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Wie ein Nobelpreis: Deutsches Mathe-Genie Peter Scholze erhält Auszeichnung


Wie ein Nobelpreis
Deutsches Mathe-Genie erhält höchste Auszeichnung

dpa, Marco Krefting

Aktualisiert am 02.08.2018Lesedauer: 4 Min.
Der Mathematik-Professor Peter Scholze: Der 30-Jährige wird mit der Fields-Medaille erhalten.Vergrößern des BildesDer Mathematik-Professor Peter Scholze: Der 30-Jährige wird mit der Fields-Medaille erhalten. (Quelle: Volker Lannert/dpa)

Er versteht und erklärt mathematische Zusammenhänge so, dass die Welt nur staunen kann: Ein erst 30 Jahre alter Deutscher erhält die höchste Auszeichnung der Mathematik.

Er war mit 24 Jahren jüngster Professor Deutschlands, hat etliche Preise abgeräumt und versteht mathematische Zusammenhänge so, dass die Welt nur staunen kann: Der Bonner Mathematiker Peter Scholze ist mit einer der renommiertesten Auszeichnungen seines Fachs, der Fields-Medaille, gewürdigt worden – erst als zweiter Deutscher überhaupt.

Mit dem Nobelpreis vergleichbar

Das sei "schon eine herausragende Ehre", sagt der 30-jährige gebürtige Dresdner anlässlich der Verleihung beim Internationalen Mathematiker-Kongress in Rio de Janeiro. Diese Bescheidenheit passt zu ihm. Das Prestige der Fields-Medaille ist mit dem der Nobelpreise vergleichbar.

Schulterlange, braune Haare. Schlanke Figur, schlichtes Hemd. Peter Scholze sticht auf den ersten Blick nicht heraus. Was ihn ausmacht, ist seine geistige Arbeit. Sein Genie. Auch wenn er das selbst wohl nie so sagen würde. "An sich habe ich gar nicht das Gefühl, dass ich ein spezielles Talent besitze", sagt er. Mit dieser Meinung steht er ziemlich alleine da.

Zahlreiche weitere Auszeichnungen

Die goldene Medaille reiht sich bei Scholze ein in zahlreiche weitere Auszeichnungen, die ein Mathematiker auf dieser Welt bekommen kann. Scholze ist Mitglied unter anderem der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Seit Juli ist er zudem Direktor am Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn.


Scholzes Doktorvater Michael Rapoport sagt: "Er ist der bessere Mathematiker als ich, er hat tiefere Einblicke als ich, er hat den besseren Überblick." Wie die Studenten hole auch er selbst sich Rat bei Scholze. "Er ist inzwischen mein Lehrer." Schon beim Abitur habe Scholze sein ganzes Fachgebiet intus gehabt und noch Wissen darüber hinaus, sagt der frühere Mathe-Professor. "Ich hatte eine ganze Reihe von außergewöhnlichen Studenten, aber Scholze ist exzeptionell." Er habe ein absolutes Formgefühl – wie Mozart. "Die Kompositionen sind in gewissem Sinn vollkommen komponiert und eingängig", schwärmt Rapoport. "Aber er trägt sein Genie nicht vor sich her."

"Brauche die Superlative nicht"

In Laudationen wird Scholze als Überflieger und Ausnahmetalent bezeichnet. "Ich brauche die Superlative nicht", sagt der trocken. Er versuche, das nicht so sehr an sich rankommen zu lassen. Im Interview lässt er sich viel Zeit zum Antworten – und gibt sich dann doch oft wortkarg. "Wir versuchen in der Mathematik immer, die Dinge möglichst klar zu sagen", formuliert Scholze. Es klingt wie sein Lebensmotto.

Der einzige Deutsche, der bislang die Fields-Medaille bekam, ist Gerd Faltings. 1986 war das. Über Scholze sagt er: "Es ist erstaunlich, wie viele Sachen er macht und versteht. Dinge, wo ich lange für brauchen würde oder die mich nicht interessieren. Damit sticht er aus der Masse heraus." Scholze sei fleißiger als er und habe zu vielen Themen eine fundierte Meinung. "Er liefert eine neue Sicht auf die Dinge und setzt Spezialfälle in größeren Zusammenhang."

Forschung gilt als weltweit bahnbrechend

Was Scholze macht, ist für Laien schwer bis gar nicht verständlich. Er forscht zur sogenannten arithmetischen Geometrie und schafft Verbindungen zwischen verschiedenen Gebieten der Mathematik. Das hilft Fachleuten, Probleme in einem Bereich mit Ansätzen aus einem anderen zu lösen. Gewissermaßen blickt Scholze über den Tellerrand der einzelnen Disziplinen und verknüpft Lösungsansätze. Seine Forschung gilt als weltweit bahnbrechend und richtungsweisend.

Er selbst beschreibt das so: "Was mich interessiert, sind die ganzen Zahlen – also 1, 2, 3, 4, 5 und so weiter – und ihre Eigenschaften, also was für Gleichungen man damit lösen kann. Und diese ganz grundlegende Fragestellung benötigt abstrakte Methoden, die aus verschiedenen, überraschenden Bereichen der Mathematik kommen: aus der Geometrie, aus der Analysis. Eigentlich gibt es da aus allen Gebieten der Mathematik Querverbindungen."

Beim Tipp-Spiel zur Fußball-WM lag er vorn

Der einfache Mathematikschüler mag da nur Bahnhof verstehen. Scholzes akademischer Lehrer Rapoport erklärt, es gehe um Probleme, die seit gefühlten Ewigkeiten bearbeitet werden. Und er ordnet ein: "Nicht die Nützlichkeit ist der Grund, warum das toll ist, sondern das geistige Ideengebäude, das Herr Scholze aufgebaut hat." Doch mit Scholze könne man auch über Rasenpflege plaudern. "Aber es kann sein, dass er im Gespräch auf einmal zum Fachlichen wechselt." Beim Tippspiel zur Fußball-WM habe Scholze weit vor ihm gelegen, verrät Rapoport.

Die Anfänge für die Ausnahmekarriere waren früh gelegt: Geboren in Dresden besuchte Scholze in Ostberlin das Heinrich-Hertz-Gymnasium, eine Eliteschule für Mathematiker und Naturwissenschaftler. 2007 schließt er das Abi mit 1,0 ab. "Unseren Peter" nennen sie ihn hier.

Schule konnte ihm nichts mehr beibringen

Im Mathe-Unterricht verfolgte er das Geschehen demzufolge mit "halbem Ohr" und griff in die Diskussion ein, wenn ihm irgendwas nicht recht gefiel oder wenn die Lösung des Problems zu lange auf sich warten ließ. "Er schüttelte dann Lösungsvorschläge aus dem Ärmel und konnte diese – zumeist lächelnd – an der Tafel sofort sauber und verständlich für alle darstellen", schreibt die Schule in ihrem Porträt. Parallel las Scholze im Unterricht mathematische Fachliteratur oder löste Aufgaben höherer Stufen.

In der 11., 12. und 13. Klasse konnte die Schule nach eigenen Angaben Scholze mathematisch nicht mehr allzu viel bieten. So wurde der Schüler individuell an der Freien Universität Berlin betreut, den Mathematik-Leistungskurs besuchte er "nur noch sporadisch". Als Bassist spielte er in einer Schulband – eher Richtung Heavy Metal, heißt es. Und er gewann bei Internationalen Mathe-Olympiaden mehrere Silber- und Goldmedaillen.

Scholze studierte Mathematik an der Uni Bonn, absolvierte seinen Bachelor in drei Semestern, seinen Master in zweien. 2012 wurde er dort im Alter von nur 24 Jahren Professor. Weil ihm in seinen Master- und Doktorarbeiten aufsehenerregende Durchbrüche gelangen, verzichtete die Hochschule auf eine Habilitation. Ein bisschen Angst spielte wohl auch eine Rolle, Scholze könnte an eine andere namhafte Uni wechseln.

Dabei will er das gar nicht: "Es hat mich nie so sehr gereizt, in die USA zu gehen, weil ich mich kulturell in Deutschland verankert fühle", sagt Scholze, der fünf Jahre Forschungsstudent in Cambridge war. Mathematik sei eine sehr internationale Disziplin, sagt er. "Wir behandeln alle dieselbe Mathematik. Sowas wie die deutsche Mathematik gibt es nicht."

Verwendete Quellen
  • dpa
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