Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Fotos vom toten Papst Das ist bewusst inszeniert

Hunderttausende haben den aufgebahrten Papst im Vatikan besucht – und als Erstes ein Foto des Leichnams gemacht. Manche posierten gar für Selfies. Ist das in Ordnung?
Drei Tage lang lag der Leichnam von Papst Franziskus aufgebahrt im Petersdom – und die Gläubigen kamen in Scharen, um Abschied vom Oberhaupt der katholischen Kirche zu nehmen. Am Ende waren es etwa 250.000 Menschen, die mehrere Stunden in einer kilometerlangen Schlang warteten, um einen Blick auf den Pontifex zu erhaschen.
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Doch als sie am Ziel waren, verweilten viele nicht einfach andächtig in Stille, sondern zückten sofort das Smartphone. Ein kurzer Klick – und das Foto des Leichnams wanderte ins Netz. In Rom lösten die Privatfotos vom Leichnam des Papstes Aufregung aus. Viele störten sich an diesem Verhalten der Pilger. Auch in der t-online-Redaktion wurde die Frage kontrovers diskutiert.
Ist es in Ordnung, den toten Papst zu fotografieren und im Netz zu teilen?

Für die Generationen danach
Es sind die letzten Augenblicke mit einem Mann, den Millionen auf der ganzen Welt verehren. Papst Franziskus war ein Brückenbauer, ein Hoffnungsträger, das moralische Gewissen einer Welt im Dauerkrisenmodus. Wer sich jetzt von ihm verabschiedet, tut das auf ganz persönliche Weise – und für viele gehört ein Foto einfach dazu. Warum auch nicht?
In einer Zeit, in der jeder kleine Urlaubsmoment per Selfie festgehalten und weltweit geteilt wird, soll ausgerechnet beim Abschied von einem Menschen, der so viel bewegt hat, das Smartphone in der Tasche bleiben? Das abzulehnen, wäre scheinheilig.
Die Aufbahrung im Petersdom ist ein öffentlicher Akt – bewusst inszeniert, um Nähe zu schaffen. Um Franziskus für alle erfahrbar zu machen. Und diese Nähe bedeutet für viele auch: Ich mache ein Bild. Für mich. Für meine Erinnerung. Für die Generation nach mir.
Die Kirche lebt von Symbolen – warum also sollte das Foto mit dem Handy nicht auch ein solches Symbol sein? Ein Ausdruck persönlicher Trauer, kein Zeichen von Respektlosigkeit. Wer mit Tränen in den Augen zum Handy greift, will den Moment nicht nur festhalten – er will ihn bewahren. Franziskus, ganz nah. Für viele Menschen ist das wahrscheinlich der bewegendste Moment ihres Lebens.

Bitte einmal in echt
Der Leichnam von Papst Franziskus wurde im Petersdom aufgebahrt. Eine Schlange von Tausenden Menschen, die Abschied nehmen wollen, bildet sich. Viele warten stundenlang, voller Geduld und Ehrfurcht, um einen wichtigen Moment in ihrem Leben zu erleben. Manche zücken ihr Smartphone und machen Fotos.
Nicht, dass es zu verurteilen wäre, die Schlange zu fotografieren, oder den Petersplatz oder den Dom. Es gibt dort sicherlich reichlich Motive für schöne Bilder. Warum muss aber der Leichnam fotografiert werden? Das kann ich nicht verstehen.
Natürlich ist es in Ordnung, dass es Fotos von Franziskus' Leichnam gibt. Die Pressebilder gehen um die ganze Welt, der Moment wird "festgehalten" – und das ist auch gut und richtig.
Mein Unverständnis bezieht sich auf die persönliche Fotografie mit dem Smartphone. In einer Welt, in der das Digitale ohnehin omnipräsent ist, würde ich mir zumindest wünschen, dass der Abschied von einem spirituellen Führer so ganz analog in echt geschehen darf. Ohne Selfies und ohne Posts in sozialen Medien. Wenn schon nicht für den eigenen Seelenfrieden, dann doch wenigstens um Pietät vor dem Toten zu zeigen. Wer sich an den Moment erinnern möchte, findet sicherlich genug Bilder, Videos und Berichte online, wenn die Erinnerung nicht ausreicht.
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