Nach 85 Jahren Gericht: Familie verliert Grundstück
Eine Frau und ihr Sohn leben in einem Brandenburger Haus. Dieses gehörte ursprünglich Juden – bis die Nazis kamen. Nun müssen es die aktuellen Bewohner abtreten.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass eine Familie aus Brandenburg ihr in der Nazizeit erworbenes Wohnhaus aufgeben muss. Die Rückübertragung an den Rechtsnachfolger des ursprünglichen Besitzers sei rechtens, erklärte das Gericht. Die Revision der 84 Jahre alten Klägerin und ihres 61-jährigen Sohnes wurde als unbegründet abgewiesen. Es spiele auch keine Rolle, dass die Mutter der Klägerin ihr das Grundstück 1993 schenkte. Damit ist die Entscheidung rechtskräftig.
Ihr ging ein jahrelanger Rechtsstreit voraus. Das Haus in Wandlitz nördlich von Berlin soll nun an die Jewish Claims Conference (JCC) gehen, einem Zusammenschluss von 23 jüdischen Organisationen. Es handelt sich um einen der letzten Fälle von Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüchen in Brandenburg im Rahmen der Wiedergutmachung für Vermögensverluste aus der NS-Zeit.
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Die ursprünglichen, jüdischen Eigentümer hatten das Grundstück 1932 erworben und dort ein Feriendomizil für jüdische Kinder betrieben. Dann wurden sie von den Nazis zum Verkauf gezwungen. 1939 erwarb der Großvater der heutigen Klägers das Grundstück von einem Makler. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands erließ die Bundesregierung das "Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen", um die Wiedergutmachung von Vermögensverlusten im Zweiten Weltkrieg sowie Fragen der Rechtsnachfolge zu klären.
In Fällen, in denen Opfer keine Ansprüche geltend machen konnten, wurde die JCC als Rechtsnachfolgerin eingesetzt. Da die beiden einstigen jüdischen Besitzerinnen im Konzentrationslager umgebracht worden waren, war dies auch bei der Immobilie in Wandlitz der Fall.
Sohn: "Wir wissen nicht, wohin"
Die 84-Jährige sagte dem RBB, dass sie seit mehreren Generationen in dem Haus lebt. Nachdem sie das Haus geschenkt bekam, behielt sich ihre Mutter ein lebenslanges Wohnrecht vor. Die Klägerin zahlte dafür Wasser, Abwasser, Strom und Heizung und verpflichtete sich dazu, ihre Mutter zu pflegen. Zwei Jahre später schenkte sie einen Teil des Grundstücks ihrem Sohn, dem Kläger.
2015 erhielt die Familie dann einen Brief des Bundesamtes für Offene Vermögensfragen. 2017 wurde das Eigentum an die JCC rückübertragen. Für sie breche eine Welt zusammen, sagte die Klägerin nach der Entscheidung. "Ich habe mein ganzes Leben in dem Haus verbracht und meine Eltern gepflegt", berichtete der RBB. Ihr Sohn ergänzte: "Wir wissen nicht, wohin."
Von der JCC hieß es, dass die Organisation der Klägerin ein lebenslanges Wohnrecht in dem Haus angeboten habe: "Dieses Angebot wurde von der Familie Liske abgelehnt", hieß es in einer schriftlichen Mitteilung an den RBB Mitte des Jahres. Unklar ist, ob dieses Angebot noch immer besteht.
Rückübertragung trotz Schenkung nicht ausgeschlossen
Wenn ein Grundstück unentgeltlich weitergegeben wurde, schließt das die Rückübertragung nicht aus, wie das Bundesverwaltungsgericht entschied. Auch eine Schenkung gegen geringe Gegenleistungen wie die hier vereinbarte gilt demnach als unentgeltlich. Die Übernahme der Nebenkosten und der Pflege sei niedrig im Verhältnis zum Wert des Grundstücks.
Bei einer solchen Schenkung ist die Lage dem Bundesverwaltungsgericht zufolge eine andere, als wenn das Grundstück verkauft wurde und den Berechtigten der Erlös zusteht.
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- Nachrichtenagentur dpa