"Sensationsfund" in der Travemündung 400 Jahre altes Schiffswrack vor Lübeck entdeckt
Forscher sind auf das jahrhundertealte Wrack eines Handelsschiffes gestoßen. Dieses ermöglicht ihnen einen neuen Blick auf die Geschichte der Hansestadt.
Bei Vermessungsarbeiten in der Travemündung vor Lübeck ist das rund 400 Jahre alte Wrack eines Frachtseglers entdeckt worden. Die Überreste des etwa 20 Meter langen Holzrumpfs lägen mitsamt der Ladung in elf Metern Wassertiefe und stellten einen bedeutenden archäologischen Fund dar, teilten die Stadt Lübeck und deren Denkmalschützer am Dienstag in der Hansestadt mit. Es ist demnach die erste derartige Entdeckung in der westlichen Ostseeregion.
Die Stadtverwaltung und deren Archäologenteam erhoffen sich durch die Bergung und Untersuchung des nach derzeitigem Kenntnisstand aus dem 17. Jahrhundert stammenden Handelsschiffs nach eigenen Angaben wertvolle Erkenntnisse zur Geschichte Lübecks und den weitreichenden historischen Handelsbeziehungen der Stadt innerhalb des Städtebunds der Hanse. Das Wrack soll vom Grund der Trave gehoben und dann in einem mehrjährigen Verfahren konserviert werden.
Schiffswrack bereits vor zwei Jahren entdeckt
"Die wissenschaftliche Erkenntnis dieses spektakulären Wrackfunds wird der Wirtschafts- und Handelsgeschichte der Hansestadt Lübeck ein bis dato unbekanntes neues Puzzleteil hinzufügen", erklärte Lübecks Kultursenatorin Monika Frank (SPD) am Dienstag anlässlich der öffentlichen Vorstellung der Entdeckung, die Stadt und Fachleute zunächst einige Monate geheim gehalten hatten.
Das Wrack war demnach bereits vor rund zwei Jahren bei Vermessungs- und Peilarbeiten des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts in der Fahrrinne der Travemündung zwischen Lübeck und der Ostsee lokalisiert worden. Erst im August 2021 untersuchten Taucher den Bereich näher, wobei sich dann Hinweise auf ein historisches Wrack ergaben. Anschließend folgten detailliertere Analysen.
Von dem Schiff, bei dem es sich nach Angaben der Lübecker Stadtverwaltung um ein typisches Frachtschiff aus der Zeit der Hanse vom Typ Galliot oder Fleute handelt, sind nach der langen Zeit unter Wasser noch immer Teile des Rumpfs erhalten. Bedeutend aber ist der Fund vor allem wegen der Ladung: Mehr als 150 Fässer wurden in und neben dem Wrack bislang gesichtet.
"Ganz neue Aspekte" zu Lübecks Handelsbeziehungen
Ersten Tests zufolge enthält zumindest ein Teil der Fässer ungelöschten Kalk, einen schon damals wichtigen Grundstoff im Baustoffhandel. Die Erforschung des Wracks werde "ganz neue Aspekte" zur Einschätzung der Bedeutung Lübecks für den Ostseeraum liefern, erklärten die städtischen Archäologen Manfred Schneider, Dirk Rieger und Ingrid Sudhoff am Dienstag.
Lübeck hatte im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit über mehrere Jahrhunderte hinweg als bedeutende Handelsmetropole eine führende Stellung im Städtebund der Hanse eingenommen. Der Aufstieg der Stadt begann im 13. Jahrhundert, Ende des 14. Jahrhunderts war Lübeck nach Köln zeitweise die zweitgrößte deutsche Stadt. Bis Ende des 17. Jahrhunderts verlor die Hanse ihre Bedeutung, am letzten sogenannten Hansetag 1669 nahmen nur noch drei Städte teil.
Erste Details zum Schiff bekannt
Das Wrack in der Trave stammt nach den bisherigen Erkenntnissen wohl aus der Endzeit der Hanse. Das Holz wurde bei Untersuchungen auf einen Zeitraum um das Jahr 1650 datiert. Womöglich gibt es auch einen Zusammenhang mit einer in Dokumenten aus dem Stadtarchiv erwähnten Schiffshavarie auf der Trave von 1680, aber dies ist zunächst nur eine Spekulation. In jedem Fall gehen die Experten davon aus, dass der Frachter bei einem Unglücksfall beschädigt wurde.
Da die im Laderaum verstauten Fässer noch geordnet stehen, schließen sie ein Kentern aus. Auch Brandspuren wurden nicht gefunden. Deshalb halten es die Fachleute für plausibel, dass das Schiff an einer Biegung des Fahrwassers während der Fahrt in Richtung Lübeck auf eine Untiefe lief und leckschlug. Danach kam es offenbar wieder frei und versank letztlich in der Flussmitte.
Das Wrack aus der Travemündung soll geborgen und dauerhaft erhalten werden, ein Konzept dazu wird derzeit erstellt. Lübecks Oberbürgermeister Jan Lindenau (SPD) sprach von einem "Sensationsfund" und erklärte, es sei für die Hansestadt "Auftrag und Verpflichtung", sich um dessen Bewahrung zu kümmern.
- Nachrichtenagentur AFP