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Tunnelraub von Berlin-Steglitz: Wer räumte Schließfächer einer Bank aus?


Beute in Millionenhöhe
Wer waren die Tunnelräuber von Berlin-Steglitz?

Aktualisiert am 01.03.2020Lesedauer: 5 Min.
Berlin-Steglitz: 2013 gingen Diebe dort mittels eines Tunnels auf einen spektakulären Raubzug in einer Volksbank.Vergrößern des Bildes
Berlin-Steglitz: 2013 gingen Diebe dort mittels eines Tunnels auf einen spektakulären Raubzug in einer Volksbank. (Quelle: Olaf Wagner/imago-images-bilder)

Geld, Gold und Schmuck raubten Tunnelgräber 2013 aus den Schließfächern einer Bank in Berlin-Steglitz. Dafür wühlten sie sich 45 Meter durch die Erde. Bis heute wird nach ihnen gesucht.

Berlin, Ortsteil Steglitz. Am frühen Morgen des 14. Januar 2013 rückt die Feuerwehr aus. Ziel ist eine Filiale der Volksbank in der Schloßstraße, im Tresorraum des Geldinstituts hat ein Wachmann Rauch bemerkt. Der Einsatz weitet sich bald aus, auch in einer Tiefgarage in der Nähe brennt es. Es dauert nicht lang, bis die Feuerwehr Polizeibeamte hinzuruft. Denn die Wehrleute haben bei den Löscharbeiten eine Entdeckung gemacht: einen Tunnel.

So beschreibt eine Polizeimeldung die Entdeckung eines der bemerkenswertesten Raubzüge in der Geschichte Berlins. Exakt heißt es: "Bislang unbekannte Einbrecher haben von einer Tiefgarage in Steglitz einen Tunnel bis in den Tresorraum einer Bank gegraben und dort mehrere Schließfächer aufgebrochen."

Arbeit von Monaten

Mehreren Hundert Kunden der Bank dämmert damals, dass wertvolle Erinnerungen an Eltern und Verwandte, dass ihre lang angesparten Vermögen und auch ihre Altersvorsorgen nicht mehr dort sein könnten, wo sie sie in Sicherheit glaubten. Und dass sie wohl Jahre kämpfen müssen, um wenigstens einen anteiligen Schadensersatz zu erhalten.

Die Erstmeldung der Polizei ist sachlich, aber untertrieben. Die Feuerwehrleute sind auf die Spuren eines kriminellen Megacoups gestoßen. Schon der Tunnel war nicht wie ursprünglich vermutet 30, sondern 45 Meter lang, wie sich die Polizei später korrigiert. Die Bankräuber hatten ihn in vier Metern Tiefe über fast ein ganzes Jahr vorangetrieben, ohne dass die Nachbarschaft davon etwas mitbekam. Rund 80 Zentimeter breit. Etwa 1,50 Meter hoch.

Sie mussten in dieser Zeit etwa 120 Tonnen Sand und Erde wegschaffen, die Stollenwände mit Holzbohlen und Winkeln sichern und am Ende die 30 Zentimeter dicke Garagenwand und die 80 Zentimeter starke Stahlbetonarmierung der Volksbank mit Kernbohrern durchbrechen. Das sind bergbautaugliche Großgeräte.

Beraubte mussten um Entschädigung bangen

"Zwischen Freitagabend, den 11. Januar und Montag, den 14. Januar 2013", so grenzt die Sonderkommission des Berliner Landeskriminalamtes den Tatzeitraum ein, ist die Beute eingefahren worden. In diesem Zeitraum plünderten die Räuber 294 von insgesamt 1.600 Schließfächern und verschwanden mit dem Diebesgut. Goldbarren. Bargeldreserven. Schmuckstücke. Zwei besonders wertvolle sind dabei: eine Halskette mit Diamanten und ein Fingerring, mit einem Wert von jeweils über 10.000 Euro. Der Gesamtwert der Beute beruht auf Angaben der Schließfachmieter und kann nur geschätzt werden. Waren es neun Millionen Euro? Oder doch zehn?

Schnell stellt sich heraus: Gerade ein Sechstel der Schließfachverträge ist durch eine zusätzliche Versicherungspolice ergänzt worden. Es ist das eigentliche Debakel. Während die Volksbank die Bauschäden durch ihre Versicherung ersetzt bekommt, drohen viele Mieter erst einmal leer auszugehen, erinnert sich der Berliner Anwalt, Bankrechtsexperte und Mediator Michael Plassmann.

"Die Berliner Volksbank hat anfangs die Position vertreten, sie habe überhaupt nichts mit dem Schaden zu tun", sagt Plassmann t-online.de. "Viele ältere Geschädigte waren dabei." Auf deren Schultern habe auch noch die Beweislast gelegen. Er habe "rund ein Dutzend Mandanten vertreten" und am Ende Vergleiche abgeschlossen, "die außergerichtlich dazu geführt haben, dass die Geschädigten wenigstens einen Teil des Geldes wiederbekommen haben".

Allerdings: Die Interessengemeinschaft Tunnelraub hatte mit einer Demonstration vor der Volksbank drohen müssen und Druck hatte auch Plassmann gemacht. Die Kernfrage, die sich der Anwalt bald stellte: Hätten die Banditen in den Tresorraum gelangen können, wenn das Institut alle Sicherheitsvorgaben erfüllt hätte?

Nicht der erste Tunnelraub in Berlin

Rund 18 Jahre vor dem Coup der Steglitzer Schließfachräuber lieferte eine fast ein Dutzend Mitglieder umfassende Bande in Zehlendorf die eigentliche Blaupause. 20 Meter lang war der Tunnel, wie der "Spiegel" berichtete, den die Diebe 1995 dort bis in die Commerzbank-Filiale in der Breisgauer Straße bohrten. Bei der Tat kam es zu einer Geiselnahme, die alle Opfer überlebten.

"Eine Herausforderung" nannte der Chefermittler der SoKo Tunnel, Torsten Schulz, im ZDF das, was nach dem Tattag im Januar 2013 auf seine Leute zukam. Sie schickten zunächst einen Roboter der Wasserwerke in den durch die gelegten Feuer absichtlich zugeräucherten Stollen und fanden mit der Zeit heraus, wie kaltblütig und plangenau die Bande vorgegangen war.

Perfekte Vorbereitung

Herbst 2011. Ein Mann mietet in der Volksbank in Steglitz ein Schließfach. Er legt einen gefälschten niederländischen Pass unter dem Namen Pavel Hatira vor. Einen Pavel Hatira gibt es in Wirklichkeit nicht. Was die Volksbanker nicht erkennen. Sie ahnen auch nicht: Der Mieter will nichts Wertvolles deponieren. Er will sich nur umschauen.

Mit Falschdaten erfolgt auch die Anmietung des Tiefgaragenplatzes in der Wrangelstraße. Er ist gut geeignet für das Vorhaben: Ein Rolltor schottet die für vier Fahrzeuge vorgesehene Parkfläche ab – ausreichend Platz, um unbemerkt über Monate den Bohrer ansetzen zu können. Als Lärmschutz verlassen sich die Täter wohl auf dämmende Decken. Tests beim Bochumer Bergbau-Museum im Auftrag des ZDF ergeben später: So kann der Krach schnell auf 50 Dezibel heruntergesetzt werden. Eine geringere Lautstärke als der Straßenverkehr ringsum.

Februar 2012. Die Bande beginnt mit dem Bohren. Das ist keine einfache Sache. Erstens: Der märkische Sand ist locker. Die schützenden Holzbohlen für den Stollen müssen schnell montiert werden, um keine Erdeinbrüche zu riskieren. Zweitens: Über eine Länge von 45 Metern muss der Tresorraum gezielt getroffen werden. Mehrmals korrigieren die Täter den Kurs. Dann sind sie am Ziel.

Januar 2013. Es ist der Samstag des Wochenendes, an dem der Coup laufen soll. Früh um 6 Uhr geht bei der von der Bank beauftragten Sicherheitsfirma ein Alarm aus dem Tresorraum der Filiale Steglitz ein. Ein Wachmann macht sich auf den Weg. Doch statt im Tresorraum im Keller nachzuschauen, tippt er auf einen Fehlalarm durch eine Maus oder Spinne, "obwohl das Display der Alarmanlage ausdrücklich 'Alarm Tresor' anzeigt", wundert sich noch heute Opfer-Anwalt Plassmann über "die Naivität oder Absicht des vermeintlichen Sicherheitsmannes".

Für die Polizei hat der Mann "nicht ansatzweise richtig reagiert", zitiert der "Focus" aus einem Bericht des Landeskriminalamtes. Auch der Rechtsanwalt Michael Plassmann sieht das so. "Nach der Recherche der gesamten Ermittlungsakten gab es keine Zweifel", äußert er sich gegenüber t-online.de. Es habe "eklatante Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften gegeben".

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Hatten die Täter Insiderkenntnisse?

Punkt für Punkt listet er sie auf: Das nicht nachvollziehbare Verhalten des Wachmannes ist nur einer davon. Im Stahlbeton rund um den Tresorraum habe der Durchbruchschutz gefehlt – Installationen, die bei Erschütterung durch einen Bohrer den Alarm auslösen, "gab es nicht". Oder die eingeschränkte Ausrichtung der Überwachungskameras. "Sie haben exakt den Bereich der aufgebrochenen Schließfächer nicht erfasst." Ein Bericht des Berliner Landeskriminalamtes bestätigt die Defizite, wie der "Focus" berichtete.

Der fehlende Durchbruchschutz, die toten Winkel der Kameraüberwachung – davon könnten nur Eingeweihte Kenntnis gehabt haben, ist der Jurist überzeugt: "Eine solche Tat plant man nur, wenn man sichergehen kann, dass die Tat nicht auffliegt. Die Täter müssen Insiderkenntnisse gehabt haben." Mehr: "Hatten sie Helfer?" Ohne eine zufällige Entwicklung werden wohl auch die Ermittlungsbehörden das alles nicht mehr erfahren. 800 Hinweisen wurde nachgegangen, eine Prämie von 50.000 Euro für Hinweise ausgesetzt. Vergeblich.

Spuren nach Polen und in die Niederlande sind im Sand verlaufen. Das zur Spurenvernichtung absichtlich gelegte Feuer hat ganze Arbeit geleistet. Die einzige gefundene DNA brachte keinen Treffer. Nach Zeugenaussagen gefertigte Phantombilder wurden veröffentlicht, auch die Fotos aus den gefälschten Dokumenten. Alles Fehlschläge.

Ende Februar 2020. Gibt es noch Chancen, dass alle Geschädigten Schadenersatz erhalten? Der "Süddeutschen Zeitung" gegenüber hat die Volksbank Berlin erklärt, die meisten Schadenersatzansprüche der unversicherten Einlagen seien inzwischen geklärt. Haben die Fahnder noch irgendwo belastbare Spuren gefunden? "Es gibt keine neuen Ermittlungsansätze", sagt Oberstaatsanwalt Martin Steltner auf Anfrage von t-online.de.

Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft nennt noch die vorgeschriebene Verjährung für Straftaten des Paragrafen 244, des schweren bandenmäßigen Diebstahls: zehn Jahre. Was bedeutet: Die Ermittler stehen unter Druck. Wird in den drei noch verbleibenden Jahren kein Tatverdächtiger ermittelt, wird die Akte "Tunnelraub" Anfang 2023 zugeklappt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräch mit Rechtsanwalt Michael Plassmann
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