Regenfluten in Niederbayern Vier Menschen sterben bei schwerem Hochwasser
Menschen klettern aus Angst vor den Fluten auf die Dächer ihrer Häuser, eine ganze Ortschaft ist von der Außenwelt abgeschnitten: Es sind dramatische Szenen, die sich bei den Überflutungen in Niederbayern abspielen. Der Landkreis Rottal-Inn in Niederbayern hat den Katastrophenalarm ausgerufen. Am späten Abend die traurige Meldung: vier Leichen wurden geborgen.
Taucher hätten in Simbach am Inn drei Leichen in einem Haus entdeckt, teilte Michael Fahmüller mit. Der Landrat von Rottal-Inn sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus.
Doch kurz darauf die nächste Hiobsbotschaft: Bei Julbach wurde eine vierte Leiche gefunden. Die tote Frau sei in einem Bach entdeckt worden, berichtete die Polizei.
32 Liter Regen in sechs Stunden
Landrat Fahmüller hatte am Mittwoch Katastrophenalarm ausgelöst, nachdem in mehreren Gemeinden anhaltender Regen schwere Überschwemmungen ausgelöst hatte. Binnen sechs Stunden fielen allein in Pfarrkirchen bei Triftern 32 Liter Regen pro Quadratmeter. Das Landratsamt Rottal-Inn rechnet mit Schäden im zweistelligen Millionenbereich.
"Die Situation hat sich in den letzten Stunden dramatisch zugespitzt. Der ganze Ortskern wurde von dem Altbach überspült", sagte der Bürgermeister von Triftern, Walter Czech (CSU).
Triftern von Außenwelt abgeschnitten
Triftern mit seinen 5000 Einwohnern ist nach den Worten eines Gemeindesprechers derzeit von der Außenwelt abgeschnitten, weil alle Brücken überschwemmt seien.
Rettungshubschrauber seien im Einsatz, um von den Wassermassen eingeschlossene Menschen zu retten. Zufahrtsstraßen und Brücken sind überschwemmt. "Es herrscht Land unter. Die Wassermassen kamen sehr schnell", sagte Emil Bumberger von der Polizei in Pfarrkirchen.
Lkw-Fahrer flüchten auf ihre Dächer
Im bayerischen Simbach musste eine Asylbewerberunterkunft in einer ehemaligen Turnhalle nach Auskunft des Landratsamtes Rottal-Inn geräumt werden. Zahlreiche Bewohner in der Region wurden von Wassermassen eingeschlossen und mussten mit Hubschraubern gerettet werden.
Rettungskräfte berichteten, dass Lastwagenfahrer auf der Bundesstraße 12 auf die Dächer ihrer Fahrzeuge geklettert waren, weil sie Angst hatten, von den Fluten davon geschwemmt zu werden.
Dieses Youtube-Video vermittelt einen Eindruck von der Katastrophe in Simbach:
"Es hört nicht auf zu regnen"
Auch am Grenzübergang zum österreichischen Braunau herrschte Land unter: Eine Brücke war komplett überspült. Eine Entspannung war zunächst nicht in Sicht: "Es hört nicht zu regnen auf", sagte ein Sprecher des Landratsamtes. Die Fluten waren so stark, dass sie Autos mit sich rissen.
"Mit dieser Wucht hat wohl niemand gerechnet", sagte der Behördensprecher. Erst in der Nacht zum Montag hatte ein Hochwasser in Mittelfranken im Großraum Ansbach verheerende Schäden angerichtet.
Tausende Haushalte ohne Strom
9000 Haushalte im Landkreis Rottal-Inn waren vom Strom abgeschnitten. Die Fluten verhinderten vielerorts den Zugang zu Trafostationen oder Umspannwerken, teilte der Energienetzbetreiber Bayernwerk mit. Tausende Haushalte sollten auch über Nacht ohne Stromversorgung sein.
Mitarbeiter seien unterwegs, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Da es keinen detaillierten Überblick über die Hochwassersituation gebe, müsse der Strom vielfach abgeschaltet bleiben. Sicherheit habe absoluten Vorrang.
Schule und Kindergarten betroffen
Von den Wassermassen waren auch die Schule und die beiden Kindergärten von Triftern betroffen. "Etwa 250 Schulkinder sind noch in ihren Klassen. Zum Glück liegt das Gebäude aber auf einem Berg. Die Zufahrtswege sind nicht passierbar", erläuterte der Bürgermeister von Triftern, Walter Czech, am Nachmittag. Am späten Abend konnten die Kinder die Schule nach stundenlangem Warten dann doch verlassen. Zuerst war befürchtet worden, sie müssten in der Turnhalle übernachten.
Am Abend hatte sich die Hochwasser in Triftern und Umkreis etwas entspannt. "Das Wasser läuft zügig ab. Die Feuerwehren haben Zeit, die vollgelaufenen Keller leer zu pumpen", sagte der Einsatzleiter der örtlichen Wasserwacht.
Katastrophenschutz-Stab nimmt Arbeit in Passau auf
In Passau nahm der Katastrophenschutz-Stab des Landkreises seine Arbeit auf, teilte das Landratsamt mit. Hier wurde der Katastrophenfall ausgerufen, was die Vorstufe zum -alarm ist. Der Stab koordiniert den Einsatz von mehr als 40 Feuerwehren.
Die Bevölkerung sei aufgerufen, auf unnötige Autofahrten zu verzichten, nach Möglichkeit im Haus zu bleiben und Kellerräume zu meiden. "Die anhaltenden Regenfälle im südlichen Landkreis und die zu erwartenden Hochwasserstände an Rott und Wolfach geben keinen Anlass, von einer Entspannung der Situation auszugehen."
Der Landrat habe die Entscheidung getroffen, nachdem sich Meldungen von Schäden gehäuft hatten. "Wir haben überflutete Straßen und überflutete Keller, großflächig und im großen Ausmaß", sagte eine Mitarbeiterin des Landratsamts. Betroffen waren unter anderem Bad Griesbach, Kößlarn, Ruhstorf, Harbach, Kirchham und Neuburg am Inn.
Schüler-Bootsfahrt endet in Panik
In Niederbayern geriet zudem eine Schülergruppe aus Augsburg bei einer Bootsfahrt in eine Notsituation. Die 27 Kinder einer siebten Klasse, zwei Lehrer und eine Begleitperson seien bei der mit zwölf Booten gestarteten Tour auf dem Schwarzen Regen vom Unwetter überrascht worden, so das Polizeipräsidium Niederbayern.
In der Folge seien die Boote auf dem Fluss durch die starke Strömung auseinandergetrieben worden, in der Gruppe sei teilweise Panik ausgebrochen. Etwa 20 Mitglieder der 30-köpfigen Gruppe seien auf einer kleinen Insel im Fluss gestrandet, dem Rest sei es von selbst gelungen, das Ufer zu erreichen.
Rettern der Wasserwacht sei es trotz der schwierigen äußeren Bedingungen schließlich gelungen, die Gestrandeten von der Insel zu bergen. Glücklicherweise habe nur eine Schülerin eine Unterkühlung erlitten, eine weitere einen Schock.
Gewitter und Starkregen auch im Raum Hannover
Aber nicht nur in Niederbayern ging es heftig zur Sache: Ein starkes Gewitter mit viel Regen bescherte auch der Feuerwehr im Raum Hannover mehr als 100 Einsätze. Allein in der Stadt Hannover seien es mindestens 50 gewesen, in der Region sogar noch mehr, teilte ein Sprecher der Feuerwehr Hannover mit.
Betroffen waren vor allem östliche Stadtteile. Hauptsächlich mussten Keller leergepumpt werden, wie der Sprecher sagte. Auf einem Flachdach eines Krankenhauses habe sich Wasser angesammelt und drohte in das Gebäude einzudringen. Verletzt wurde niemand.
Auch in Leipzig standen zeitweise einige Straßen unter Wasser. "Die Kanalisation konnte die Wassermassen nicht schnell genug aufnehmen", sagte ein Feuerwehrsprecher. In einem Leipziger Krankenhaus musste die Feuerwehr Wasser aus der Notaufnahme abpumpen.
Die aktuelle Unwetterkarte der Unwetterzentrale: