Clan-Kriminalität in Deutschland Der Kampf gegen Clans steckt noch in den Kinderschuhen
Seit den 1980er-Jahren kamen vermehrt arabischstämmige Großfamilien in deutsche Großstädte. Obwohl die Kriminalität in ihrem Umfeld teilweise zunahm, passierte lange nicht viel – nun geht die Polizei härter vor.
Es waren zwölf Monate des verstärkten Kampfes gegen die arabischstämmigen Clans in Deutschland. Seit dem Sommer 2018 beschlagnahmte der Staat zahlreiche Häuser, es gab Dutzende Razzien, Politiker präsentierten Aktionspläne. Bundesinnenminister Horst Seehofer trat vor die Kameras und brachte das Bundeskriminalamt gegen die Clans ins Spiel. Nächste Woche wollen die Innenminister der Bundesländer ihr Vorgehen besser absprechen.
Experten der Polizeigewerkschaften warnen vor zu schnellen Erwartungen und fordern Geduld, Ausdauer und Experten für die Kriminalpolizei, um die Macht der Clans zu brechen. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, betont: "Wir müssen mit erheblichem kriminalistischem Aufwand in abgeschottete kriminelle Strukturen vordringen." Das werde nicht schnell gehen und sei auch in fünf Jahren nicht erledigt. "Wenn wir in zehn Jahren Erfolge sehen, haben wir einiges richtig gemacht."
Auch die Gewerkschaft der Polizei fordert Zeit. "Das ist sehr langwierig, weil die Clans abgeschottet sind, konspirativ und auf Arabisch kommunizieren, verschlüsselte Chatdienste nutzen, und Zeugen bedroht werden", sagt der Bundesvorsitzende Oliver Malchow. "Wir haben gefestigte Strukturen. Auch Razzien, Beschlagnahmungen und Verurteilungen führen nicht sofort dazu, dass deren Geschäftsmodell endet."
Diebstähle, Überfälle und Drogenhandel
Bei der Innenministerkonferenz ab Mittwoch in Kiel stehen beim Thema Clans besonders Berlin, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen im Blickfeld. Dort hatten sich seit den 1980er-Jahren viele Flüchtlinge aus der arabischen Volksgruppe der Mhallami niedergelassen. Sie kamen aus der Türkei über den Libanon nach Deutschland, waren meist staatenlos und durften nicht arbeiten.
Mitglieder der abgeschotteten Großfamilien rutschten in die Kriminalität ab. Heute spricht die Polizei von Dutzenden Großfamilien besonders in west- und norddeutschen Großstädten sowie in Berlin. Diebstähle, Überfälle, Drogenhandel und Schutzgelderpressung werden ihnen zugerechnet. NRW geht von 14.000 Straftaten allein in den letzten drei Jahren aus. In Berlin gab es Prozesse gegen Mitglieder verschiedener Clans wegen Überfällen auf ein Pokerturnier, auf Geldtransporter und das Luxuskaufhaus KaDeWe sowie wegen des Raubes einer Goldmünze.
Politik, Polizei und Staatsanwaltschaften hätten lange zugesehen, wie die Clans sich ausbreiteten, beklagt Fiedler vom Kriminalbeamten-Bund. "Schon vor 15 Jahren gab es einen dicken Bericht der vier Bundesländer und des BKA. Aber damals war es nicht opportun, sich kriminellen Organisationen, die einen Migrationshintergrund haben, öffentlich entgegenzustellen."
Mit diesem Rückstand kämpfe die Kripo weiterhin. "Wir stehen in vielen Bereichen total am Anfang", sagte Fiedler. "Wir kennen die konkreten geschäftlichen Strukturen nicht im letzten Detail, wir wissen die Vertriebswege nicht, wir müssen die internationalen Bezüge und Geldströme viel mehr aufklären."
Entscheidend sei jetzt eine neue Organisation des Vorgehens der Länderpolizeien und des BKA. Das sei die Aufgabe der Innenministerkonferenz, sagte Fiedler. "Wie wollen sich die Bundesländer koordinieren? Damit nicht mittwochs in Bremen eine Razzia stattfindet und donnerstags in NRW. Die Dinge sind derzeit nahezu gar nicht miteinander abgestimmt."
Nach Informationen der Gewerkschaften soll das Bundeskriminalamt sich bei dem Thema Clans stärker beteiligen und eine Art Geschäftsführung übernehmen. Auch beim Aufspüren illegalen Vermögens von Clanmitgliedern im Ausland und beim Einziehen könnte das BKA führend sein. Nicht zuletzt Berlins SPD-Innensenator Andreas Geisel und Nordhrein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul hatten mehrfach angegeben, dass hohe Summen von illegalem Vermögen von den Clans in Immobilien angelegt würden. Über verschiedene Kanäle soll Geld auch ins Ausland, etwa in die Türkei und den Libanon, transferiert werden.
Warnung vor Entwicklung wie im Rockermilieu
Laut GdP-Chef Malchow liegt die Hoffnung der Ermittler auch auf den vor zwei Jahren verbesserten Möglichkeiten, Vermögen zu beschlagnahmen. "Wenn Autos und Wohnungen eingezogen werden, das schmerzt und ist wirkungsvoller, als wenn einer ein halbes Jahr ins Gefängnis geht." Aber auch hier sei klar: Man brauche mehr gut ausgebildete Finanzermittler.
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Wenn die Politik aber keinen langen Atem hat und nicht viel Geld und Polizisten bereitstellt, drohe ein Problem ähnlich wie bei der Rockerkriminalität. "Da ist viel passiert", meint Fiedler. "Aber die gesamten Aktivitäten haben bis heute nicht dazu geführt, dass wir weniger kriminelle Rocker haben. Im Gegenteil, es entstehen immer neue Gruppen."
- Nachrichtenagentur dpa