Justiz Breivik bekommt Liebesbriefe von 16-Jährigen
Er ist ein Rassist, tötete 77 Menschen, erscheint selbst einigen Experten als geistig gestört: Dennoch erhält Massenmörder Anders Behring Breivik Liebesbriefe und Danksagungen per Post, wie die "Bild"-Zeitung berichtet. Am 39. Prozesstag vor dem Osloer Strafgericht erzählten Gutachter von Briefen, die der Angeklagte in den vergangenen Monaten erhielt.
"Er berichtete, dass er jede Menge Post erhielt", schilderte Rechtspsychiater Terje Törissen. "Auch Hassbriefe, aber in der letzten Zeit würde mehr positive Post kommen."
Zum Beweis habe Breivik Hunderte Briefe vorgelegt. Irritierend: "Zusammengefasst kann man sagen, dass er Liebesbriefe von 16-jährigen Mädchen bekommt, und von Familien in Schweden, die ihn unterstützen. Einige teilen seine politischen Ansichten, andere wollen ihn bekehren." Heiratsanträge und religiöse Briefe seien ebenfalls darunter.
Auch Briefe aus Deutschland
Die Schreiben kämen vor allem aus Schweden, Dänemark, Norwegen, Frankreich und Deutschland. Der 33-jährige Angeklagte habe über einige Briefe lachen können, so Törissen. "Und er versucht, auf alle Schreiben zu antworten."
Zu Beginn der letzten Verhandlungswoche ging es erneut um die Zurechnungsfähigkeit von Breivik. Psychiater Törissen und sein Kollege Agnar Aspass sagten als Sachverständige, dass sie den Täter für "stark narzistisch gestört", aber nicht für psychotisch halten.
Mit genau dieser Diagnose sowie der Einstufung als paranoid schizophren hatten die Rechtspsychiater Torgeir Husby und Synne Sörheim am Ende der Vorwoche begründet, warum sie Breivik als nicht schuldfähig einstufen.
"Breivik weiterhin große Gefahr"
Allerdings betonte Törissen, dass Breivik auch weiterhin eine große Gefahr darstellt und wieder als Massenmörder zuschlagen könnte. "Er müsste seine ganze Mentalität ändern, aber das lehnt er ja vollkommen ab. Darauf zu hoffen, wäre ziemlich unrealistisch." Seine ganze Ideologie sei auf Gewalt aufgebaut, und Personen wie Breivik öffneten sich selten für eine Therapie.
Törissen sagte, er habe zwischenzeitlich gezweifelt, ob Breivik vielleicht doch psychotisch sein könne. Er sagte: "Wie ist es möglich, dass er hier bei einer derart ernsten Sache sitzen kann, ohne die geringste Gefühlsregung zu zeigen?"
Massenmörder will schuldfähig sein
Die Entscheidung des Gerichtes über die Zurechnungsfähigkeit des geständigen, aber nicht reuigen Massenmörders gilt als zentrale offene Frage für die Urteilsverkündung Ende Juli oder Ende August. Breivik selbst will als zurechnungsfähig verurteilt werden und nur bei der Einstufung als nicht schuldfähig Berufung einlegen. Bis Freitag stehen die Schlussplädoyers auf dem Programm des Verfahrens, das streckenweise direkt vom norwegischen Fernsehen und in Web-Medien übertragen wird.
Die beiden Rechtspsychiater-Teams hatten den Attentäter in der Haftanstalt Ila ausführlich befragt und ihn während des seit dem 16. April laufenden Gerichtsverfahrens permanent beobachtet.
Breivik hatte am 22. Juli 2011 erst eine Bombe in Oslo platziert, durch die acht Menschen starben. Danach tötete er auf der Insel Utoya 69 Teilnehmer eines sozialdemokratischen Sommerlagers. Er begründet das Verbrechen als "notwendig", um eine islamische Machtübernahme in Norwegen zu verhindern.