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Ballweg-Prozess: Bodo Schiffmann und Sucharit Bhakdi warten noch auf ihre Verhandlungen


Prozesse gegen "Querdenker"
Nach Ballweg kommen noch Schiffmann und Bhakdi dran


Aktualisiert am 02.10.2024 - 13:16 UhrLesedauer: 6 Min.
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Angeklagte: Michael Ballweg (Mitte) wird gerade der Prozess gemacht, Sucharit Bhakdi (rechts) und Bodo Schiffmann warten noch.Vergrößern des Bildes
Angeklagte: Michael Ballweg (Mitte) wird gerade der Prozess gemacht, Sucharit Bhakdi (rechts) und Bodo Schiffmann warten noch. (Quelle: Montage: t-online/imago-images-bilder)

Michael Ballweg auf der Anklagebank: Ein Aushängeschild der "Querdenker"-Szene steht jetzt vor Gericht, bei zwei anderen lassen die Prozesse ungewöhnlich lange auf sich warten.

Rund 70 Verhandlungstage sind geplant: "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg wird jetzt am Landgericht Stuttgart der Prozess gemacht (lesen Sie hier mehr dazu), es geht vor allem um versuchten Betrug an Menschen, für die er zu Corona-Zeiten ein Hoffnungsträger war. Dutzende Anhänger jubelten ihm vor dem Gerichtsgebäude zu. Mit Bodo Schiffmann und Sucharit Bhakdi warten zwei andere vermeintliche Heilsbringer noch immer auf ihre Prozesse. So steht es derzeit um ihre Verfahren.

Der Fall Ballweg: Michael Ballweg (49) aus Stuttgart rief eine Bewegung ins Leben, für deren radikalste Vertreter die Sicherheitsbehörden eine neue Kategorie einführten: "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates". Der mit der "Reichsbürger"-Szene vernetzte Ballweg organisierte im Frühjahr 2020 die ersten Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen sowie die großen Demos in Berlin und wurde zum Vorkämpfer derer, die in Corona finstere Unterdrückungspläne der Politik vermuteten. Dafür überwiesen sie dem selbsternannten Verteidiger der Grundrechte auch eifrig Geld – auf seine Aufrufe folgten "Schenkungen" von 9.450 Menschen.

So viele einheitlich begangene Taten von versuchtem Betrug in besonders schwerem Fall wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Deshalb wurde bei ihm im Juni 2022 durchsucht, deshalb saß er neun Monate in U-Haft. Deshalb wird ihm seit diesem Mittwoch vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart der Prozess gemacht.

Keine Steuererklärung wegen Haft?

Ballweg hatte für die Demonstrationen zunächst sein eigenes Vermögen ausgegeben und dann um Unterstützung gebeten. Eine Million Euro sind laut Staatsanwaltschaft so zusammengekommen, 500.000 Euro soll Ballweg in sein Privatvermögen umgeleitet haben. Im Mittelpunkt wird die Frage stehen, inwieweit er deutlich gemacht hat, dass die Gelder auch für private Zwecke ausgegeben werden. Es soll sich um versuchten Betrug handeln, weil den Geldgebern Pläne für eine Gemeinnützigkeit von "Querdenken-711" oder die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung vorgegaukelt worden seien.

Das Gericht hatte zunächst gar "keinen für die Eröffnung des Verfahrens hinreichenden Tatverdacht eines Betruges" gesehen und nur den zusätzlichen Anklagepunkt der Steuerhinterziehung zulassen wollen. Nach einer erfolgreichen Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird beides aber verhandelt. Die Verteidigung hält die Vorwürfe für vollkommen abwegig. So habe Ballweg im Gefängnis gar nicht die Möglichkeit gehabt, seine Steuererklärung zu machen.

In einem Video zum Prozess sagt er, er verspüre eine gewisse Vorfreude, da das Verfahren über zwei Jahre lang wie ein Damoklesschwert über ihm geschwebt habe und sein Vermögen weiterhin beschlagnahmt sei. "Es ist ein Horizont in Sicht."

Der Fall Schiffmann: Bodo Schiffmann (56) aus Sinsheim war als Spezialist für Schwindelerkrankungen ein gefragter Experte. Während der Pandemie argumentierte er zunächst weitgehend sachlich gegen die Corona-Maßnahmen und forderte zunächst auch Masken zum Schutz. Sehr bald produzierte er aber auch Videos mit der falschen Behauptung, Kinder seien durch das Tragen von Masken gestorben, oder animierte dazu, in vorgetäuschten Telefonaten Impflügen zu verbreiten. Wegen des Verdachts, falsche Maskenbefreiungsatteste ausgestellt zu haben, durchsuchten Ermittler zweimal privat und in der Praxis. Die Praxisräume wurden ihm vom Krankenhaus als Vermieter gekündigt, er ging mit Familie nach Tansania.

Wenn ihm in Deutschland der Prozess gemacht werde, wolle er aber kommen, kündigte er an. Die Anklage gegen ihn stammt bereits von Anfang 2022. Obwohl das zu erwartende Strafmaß für einen Prozess am Amtsgericht gesprochen hätte, soll sie wegen des besonderen öffentlichen Interesses am Landgericht Heidelberg verhandelt werden.

Von der zuständigen 1. Großen Strafkammer gibt es aber auch gut zweieinhalb Jahre später nichts Neues – eine Sprecherin: "Wegen zahlreicher vorrangig zu bearbeitender Haftsachen konnte in dem von Verfahren bislang noch nicht terminiert werden." Bei der Kammer landen viele Fälle von Menschen, die wegen gravierenderer Vorwürfe in U-Haft sitzen. Die müssen beschleunigt behandelt werden.

Rechtsfragen zu Masken: Erst mal BGH urteilen lassen?

Im Prozess wird es vor allem um die Maskenatteste gehen. Und das Warten könnte für alle Beteiligten ein Vorteil sein, sagt Ivan Künnemann, Anwalt von Bodo Schiffmann. "Bald könnten viele Rechtsfragen vom Bundesgerichtshof (BGH) geklärt sein", so der Jurist. Er vertritt in einem langwierigen Prozess den Arzt Walter Weber, Mitgründer der "Ärzte für Aufklärung". Auch der soll Patienten vom Maskentragen befreit haben, ohne sie gesehen zu haben.

Es ist der erste Fall, in dem der Vorwurf falscher Maskenatteste direkt am Landgericht verhandelt wird. Das heißt, dass nach dem Urteil (voraussichtlich im November) keine Berufung möglich ist, sondern der Fall bald danach am BGH landen könnte. Das könne Klarheit bringen, wann unter welchen Umständen eine Fernbehandlung ausreichend sei. "Es ist natürlich Spekulation, ob Gerichte den Ausgang abwarten, aber Herr Schiffmann ist nicht der einzige Fall."

Ein später Prozesstermin habe noch einen anderen Vorteil: "Die große Emotionalität ist vielleicht raus, es kann mehr um die Sache gehen." Fraglich ist nur, ob dann sein Mandant mitspielt: Über Telegram macht er weiter Stimmung wegen des "Staatsstreichs von oben" im Jahr 2020, wenn er nicht gerade schwadroniert über die "absurde Geschichte, dass Hitler Selbstmord begangen hat". Nach seinem gleichnamigen Kanal, über den er Nahrungsergänzungsmittel verkauft, hat er am Jahresanfang in England eine Firma namens Allesaussermainstream Ltd. gegründet.

Problematische Videos

Im Prozess wird es auch um Videos gehen, in denen Schiffmann aus Sicht der Staatsanwaltschaft den Holocaust verharmlost und zu unfriedlichen Aktionen gegen die Regierung und die Justiz der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen hat. Wegen der Maskenatteste ist auch seine Frau angeklagt.

Der Fall Bhakdi: Sucharit Bhakdi (77) war einst hochgeachteter Professor der Universität Mainz, der zu Bakterien und zu Atherosklerose forschte – in der Corona-Zeit schoss er sich mit verschwörungsideologischen Erzählungen zu Viren und Plänen "des Bösen" ins Abseits. Dass er selbst keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen dazu vorweisen konnte, tat seiner Popularität keinen Abbruch. Der österreichische FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl nannte ihn in diesem Jahr "Engel für Milliarden Menschen", Bhakdi selbst rief zur Wahl der FPÖ auf: So könne "das österreichische Volk […] die Welt aus der Hölle" retten, in die ein Österreicher (Adolf Hitler) sie vor 90 Jahren geführt habe".

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Für Bhakdi geht es darum, ob er doch noch wegen Volksverhetzung verurteilt wird. Der Vorwurf war umstritten, die Generalstaatsanwaltschaft hatte übernommen, als die Staatsanwaltschaft Kiel das Verfahren um zwei Äußerungen schon einstellen wollte.

Freispruch empörte Zentralrat der Juden

Bei einer Rede im September 2021 hatte Bhakdi als Kandidat der Anti-Corona-Maßnahmen-Partei "Die Basis" die Zulassung von Covid-Impfstoffen in Verbindung mit einem "Endziel" gebracht und von einem "zweiten Holocaust" gesprochen: aus Sicht der Anklage eine Verharmlosung des Holocaust. Im Falle der zweiten Äußerung hatte Bhakdi angesichts der Impfungen in Israel gesagt, das "Schlimme an den Juden" sei, dass es kein Volk gebe, das besser lerne als sie. Sie hätten ihr eigenes Land in etwas Schlimmeres verwandelt, als Deutschland einst gewesen sei.

Bhakdi wurde am 23. Mai 2023 am Amtsgericht Plön freigesprochen. Das Gericht legitimiere so Antisemitismus, kritisierte der Zentralrat der Juden. Die Generalstaatsanwaltschaft ging in Berufung, im Juli 2023 wurde bekannt, dass es einen neuen Prozess geben wird. Bhakdi selbst äußerte sich im Mai 2024 dazu: Er habe Nachricht erhalten, "dass in den nächsten Monaten" verhandelt werde. Er warnte da: "Ich habe sehr, sehr viele jüdische, israelische Freunde, die Gewehr bei Fuß stehen". Die würden teilweise nach Kiel kommen, "um der deutschen Justiz klarzumachen, dass es keine gute Idee ist, diese Sache weiterzuverfolgen".

Ein Fall für den neuen Richter

Ansonsten: Stille um das Verfahren. Bhakdi werde behandelt wie jeder andere auch, sagte eine Sprecherin des Landgerichts t-online, und es gebe vorrangige Fälle: Bei Bhakdi drängt es nicht, mit einem Freispruch in der ersten Instanz ist er nicht sonderlich belastet.

Klar ist, dass dort irgendwann an der 11. Kleinen Strafkammer verhandelt wird. Der Vorsitzende Richter geht bald in den Ruhestand: Im November übernimmt der Nachfolger, der den Fall Bhakdi verhandeln wird. Vorher wird es also nicht einmal um einen Termin gehen. Den zu finden, könnte dann aber auch eine Schwierigkeit sein, wenn Bhakdi wieder von den drei Anwälten aus seinem Prozess am Amtsgericht vertreten werden will. Alle müssen Zeit haben.

Und sein Verteidiger Martin Schwab, Professor in Bielefeld und erfolgloser Spitzenkandidat der "Basis" bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2022, ist im Terror-Prozess gegen Heinrich XIII. Prinz Reuß in Frankfurt eingespannt, wo er in der Regel an zwei Tagen pro Woche eine andere ehemalige "Basis"-Politikerin vertritt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfragen an Landgericht Kiel, Landgericht Heidelberg und Anwalt Ivan Künnemann,
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