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Flutkatastrophe an der Ahr: "Flutwein" soll Gastronomie retten


Nach Hochwasser
"Flutwein" soll Gastronomie im Ahrtal retten

Von afp, dpa, t-online
Aktualisiert am 05.08.2021Lesedauer: 4 Min.
Verschlammte Weinflaschen: Sie werden als Unikate verkauft.Vergrößern des Bildes
Verschlammte Weinflaschen: Sie werden als Unikate verkauft. (Quelle: Twitter/Flutwein)

Das Hochwasser hat an der Ahr massive Verwüstungen angerichtet. Während manch ein Bewohner nach der Flut wegziehen will, geben andere die Hoffnung nicht auf – und finden kreative Wege, Geld zu sammeln.

Schlammverschmierte Flaschen, gerettet aus überfluteten Weinkellern: Für die Winzer der Weinanbauregion Ahr in Rheinland-Pfalz stehen sie nach den verheerenden Überschwemmungen im Juli für die Hoffnung auf einen Neuanfang. "Nachdem wir die Flaschen geborgen hatten, mussten wir uns überlegen, was passiert damit – wir können die ja nicht einfach wegwerfen", sagt die Initiatorin der Initiative "Flutwein", Linda Kleber, der Nachrichtenagentur AFP.

Die Idee kam ihr, als sie die verschmierten Weinflaschen aus ihrem verwüsteten Restaurant trug – eine nach der anderen. Tausende Flaschen Wein, die in der Region produziert wurden, stehen nun trotz der widrigen Umstände zum Verkauf – so wie sie sind, voller Erde, Schlammspritzer und mit zerrissenen Etiketten – als Symbole der Katastrophe. Es sind wahre Einzelstücke.

"Liegen vor einem langen Marathon, der uns bevorsteht"

Die Einnahmen, nach aktuellem Stand mehr als 2,5 Millionen Euro, "geben uns enorme Hoffnung, der ganzen Winzerschaft, aber auch den Gastronomen", sagt Peter Kriechel, ein 38-jähriger Winzer und Vorsitzender des lokalen Winzervereins Ahrwein e.V. Er war sofort begeistert von Klebers Idee.

Kriechel selbst hatte rund 200.000 Flaschen Wein in seinem Lager, als in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli die Flut kam. "Ich glaube, wir liegen vor einem langen Marathon, der uns bevorsteht", sagt Kriechel. "Wobei Aktionen wie Flutwein uns helfen, uns einen Kickstart zu geben."

Das Ahrtal ist bekannt für seinen Spätburgunder, der entlang der steilen Talhänge wächst. Die regionale Wirtschaft ist angewiesen auf den Weinanbau und die Touristen, die deshalb anreisen. "Ohne Wein gibt es das Ahrtal nicht und bestimmt nicht die Ahrtaler Gastronomie", sagt Jörg Kleber, der Ehemann von "Flutwein"-Initiatorin Linda Kleber.

"Das war ein Tsunami"

Insgesamt zerstörte die Flutkatastrophe, bei der 225 Menschen in Europa starben, davon 187 in Deutschland, zwischen fünf und zehn Prozent der Rebfläche im Ahrtal. Paul Schuhmacher gehört zu jenen, die viel verloren haben.

"Das war kein normales Hochwasser, das war ein Tsunami", erzählt der 63-jährige Winzer. Kurz bevor das Wasser bei ihm eindrang, eilte Schuhmacher nach unten, um zu überprüfen, ob die Weinfässer ordentlich verschlossen waren. "Ich bin mit einem riesen Hammer in den Keller gelaufen", erinnert er sich. Dann flüchtete er mit seiner Frau in eine Wohnung in der ersten Etage seines Wohnhauses, doch das Wasser stand bald über einen Meter hoch. Es blieb nur noch die Flucht aufs Dach, dort harrte das Ehepaar Schuhmacher bis in die frühen Morgenstunden aus.

Ein halber Hektar seines fünf Hektar großen Weinanbaugebiets ist zerstört. Das Erdgeschoss seines Hauses, wo sich auch seine Straußwirtschaft befand, ist noch überzogen mit einer Schicht aus Schlamm. Trotzdem plant der langjährige Winzer fest, auch in diesem Jahr einen Wein zu produzieren. Ob in Ahrweiler selbst in diesem Jahr Wein hergestellt werden kann, ist noch völlig unklar, doch die Winzer aus den Nachbarregionen haben versprochen, mit der Ernte und Herstellung zu helfen.

"Es werden ganz viele wegziehen"

Angesichts der schlimmsten Naturkatastrophe in Deutschland seit Jahrzehnten hat die Bundesregierung bereits Hilfsgelder in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro bereitgestellt. Das Ahrtal wird trotzdem nie wieder so sein "wie es vorher war". "Es werden ganz viele, was man so hört, wegziehen an der Ahr", sagt Schuhmacher. "Sie werden ihre Häuser nicht mehr aufbauen."

Für das Ehepaar Kleber kommt das nicht in Frage, auch wenn von ihrem Restaurant im Zentrum von Ahrweiler nur noch eine Ruine übrig ist. Küche, Bar, Esszimmer, Garten: Nach den Aufräumarbeiten bleibt im "Kleber's" nichts mehr übrig, außer die Wände, an denen eine braune Schlammspur die unvorstellbare Höhe markiert, die die Flut erreichte.

"Wir hatte einen guten Sommer gehabt mit Corona und konnten uns ein bisschen was zur Seite schaffen", sagt Kleber, der von Beruf Koch ist. Zwei Jahre Corona waren aber "nichts" gegen eine Stunde Hochwasser.

Trotz allem wird es ein neues "Kleber's" geben, verspricht der Chef. "Wir haben hier unsere Freunde, unser Leben" und nach der Katastrophe seien sie nur noch verwurzelter geworden. Von hier wegziehen werden sie also "jetzt erst recht nicht".

Weitere Aktionen zur Spendensammlung

Eine weitere Aktion ist die "solidAHRität", für die am Donnerstag in Bodenheim am Rhein gespendeter Wein in Kisten verpackt wurde. Winzer und Weinhändler aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Südtirol, Griechenland, Österreich und Südafrika haben nach Angaben des Deutschen Weininstituts rund 200.000 Flaschen Wein gespendet, die jetzt von ehrenamtlichen Helfern in Überraschungspakete mit jeweils sechs Flaschen gepackt werden.

Eine außergewöhnliche Aktion zur Spendensammlung rief auch ein Landwirt ins Leben: Seit Wochen packt Markus Wipperfürth ehrenamtlich in den Katastrophengebieten mit an. Jetzt erzielte eine abgewetzte Arbeitskappe des Landwirts bei Ebay eine enorme Summe. Hier lesen Sie mehr.

Verwendete Quellen
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