Reisewarnung für Italien ausgesprochen "Das ist das Ende der Welt"
Die Überschwemmungen in Italien ziehen eine Welle der Zerstörung mit sich. Lokalpolitiker fordern schnelle Hilfe. Teilweise beginnt der Wiederaufbau.
Nach den dramatischen Überschwemmungen und Erdrutschen infolge heftiger Regenfälle in der italienischen Region Emilia-Romagna ist die Zahl der Todesopfer auf elf gestiegen. In der Gemeinde Russi in der Provinz Ravenna an der Adriaküste seien die Leichen einer Frau und eines Mannes in ihrem Haus gefunden worden, meldeten die Nachrichtenagenturen Ansa und Adnkronos am Donnerstagnachmittag. Der Sohn des Ehepaares hatte die Behörden demnach informiert, nachdem er seine Eltern nicht erreichen konnte. Auch in Castel Bolognese und dem Ort Sant'Agata sul Santerno wurden am Donnerstag Tote geborgen.
Das Auswärtige Amt (AA) veröffentlichte am Donnerstag wegen "Extremwetter" und starken Regenfällen eine Reisewarnung für Italien. Es komme zu Einschränkungen im regionalen Bahnverkehr. Am stärksten betroffen sind die Provinzen Ravenna, Forlì-Cesena und Rimini – dort insbesondere die Städte Faenza, Cesena und Forlì.
"Im Landesinnern besteht die Gefahr von Überschwemmungen und Erdrutschen; an der gesamten Küste auch Mittel- und Süditaliens können Sturmfluten einsetzen", teilte das AA mit. "Besondere Vorsicht gilt momentan in den Regionen Emilia-Romagna sowie in Sizilien (jeweils höchste Alarmstufe)." Entgegen lokalen Medienberichten waren nach Angaben eines Sprechers italienischer Behörden der Präfektur Forli-Cesena am Donnerstag gegenüber AFP zunächst keine Deutschen unter den Todesopfern.
"Hält kein Boden aus"
Dem Präsidenten der Region Emilia-Romagna zufolge, Stefano Bonaccini, gleicht das Ausmaß der Verwüstung dem eines Erdbebens. Die Schäden durch das Unwetter beliefen sich auf einige Milliarden Euro, sagte er am Donnerstag im italienischen Fernsehen. Von der Regierung forderte er schnelle Hilfe. Sehen Sie oben im Video das Ausmaß der Zerstörung.
Nach Angaben der Wetterbehörden ist am Donnerstag vorerst nicht mit weiterem Niederschlag zu rechnen. "Aber wenn die Regenmenge von sechs Monaten in 36 Stunden fällt (...), hält das kein Boden aus", sagte Bonaccini. In Norditalien herrschte in den vergangenen Monaten große Trockenheit. Die Region Emilia-Romagna war erst vor zwei Wochen von heftigem Regen, Überschwemmungen und Erdrutschen getroffen worden. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben.
"Das ist das Ende der Welt"
"Ich lebe hier seit meiner Geburt, aber so etwas habe ich noch nie gesehen", sagte die Besitzerin des Hotels "Savio" in der Kleinstadt Cesena, Simona Matassoni, der Nachrichtenagentur AFP. "Diesmal haben wir wirklich Angst." Bewohner der kleinen Stadt konnten nur schwimmend ein dreijähriges Kind aus einer überfluteten Straße retten. Bürgermeister Enzo Lattuca rief alle Einwohner auf, "unter keinen Umständen in Untergeschosse oder Keller" zu gehen und sich nach Möglichkeit auch nicht im Erdgeschoss aufzuhalten.
In der besonders betroffenen Stadt Forli flohen viele Einwohner barfuß und in Panik in der nächtlichen Dunkelheit vor den Wassermassen. Einigen reichte das Wasser laut einem AFP-Fotografen bis zur Brust. "Das ist das Ende der Welt", schrieb Bürgermeister Gian Luca Zattini auf Facebook. Seine Stadt sei "am Boden".
50.000 Menschen ohne Strom
An einigen Orten beginnen allerdings bereits die ersten Aufräumarbeiten. Medienberichten zufolge haben sich Tausende Freiwillige in den betroffenen Gebieten gemeldet und versammelt, um zu helfen. 50.000 Einwohner der Katastrophenregion waren laut der Zivilschutzbehörde am Mittwoch ohne Strom.
Auch die weiten Felder im Raum zwischen Forlì und Rimini sind stark von den Unwetterschäden betroffen. Die italienische Agrarvereinigung Coldiretti sprach etwa von "unkalkulierbaren Schäden für die Landwirtschaft". Die Überschwemmungen hätten abgesehen von dem menschlichen Leid zudem "wertvolle landwirtschaftliche Flächen verwüstet". Das Überleben von Betrieben und den von ihnen abhängigen Arbeitnehmern sei in Gefahr.
Solidarität aus Politik und Sport
Infolge der schweren Unwetter kamen mindestens neun Menschen ums Leben, es gibt Berichte über Vermisste. In der Region traten zwischen Dienstag und Mittwoch 21 Flüsse über die Ufer, 36 Städte und Gemeinden waren überflutet, 48 Lokalverwaltungen meldeten Erdrutsche. Viele Einwohner mussten sich dort in höhere Stockwerke oder auf das Dach ihrer Häuser retten.
Italienische Spitzenpolitiker sprachen der Bevölkerung in der Region ihre Solidarität aus. Als Zeichen der Anteilnahme ordneten unterdessen etwa auch der italienische Fußballverband sowie der Tennisverband eine Schweigeminute für alle Spiele am Donnerstag sowie am Wochenende an. In Rom läuft derzeit das Masters-1000-Tennisturnier, während das für dieses Wochenende geplante Formel-1-Rennen in Imola abgesagt wurde.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa