Wegen Behauptung zum Missbrauch Theologe kritisiert Papst Benedikt und Kardinal scharf
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat eine Haltung: Wenn in der katholischen Kirche Kinder missbraucht wurden, dann wegen der sexuellen Befreiung der 68er-Generation. Sein Schreiben stößt auf heftigen Widerspruch.
Der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet hat dem ehemaligen Papst Benedikt XVI. vorgeworfen, sich ignorant gegenüber neuerer Forschung zu verhalten. Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kirche gebe es Tendenzen, sich über wissenschaftliche Untersuchungen hinwegsetzen zu wollen, sagte Prof. Striet. Er bezog sich damit auf das jüngste Schreiben des emeritierten Papstes, in dem dieser die "68er Revolution" als eine Ursache für den sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche anführt.
Auch Müller in der Kritik
"Wer meint, international vorgelegte Studien zu missbrauchsbegünstigenden Faktoren in der katholischen Kirche mit einer Handbewegung vom Tisch wischen zu können und stattdessen mit dem 'alternativen Faktum' aufwartet, die 68er seien es gewesen, ist verdammt nah dran an einem weltweit zu beobachtenden Zeitgeist, der sich alles so zurechtbiegt, wie es der eigenen Agenda entspricht", kritisierte Striet. Dies gelte auch für den deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller.
Der hatte die Ansicht vertreten, Benedikt habe mit seinem umstrittenen Schreiben als Einziger etwas Sinnvolles zur Missbrauchsdebatte in der katholischen Kirche beigetragen. "Benedikt hat in seinem Schreiben die Eiterbeule aufgestochen", sagte der deutsche Kardinal. Die Kirche steckt wegen des Skandals um sexuellen Missbrauch durch Geistliche in einer tiefen Krise. Papst Franziskus hatte im Februar die Bischöfe der Welt nach Rom eingeladen, um darüber zu beraten.
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Um die Krise überwinden zu können, muss sich die Kirche nach Ansicht des katholischen Theologen Striet stärker den modernen Wissenschaften öffnen: "Wenn man sich in der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf der Lehramtsebene entschieden den modernen Human- und Sozialwissenschaften geöffnet hätte, stünde man heute nicht da, wo man jetzt steht."
- Nachrichtenagentur dpa