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Alexander Gerst: Vor 30 Jahren ein kleiner Junge mit einem großem Traum


Astronaut Alexander Gerst
Von einem, der auszog, das Weltall zu erkunden

dpa, Annett Stein

Aktualisiert am 06.06.2018Lesedauer: 6 Min.
Alexander Gerst: Am Mittwoch beginnt seine bislang längste und wichtigste Weltraummission.Vergrößern des Bildes
Alexander Gerst: Am Mittwoch beginnt seine bislang längste und wichtigste Weltraummission. (Quelle: Kirill Kallinikov/Sputnik/dpa)
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Vor gut 30 Jahren war er ein kleiner Junge mit einem großen Traum. Alexander Gerst wurde tatsächlich Astronaut. Morgen bricht er zu seinem bislang größten Abenteuer auf der Raumstation ISS auf.

Überbordende Neugier war Alexander Gerst quasi in die Wiege gelegt. "Als kleiner Junge schon habe ich mich für alles interessiert, was mit der Entdeckung der Welt zu tun hatte: für Vulkane, Stürme, Erdgeschichte, ferne Kulturen und Länder – und für das All", schreibt Gerst in seinem Buch "166 Tage im All". Am morgigen Mittwoch bricht der 42-Jährige zu seinem wohl größten Abenteuer auf: 188 Tage lebt und forscht er an Bord der ISS. Im Herbst übernimmt er dort sogar das Kommando.

Bereits als Jugendlicher machte sich der 1976 in Künzelsau in Baden-Württemberg geborene Gerst auf, die Welt zu erkunden. Nach dem Abitur in Öhringen und Zivildienst beim Roten Kreuz reiste er mit dem Rucksack durch Zentralamerika, Australien und Neuseeland. Er studierte in Karlsruhe Geophysik und forschte an der Universität Hamburg, erklomm Vulkane in der Antarktis, Vanuatu und Äthiopien.

Sein größtes Ziel aber war der Weltraum. Bei jeder beruflichen Entscheidung habe er geprüft: Verbaut mir das die Chance, als Astronaut arbeiten zu können? "Ich hatte schon immer den Traum, dass ich mich einmal als Astronaut bewerben wollte", sagt Gerst in einem "Omega Tau"-Podcast. "Ich hatte über Jahre hinweg meinen Webbrowser so programmiert, dass er mir automatisch eine Meldung gegeben hat, wenn sich die Bewerbungsseite der Esa verändert hat."

Gerst stach 8.400 Bewerber aus

Jahrelang schrieb die Esa keine Stellen für Astronauten aus, 2008 aber habe er endlich eine Meldung bekommen – neben gefühlt hundert E-Mails von Freunden mit der Aufforderung, sich zu bewerben. Nach einer Reihe "sauschwerer" Tests für die anfangs mehr als 8.400 Bewerber über ein Jahr hinweg stand fest: Alexander Gerst wird Esa-Astronaut. Am 28. Mai 2014 startete er für ein halbes Jahr zur Internationalen Raumstation (ISS) – als elfter Deutscher im All und dritter deutscher Raumfahrer auf der ISS.

Für die Europäische Weltraumorganisation (Esa), der es nicht immer leicht fällt, den Sinn bemannter Raumfahrt zulasten der Steuerzahler klarzumachen, war Gerst ein Geschenk des Himmels: "Astro-Alex" macht – groß, durchtrainiert und kahl rasiert – etwas her als Botschafter für die Raumfahrt. Er gilt als Teamarbeiter und Kommunikationstalent. Wie wohl kein ISS-Mitglied zuvor, ließ er die Welt über Social-Media-Botschaften und Zehntausende Fotos teilhaben an seinem Abenteuer – und bewegte auch Menschen, deren Herz nicht automatisch höher schlägt, wenn sie Galaxien oder den Abdruck eines Astronautenfußes im Mondstaub sehen.

"Gerade eben 16.300 km auf dem Laufband gelaufen (35 Min mit 28.000 km/h)", schrieb er auf Twitter, oder auch: "In zwei Wochen fliegen wir zurück zur Erde. Ich werde die Rückwärtssalto beim Zähneputzen vermissen." Auch ernsthafte Botschaften gab es: "Um zu erkennen, dass Menschen im All leben können, musste ich ein halbes Jahr hier oben verbringen. Um zu erkennen, wie schön die Erde ist, brauchte ich eine Minute. Um zu erkennen, wie zerbrechlich unser kleiner blauer Planet ist, brauchte ich nur einen Augenblick", twitterte Astro-Alex am 8. November 2014, einen Tag vor seiner Rückkehr von der "Blue Dot"-Mission.

Ein Asteroid trägt seinen Namen

Es folgte ein Marathon an Vorträgen, Presseterminen und Auszeichnungen. Bundespräsident Joachim Gauck überreichte Gerst 2015 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, sogar ein Asteroid – "Alexandergerst" – wurde nach ihm benannt. Im Mai 2016 schließlich wurde bekannt gegeben: Astro-Alex machts noch mal – diesmal für drei der sechs Monate gar als Kommandant.

"Das ist eine tolle Sache für mich", sagte Gerst erfreut. Selbst die Bundeskanzlerin gratulierte. Sie habe Gerst "als einen wirklichen Botschafter aus dem All kennengelernt", sagte Angela Merkel (CDU). Gersts Familie reagierte entspannt: "Die sind das seit Jahren gewohnt, dass ich in irgendwelche Ecken der Welt verschwinde und sind schon froh, dass ich nicht mehr auf irgendwelchen aktiven Vulkanen rumspaziere", sagte Gerst.

Wie schon bei seinem ersten Weltraumflug bereitete sich Gerst im Sternenstädtchen nahe Moskau auf seine Mission vor. Wenn er am morgigen Mittwoch um 13.12 Uhr unserer Zeit vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan abhebt, wird er der vierte Deutsche mit mindestens zwei Raumflügen sein. Deutscher Rekordhalter ist Ulf Merbold, der zwischen 1983 und 1994 dreimal im Erdorbit arbeitete. Kommandant im All war noch kein Deutscher, Gerst wird nach Frank De Winnes 2009 erst der zweite europäische Astronaut in Funktion des ISS-Commanders sein.

"Wenn Not am Mann ist, springt man ein"

Als Kommandant muss Gerst im Notfall – etwa beim Ausbruch eines Feuers – die Befehle geben. Unter normalen Umständen sei er vor allem für die Mannschaft da und unterstütze sie, sagte er: "Man achtet darauf, dass es der Crew gut geht, dass die Stimmung passt und koordiniert zwischen Crew und der Bodenkontrolle. Wenn Not am Mann ist, springt man ein und hilft den Kollegen."

Was er vermissen wird im All? "Das Baden im See. Das Grillen auf der Dachterrasse von Freunden. Das Joggen im Sommerregen. Auch ganz einfache, selbstverständliche Dinge wie den Geruch von Wald, das Rascheln von Gras."

Vom Sinn bemannter Raumfahrt ist Gerst hundertprozentig überzeugt. "So wie Seefahrer früher zunächst auf kleinen, für die Küstengewässer geeigneten Booten ihr Handwerk erprobt haben, können wir jetzt auf der ISS lernen, Raumschiffe zu bauen, mit denen wir weiter ins Weltall "hinaussegeln" können", schreibt Gerst in seinem Buch. Mond und Mars bezeichnet er gerne als achten und neunten Kontinent.

Gerst: Erkenntnisse der Raumfahrt sind das Risiko wert

Die mit seinem Flug ins All verbundenen Risiken seien ihm bewusst, sagte Gerst. "Die Vorteile, die wir daraus bekommen für unsere Gesellschaft von wissenschaftlichen Experimenten über internationale Kooperation bis zur Inspiration der nächsten Generation sind mir wichtig", sagte der 42-Jährige. "Wenn ich da meinen Beitrag leisten kann, dann ist mir das schon wert, dafür auch ein ein bisschen höheres Risiko einzugehen."

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Seine Botschaften von der ISS versteht Gerst auch als Appell an die Menschheit, die Erde zu schützen. "Es geht darum, dass wir lernen, wie wir unseren Planeten erhalten. Es gibt keinen Planeten B." Auch er bemühe sich: "Ich versuche schon für mich selber, ein bisschen nachhaltiger zu sein." Was allerdings schwierig sein dürfte bei einem Mann mit einem Wohnsitz und zwei Dienstsitzen, der für die letzte Mission etwa 400.000 Kilometer geflogen ist, wie es in seinem Buch heißt – und damit einen wohl Tausende Male größeren CO2-Fußabdruck hat als die meisten Menschen auf der Welt.

Wichtig ist Gerst – liiert, ledig und kinderlos – zudem die Arbeit mit und für Kinder. Vielen von ihnen ist er aus der "Sendung mit der Maus" und Zeitschriften bekannt. Manche Schüler hatten das Glück, 2014 über eines der beiden Funkgeräte auf der ISS mit Astro-Alex reden zu können.

Er selbst sei als Junge inspiriert worden von den Raumfahrern im Space Shuttle, sagte Gerst. "Das prägt als Kind, wenn man sieht, die Welt um uns rum erlaubt mir dies und jenes zu tun, und wenn ich will, kann ich sogar in den Weltraum fliegen." In diesem Raum an Möglichkeiten entwickelten Kinder Wünsche und Ziele. "Und das ist extrem wichtig für unsere Gesellschaft, weil das ist die Generation der künftigen Forscherinnen und Forscher, Ingenieurinnen und Ingenieure", betonte Gerst. "Ich habe davon profitiert und jetzt ist es an mir, das weiterzugeben."

Kinder stellen Fragen, Astro-Alex antwortet

Eines der Dinge, die Astro-Alex bei seiner neuen Mission unbedingt beantworten will, ist darum die Frage, ob man von der ISS aus die Chinesische Mauer sehen kann. "Das ist eine häufige Kinderfrage und ich konnte das nicht klären letztes Mal."

Und noch etwas möchte der 42-Jährige unbedingt herausfinden: ob sich ein in Streifen geschnittenes Papier vor einer Lüftung tatsächlich wie Blätterrascheln anhört. "Ich habe vor einigen Monaten einen alten russischen Film gesehen, 'Solaris', da gibt es eine Szene, in der Astronauten das machen", erzählt Gerst. "Das fand ich so faszinierend, das muss ich unbedingt nachbauen. Ich will wissen, ob es mir hilft, mich gedanklich auf die Erde zurückzuversetzen."

Verwendete Quellen
  • dpa
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