Weltraumtourismus Bezos will mit dem bisher jüngsten Menschen ins All
Einige Minuten Schwerelosigkeit: Am Dienstag will Milliardär Jeff Bezos ins All fliegen. Mit an Bord sind zwei Gäste, die dann Rekorde brechen werden. Kritiker verurteilen den neuen Weltraumtourismus.
Den Wettlauf mit seinem Milliardärs-Rivalen Richard Branson hat Jeff Bezos bereits verloren. Der Amazon-Gründer wird am Dienstag genau neun Tage nach dem britischen Unternehmer an Bord einer eigenen Rakete ins All fliegen. Aber gewissermaßen wird er Branson doch noch übertrumpfen.
Denn nicht nur soll die Passagierkapsel von Bezos' Raumfahrtunternehmen Blue Origin rund 15 Kilometer höher steigen als Bransons Raumflieger und damit die in 100 Kilometern Höhe gelegene Kármán-Linie erreichen, die laut internationaler Definition die Grenze zum Weltraum markiert. Bezos nimmt außerdem sowohl den jüngsten als auch den ältesten Menschen mit, die jemals in den Weltraum geflogen sind: den 18-jährigen Niederländer Oliver Daemen und als Ehrengast die 82-jährige US-Pilotin Wally Funk.
Und so wird Bezos gewaltige Aufmerksamkeit sicher sein, wenn er gemeinsam mit Daemen, Funk und seinem Bruder Mark für den ersten bemannten Flug des Raketensystems "New Shepard" in die futuristische Passagierkapsel steigt. Vom Start in der texanischen Wüste an wird der gesamte Ausflug ins All nur elf Minuten dauern, mehrere Minuten lang können die Weltraumtouristen Schwerelosigkeit und einen Blick auf die Erdkrümmung genießen.
Der Gewinner fliegt wegen "Terminkonflikten" nicht mit
Der 18-jährige Oliver Daemen kann an dem Flug teilnehmen, da der ursprüngliche Gewinner der Ticket-Versteigerung überraschenderweise doch nicht mitfliegen wird. Wegen "Terminkonflikten" werde der anonyme Bieter, der in der Auktion 28 Millionen Dollar für das Ticket bezahlt hatte, nun erst an einem späteren Flug teilnehmen, erklärte Bezos' Raumfahrtunternehmen. Deswegen rückt Daemen als erster zahlender Kunde nach, der Sohn eines niederländischen Finanzinvestors. Wieviel er für den Flug hinlegen musste, verriet das Weltraumunternehmen nicht.
Die Fluglehrerin Wally Funk wäre der älteste Mensch, der je ins All geflogen ist. Die 82-Jährige soll Bezos als Ehrengast begleiten. Ihren Traum, zu den Sternen zu fliegen, hat sie nie aufgegeben. Die Pilotin bewarb sich vier Mal bei der Nasa um einen Einsatz als Astronautin. Jedes Mal wurde sie abgelehnt. Ein angeblicher Grund: Sie hatte keinen Abschluss als Ingenieurin und das Flugprogramm auf einem militärischen Kampfjet nicht absolviert – zu dieser Zeit für eine Frau nicht zu erfüllende Anforderungen. Doch an Ehrgeiz mangelte es ihr nie: Sie wurde als erste Frau Inspekteurin der US-Luftaufsichtsbehörde FAA und erste weibliche Ermittlerin der Unfallermittlungsbehörde NTSB. Bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1984 untersuchte sie mehr als 450 Unfälle und brachte 3.000 Menschen das Fliegen bei.
Auch für Bezos geht ein Traum in Erfüllung: "Seit meinem fünften Lebensjahr träume ich davon, ins All zu reisen", sagt der 57-Jährige. Schon vor rund 20 Jahren gründete der nach Angaben des Magazins "Forbes" reichste Mensch der Welt deswegen die Raumfahrtfirma Blue Origin. Im Westen des US-Bundesstaates Texas hat Blue Origin in den vergangenen Jahren das Raumschiff "New Shepard" entwickelt und getestet. Bemannt ist die "New Shepard" bislang noch nie geflogen – nun soll das symbolträchtig nach dem ersten US-Amerikaner im All, Alan Shepard, benannte Raumschiff auf den Tag genau 52 Jahre nach der ersten Mondlandung erstmals mit Menschen an Bord starten.
Nach dem Start soll das Raumschiff "New Shepard" innerhalb von zwei Minuten auf mehr als 3.700 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Nach drei Minuten soll die Schwerelosigkeit einsetzen, bevor die dann abgetrennte Kapsel ihren höchsten Punkt in mehr als 100 Kilometern Höhe über der Erde erreicht. Danach soll sie wieder in die Erdatmosphäre eintreten und durch große Fallschirme abgebremst in der texanischen Wüste landen. Insgesamt soll der Trip rund zehn Minuten dauern.
Kritiker: Weltraumtourismus ohne Rücksicht auf das Klima
Branson war nicht der erste Tourist im All: Mehrere andere Unternehmen und Raumfahrtbehörden haben bereits Reisende in den Weltraum gebracht. 2001 hatte der US-Unternehmer Dennis Tito eine Woche auf der Internationalen Raumstation verbracht und dafür rund 20 Millionen Dollar bezahlt, er gilt als erster Weltraumtourist. Es folgten rund ein halbes Dutzend weitere private ISS-Besucher.
Aber trotz großer Hoffnungen und Erwartungen kam bislang nicht so richtig Schwung in die All-Ausflüge. Entwicklung und Durchführung einer Raumfahrt-Mission sind mit großen Sicherheitsrisiken verbunden und extrem teuer – so dass sie bislang nur ausgebildeten Professionellen und top fitten Superreichen vorbehalten schienen. Das wollen unter anderem Branson, Bezos und auch ein weiterer Milliardär, SpaceX-Gründer Elon Musk, nun ändern. Die deutlich günstigeren Kurzausflüge von Blue Origin und Virgin Galactic könnten dabei sogar eine Art Massentourismus möglich machen.
Aber das schlagzeilenträchtige Milliardärs-Wettrennen rund um die Erfüllung eigener All-Träume und die lukrative Spitzenposition im Geschäft mit dem Weltraumtourismus bekommt starken Gegenwind von Kritikern, die egoistische Geldverschwendung ohne Rücksicht auf das Klima und weitgehend ohne wissenschaftliche Forschungsinteressen anmahnen.
Nach Berechnungen des französischen Astrophysikers Roland Lehoucq und seiner Kollegen betragen beispielsweise die Emissionen bei einem Flug mit dem Raumflieger von Bransons Unternehmen Virgin Galactic pro Passagier 4,5 Tonnen. Das ist ungefähr so viel, wie bei einer Autofahrt rund um die Welt. Und Virgin Galactic schweben hunderte Flüge im Jahr vor – mit durchschnittlich sechs Passagieren an Bord.
Neben Branson und Bezos spielt mit Tesla-Gründer Elon Musk noch ein weiterer Milliardär mit in der Branche. Sein Raumfahrtunternehmen SpaceX absolviert schon Flüge für die Nasa und will künftig Weltraumtouristen viel weiter ins All bringen als Virgin Galactic und Blue Origin. Im September soll eine Falcon-9-Rakete von SpaceX den US-Milliardär Jared Isaacman und drei weitere Passagiere für mehrere Tage auf eine Erdumlaufbahn bringen.
Dass der Markt großes Potenzial hat, daran gibt es keine Zweifel. Virgin Galactic hat schon 600 Tickets für künftige Flüge verkauft, Stückpreis: zwischen 200.000 und 250.000 Dollar.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa