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Kinderhospiz: Ute begleitet Kinder beim Sterben – wie fühlt sie sich dabei?


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Arbeit im Kinderhospiz
Ute begleitet kranke Kinder – "Er wusste, er würde bald sterben"

  • Josephin Hartwig
Von Josephin Hartwig

09.08.2020Lesedauer: 4 Min.
Mutter und Kind: In dem Berliner Kinderhospiz Sonnenhof können pflegende Eltern auch eine kurzzeitige Versorgung ihrer Kinder in Anspruch nehmen.Vergrößern des Bildes
Mutter und Kind: In dem Berliner Kinderhospiz Sonnenhof können pflegende Eltern auch eine kurzzeitige Versorgung ihrer Kinder in Anspruch nehmen. (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)

Vor fast 20 Jahren ist in Berlin ein Kinderhospiz gegründet worden. Ute Klamp-Rinckens vom Sonnenhof berichtet t-online.de, was es heißt, Kinder und Jugendliche beim Sterben zu begleiten.

Dort, wo das Leben für Kinder zu Ende geht, arbeitet Ute Klamp-Rinckens. "Du kannst dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben" ist das Motto, nach dem sie schon seit etwa zehn Jahren im Kinderhospiz Sonnenhof in Berlin arbeitet. Missen möchte sie keinen einzigen Tag. "Wenn man in einem solchen Berufsfeld tätig ist, gibt es kaum etwas, das man noch nicht gesehen hat", erzählt sie. Doch die Corona-Pandemie hat auch einiges verändert.

"Man kann nicht vorhersagen, wie lange sie bei uns bleiben"

Die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in den Sonnenhof kommen, werden dort Gäste genannt. Sie haben Muskeldysthrophien, neurologische, genetische, onkologische oder andere Erkrankungen. "Die Krankheitsbilder sind sehr verschieden. Oft kann man auch nicht vorhersagen, wie lange unsere Gäste noch bei uns bleiben", sagt Klamp-Rinckens. Sie erinnert sich besonders an den Fall eines etwa 17-Jährigen. Seine Mutter pflegte ihn zu Hause, er litt an einer fortgeschrittenen, chronischen Muskelerkrankung. Bei dieser Krankheit schwinden die Muskeln, irgendwann auch die des Herzens und der Lunge.

Die Mutter habe die Hospizleiterin verzweifelt angerufen. "Sie wusste nicht mehr, was sie noch tun sollte. Der nächste Schritt wäre eine Beatmung gewesen, doch das wollte ihr Sohn nicht." Sie habe dann auch mit dem Jugendlichen gesprochen. "Er war sich ganz sicher, dass die Zeit gekommen ist." Der 17-Jährige und seine Mutter kamen wenig später ins Hospiz. "Er wusste, er würde sehr bald sterben. Und das war dann auch so. Ich hätte es nicht gedacht. Seine Klarheit darüber hat mich sehr beeindruckt", erinnert sich die Hospizleiterin.

Ausflüge während Pandemie kaum machbar

Viel Leid, viele Tränen und viele Schicksalsgeschichten hat die Hospizleiterin schon miterlebt. Doch in dem Haus, in dem Kinder und junge Erwachsene bis 27 Jahren ihre letzten Tage, Wochen oder Monate verbringen, gibt es auch viel Freude. "Wir lachen viel, machen so gut es geht Ausflüge und schöne Erlebnisse möglich." Während der Pandemie war das natürlich nur eingeschränkt möglich. Der Sonnenhof bietet auch die sogenannte Verhinderungspflege an, wenn etwa Eltern für bis zu sechs Wochen die Pflege ihres kranken Kindes nicht übernehmen können. Dann wird das Hospiz zum Erlebnishof für "fortschreitend erkrankte Kinder", erklärt Klamp-Rinckens.

Eltern, die ihre Kinder eigentlich in den Osterferien eine Zeit lang im Hospiz betreuen lassen wollten, brachten diesmal ihre Kinder nicht. "Die Unsicherheit ist groß. Eltern sind es zwar gewohnt, besonders vorsichtig zu sein, was generell Erkrankungen bei ihren Kindern betrifft. Aber das war hier schon etwas anderes", erklärt Klamp-Rinckens. Eigentlich bringen Familien aus ganz Deutschland ihre Kinder in den Sonnenhof, doch eine Anreise mit dem Zug birgt in diesen Zeiten ein zu hohes Risiko für die zumeist schwerkranken und anfälligeren Kinder. Deshalb bleiben die temporären Gäste aus.

Erst vor kurzem war ein 13-jähriges Mädchen mit ihrer Familie in den Sonnenhof gekommen, um sich umzusehen. Auch sie litt an einer unheilbaren Muskelerkrankung. "Nur kurze Zeit später ist sie gestorben, bevor sie überhaupt zu uns kommen konnte. So ist es mit vielen jungen Erwachsenen. Sie sind sehr reif, sehr erwachsen und verstehen genau, was los ist." Es gebe aber auch andere Fälle. Manchmal können die Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zum Schluss den eigenen Tod nicht akzeptieren und hätten einen unbedingten Lebenswillen. Vor allem jene, die zwar körperlich stark beeinträchtigt sind, aber geistig nicht.

Jüngere wissen nicht, was sie in ihrem Leben verpassen werden

"Kleinere Kinder denken nicht so weit, sind dabei eher sprunghaft und haben nicht die Aussicht auf das, was sie durch ihren Tod verpassen werden." Häufig sei es vorgekommen, dass Jüngere genau auf den Moment warten, wenn die Eltern nicht im Raum sind, um zu sterben. Das sei dann natürlich sehr schwer für die Eltern. "Ich kann auch aus meiner Erfahrung sagen, dass es vielen Angehörigen gutgetan hat, in diesen Situationen nicht allein zu sein und einen Begleiter des Hospizes im Raum zu wissen."

Zum Angebot des Hospizes gehört auch eine Geschwistergruppe, die Hilfe durch Sozialpädagogen, wenn eine Pflegestelle für ein schwerkrankes Kind gesucht wird, oder auch Musik- und Kunsttherapie für die Gäste. Eigentlich macht das Kinderhospiz Sonnenhof jedes Jahr auch viele Veranstaltungen, doch viele davon waren nun nicht möglich. "Dadurch sind auch Sponsoren abgesprungen und Spenden blieben teilweise aus", sagt Klamp-Rinckens.

Zwar werden die 12 stationären Plätze, über die das Hospiz verfügt, zu 95 Prozent von den Krankenkassen finanziert und fünf Prozent der Versorgung werden über das Ehrenamt abgedeckt. Doch extra Veranstaltungen müssen über Spendengelder finanziert werden. "Wir hoffen, dass es da wieder bergauf geht." Die 54-Jährige ist zuversichtlich, dass das Angebot schon bald wieder ausgeweitet werden kann.

Digitale Gedenkveranstaltung organisiert

Als Alternative zu der jährlichen Gedenkveranstaltung für die gestorbenen Gäste des Hospizes war digital das Anzünden einer Kerze angeboten worden. "Wir hatten außerdem eine Seelsorgerin am Telefon im Einsatz. Für die Angehörigen ist dieser Tag, für den sie aus ganz Deutschland anreisen, sehr wichtig", so Klamp-Rinckens. Im nächsten Jahr soll es aber hoffentlich wieder ein persönliches Treffen geben. Vorteile durch die Corona-Zeit könne sie allerdings auch sehen. Wie etwa, dass die Organisation von Veranstaltungen oder auch die Spendenakquise aus dem Homeoffice kein Problem ist und so eventuell auch langfristig in den Arbeitsalltag der Mitarbeiter übernommen werden kann.

Ute Klamp-Rinckens erinnert sich noch gut an ihren ersten Tag, als sie im Rahmen eines Praktikums bei den Maltesern nur eine Zeit lang in dem Hospiz arbeiten wollte. "Ich setzte mich während der Tour in einen Raum, in dem ein Berg aus Plüschtieren lag. Plötzlich sah ich zwischen diesen Plüschtieren ein Kind sitzen", erzählt sie. Das sei damals ein großer Schock gewesen, denn das Kind war ein Gast des Hospizes. "Es hatte einen Wasserkopf, so etwas hatte ich bis dahin noch nicht gesehen." Wenn man seit fast zehn Jahren in einem Kinderhospiz arbeitet, lernt man viel über das Leben. "Man wird demütiger, dankbarer, aufmerksamer und bewertet andere Lebensentwürfe nicht mehr", sagt sie. Ein Hospiz sei kein depressiver Ort, sondern für sie ganz klar: "Die Kraftquelle des Lebens."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Ute Klamp-Rinckens
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