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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tochter fotografierte Paar auf Hausdach Das letzte Foto vor ihrem Tod
In dem Moment, in dem sie das Foto postete, hoffte Jessica Drye Turner noch auf Hilfe. Momente später gab das Dach nach.
Es ist ein Foto, das die Not und Verzweiflung der Opfer von Hurrikan "Helene" vor Augen führt, die Hilflosigkeit der Menschen angesichts der Gewalten einer entfesselten Natur: Man sieht ein Paar, beide in den 70ern. Die beiden kauern auf einem Hausdach, um sie herum steigen die schlammigen Fluten.
Kurze Zeit später kollabiert das Dach: Das Paar wird von den Wassermassen fortgerissen. Mit ihnen ertrinkt ihr sieben Jahre alter Enkel.
Aufgenommen hat das Bild Megan Drye, die Tochter des Paares und die Mutter des siebenjährigen Micah. Bei Facebook postete es Megans Schwester Jessica. Zunächst war es als Hilferuf gedacht. Jessica hoffte, jemand würde rechtzeitig ihre Familienangehörigen erreichen und in Sicherheit bringen können. "Sie sehen, wie Sattelschlepper und Autos an ihnen vorbeitreiben", schrieb Jessica über die Menschen auf dem Dach. "Sie haben den Notruf gewählt, aber sie sind nicht die Einzigen, die gerettet werden müssen. Ich bete für ihre Leben."
Die letzten Worte des siebenjährigen Micah: "Jesus! Bitte hilf mir!"
In einem Update teilte sie später mit: Von vier Personen auf dem Haus hat wohl nur eine überlebt. Ihre Schwester Megan sei zwischen Gegenständen eingeklemmt und eine Stunde nach dem Kollaps des Daches gerettet worden.
In einem weiteren Update heißt es: "Sie haben gerade Micahs Leiche gefunden." Der tote Junge sei einige Hundert Meter hinter der Stelle entdeckt worden, an der Megan gerettet wurde. "Es ist herzzerreißend", schrieb Jessica. "Das Letzte, was Micah schrie, bevor er fortgerissen wurde, war: 'Jesus! Bitte hilf mir!'"
Die Eltern von Jessica und Megan gelten weiterhin als vermisst. Aber die Schwestern haben keine Hoffnung mehr. "Wenn die Leichen gefunden werden, sind sie nur noch Hüllen", schreibt Jessica. "Es macht mich krank, dass Megan mit diesen Bildern leben muss."
US-Regierung füchtet bis zu 600 Tote
Hurrikan "Helene" hat die USA mit apokalyptischer Wucht getroffen. Trotz aller Vorkehrungen – Menschen waren im Vorfeld mit Bussen aus dem Katastrophengebiet in Notlager gebracht worden – wurden mittlerweile mehr als 110 Tote in sechs Bundesstaaten gezählt. Ganze Ortschaften stehen weiterhin unter Wasser, Straßen wurden einfach weggespült. Manche Landstriche sind von der Außenwelt abgeschnitten und nur mit dem Hubschrauber erreichbar. Mehrere Dämme drohen zu brechen.
Und die Regierung fürchtet noch viel mehr Tote: Bis zu 600 Menschen könnten ums Leben gekommen sein, sagte die Heimatschutzberaterin von US-Präsident Joe Biden, Liz Sherwood-Randall. Dies ist die Zahl der aktuell Vermissten, von ihnen gibt es auch vier Tage, nachdem "Helene" am Donnerstagabend auf Land traf, keine Nachrichten.
Dass der Klimawandel einen Anteil an der Zerstörungskraft von Hurrikan "Helene" hatte, ist kaum von der Hand zu weisen: Tropische Wirbelstürme saugen ihre Energie aus warmem Ozeanwasser. Die zunehmende Erderwärmung heizt die Weltmeere aus – und erhöht laut Experten so die Wahrscheinlichkeit starker Hurrikane.
- facebook.com: Beitrag von Jessica Drye Turner (Englisch)
- gofundme.com: Spendensammlung für Megan Drye (Englisch)
- fox10phoenix.com: "Helene aftermath: Social media pleas turn tragic as death toll climbs" (Englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
- Eigene Recherche