohnte Station auf dem Mond geben könnte.
Bis es eine Marsbasis gibt, werde es hingegen länger dauern: "Da ist die Logistik weitaus komplizierter, weil man nicht jederzeit aufbrechen kann, sondern das passende Startfenster abwarten muss. Hinzu kommt die lange Reisezeit. Ich denke, das wird noch 20 bis 30 Jahre dauern." Allerdings gibt sie zu bedenken, dass dies eine Einschätzung aus technischer Sicht sei – wenn aber der politische Wille fehle, könne es beliebig lange dauern, bis es dauerhaftes menschliches Leben auf dem Mond und Mars gebe.
Dieser Text ist im Rahmen des Projekts "Die Debatte" von Wissenschaft im Dialog entstanden. "Die Debatte" ist eine Plattform für die Diskussion aktueller kontroverser Themen aus der Wissenschaft und will die wissenschaftliche Perspektive stärker in öffentlich viel diskutierte Themen einbringen.