Containerriese steckt fest Experten: Suezkanal könnte noch Wochen dicht bleiben
Es ist ein spektakulärer Fall: Im Suezkanal steckt das riesige Containerschiff "Ever Given" fest. Experten streiten darüber, wie das Schiff geborgen werden kann – und wie lange es noch dauern wird.
Die Blockade des Suezkanals durch ein festgefahrenes Containerschiff könnte sich den Bergungsteams zufolge noch Wochen hinziehen. Dies sei nicht auszuschließen, sagte der Chef der Firma Bos, Peter Berdowski, dem niederländischen TV-Sender "Nieuwsuur" am Donnerstag. Bug und Heck des 400 Meter langen Schiffes seien an den Seiten des Kanals hochgedrückt worden. Die "Ever Given" sei damit "wie ein riesiger gestrandeter Wal".
Bis zum späten Donnerstagnachmittag stauten sich mehr als 200 Schiffe auf beiden Seiten des Kanals, einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Die weltgrößte Container-Reederei Maersk prüfte nach eigenen Angaben, ob sie ihre Schiffe um die Südspitze Afrikas schicken sollte, bei einer zusätzlichen Fahrdauer von bis zu sechs Tagen.
"Container, Wasser und Öl vom Schiff holen"
Berdowski zufolge lastete das enorme Gewicht des Schiffes auf dem Sand auf beiden Seiten des Kanals. "Möglicherweise müssen wir mit einer Kombination aus Gewichtsreduzierung arbeiten, indem wir Container, Öl und Wasser vom Schiff holen, Schlepper einsetzen und Sand ausbaggern", sagt er. Der japanische Eigner Shoei Kisen entschuldigte sich für den Vorfall und erklärte, die Arbeiten gestalteten sich "extrem schwierig". Es sei nicht klar, wann das Schiff wieder flottgemacht werden könnte. Eine mit dem Vorgang vertraute Person warnte vor weiteren Verzögerungen, sollte ein Teil der Ladung von Bord geholt werden müssen. Am Sonntag werde eine höhere Flut erwartet, die möglicherweise bei der Bergung helfen könne.
Durch den Kanal werden etwa 30 Prozent des weltweiten Containervolumens verschifft und etwa 12 Prozent aller Waren. "Jeder Hafen in Westeuropa wird das merken", sagte ein Sprecher des Rotterdamer Hafens, des größten Europas. Besonders betroffen dürften Russland und Saudi-Arabien sein, die beiden Staaten, die am meisten Öl durch den Kanal schicken. Indien und China sind dagegen die größten Importeure, laut Analysten von Vortexa. Auch die deutsche Wirtschaft dürfte der Stau teuer zu stehen kommen. "Das wird uns noch mindestens ein, zwei Monate auf Trab halten", sagte auch der Lieferkettenexperte Joachim Schaut vom Logistikdienstleister DB Schenker.
Regierungsvertreter: 72 Stunden höchstens
Ein Vertreter der ägyptischen Regierung schätzt die Situation allerdings anders ein. Nach seiner Einschätzung dauert die Bergung höchstens noch drei Tage. Die Schifffahrt auf dem Kanal zwischen Rotem Meer und Mittelmeer werde "binnen 48 bis 72 Stunden höchstens wieder aufgenommen" werden, sagte der Berater von Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi für Seehäfen, Mohab Mamisch, am Donnerstagabend der Nachrichtenagentur AFP.
Als ehemaliger Chef der Behörde für den Suezkanal habe er bereits mehrere Bergungsaktionen miterlebt, führte Mamisch aus. "Ich kenne jeden Zentimeter des Kanals."
Der Eigentümer, die japanische Leasingfirma Shoei Kisen Kaisha, hatte vor Mamischs Äußerungen mitgeteilt, es sei "extrem schwierig", die "Ever Given" wieder flott zu bekommen. Die Kanalverwaltung entsandte mehrere Schlepper, auch ein Team der niederländischen Spezialfirma Smit Salvage machte sich auf den Weg. Der Chef der Mutterfirma Boskalis, Peter Berdowski, sagte dem niederländischen Sender Nieuwsuur, das Containerschiff wieder in Bewegung zu setzen, könne "Tage oder Wochen dauern".
Blockade lässt Ölpreise ansteigen
Der 1869 eröffnete Suezkanal verkürzt die Handelsverbindung zwischen Asien und Europa. Die Strecke von Singapur nach Rotterdam verringert sich durch den Kanal um 6.000 Kilometer gegenüber der Fahrt um das Kap der Guten Hoffnung an der südlichen Spitze Afrikas.
Die Blockade des Suezkanals ließ zeitweilig den Ölpreis ansteigen. Laut Bundesverband der Deutschen Industrie sind bereits internationale Logistik-Turbulenzen zu spüren. Zentrale Lieferketten drohen demnach aufgrund mangelnder Container, unpünktlicher Schiffe und fehlender Transportkapazität ins Stocken zu geraten. Die Reederei-Riesen Maersk und Hapag-Lloyd teilten mit, sie prüften nun den Umweg ihrer Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung.
Ägypten erzielte aus den Durchfahrtsrechten durch den Suezkanal im vergangenen Jahr einen Erlös von umgerechnet 4,2 Milliarden Euro. 2020 passierten fast 19.000 Schiffe die Wasserstraße.
- Nachrichtenagenturen Reuters und AFP