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Wer nach der Bundestagswahl 2021 für CDU, CSU und SPD wichtig wird


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Da wird jemand wichtig

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 16.09.2021Lesedauer: 7 Min.
Lars Klingbeil (rechts) hat die Wahlkampagne für Olaf Scholz organisiert.Vergrößern des Bildes
Lars Klingbeil (rechts) hat die Wahlkampagne für Olaf Scholz organisiert. (Quelle: imago images)
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Wer einflussreicher wird

Spekulatius ist ein verführerisches Gebäck. Kardamom, Zimt, Gewürznelke und am besten auch noch Mandelsplitter, lecker. Steht eine Schale mit den Mürbeteigkeksen auf dem Tisch, langt man immer wieder zu und kann gar nicht mehr aufhören. So kennen wir es aus der Weihnachtszeit, aber geschäftstüchtige Einzelhändler stellen die Leckereien immer früher ins Regal. Gestern habe ich die ersten Tüten Spekulatius im Supermarkt um die Ecke erspäht.

Spekulatius gibt es aber nicht nur in der Tüte. Es gibt sie auch in der Politik. Sprechen Politiker und Journalisten über Pläne und Personalien, die noch im Unklaren liegen, weil sie von einem künftigen Ereignis wie zum Beispiel dem Ausgang einer Bundestagswahl abhängen, führen sie gern den Begriff Spekulatius im Munde: Das sei ja alles noch vollkommen unklar, reine Spekulation, soll das heißen – und oft geht es dabei um die Frage, wer welchen wichtigen Posten bekommen könnte. Ministersessel, Fraktionsämter, Ausschussvorsitzende, sowas.

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Da die Bundestagswahl so spannend ist wie seit vielen Jahren nicht mehr und die Sieger nur sehr knapp triumphieren könnten, zählt das schöne Wort vom Spekulatius gegenwärtig im Berliner Regierungsviertel zu den beliebtesten Vokabeln. Da gibt es die einen, die ständig beteuern, dass man natürlich noch keinesfalls sagen könne, wer im Fall einer krachenden Niederlage der eigenen Partei abgesägt und wer stattdessen in die erste Reihe befördert werden könnte, alles Spekulatius. Und es gibt die anderen, die langatmig erklären, wie ihre eigenen raffinierten Pläne aufgehen könnten, wenn dies geschieht und das eintritt, aber eben: alles noch Spekulatius, Sie wissen schon.

Zum journalistischen Ethos gehört es, Spekulatius nicht einfach in die Welt hinaus zu krümeln, sondern zu recherchieren, Fakten zusammenzutragen und diese dann zu analysieren. Trotzdem darf man als Berichterstatter gelegentlich auch mal in die Gebäckschale greifen und kolportieren, was so geraunt wird im politischen Betrieb – natürlich mit dem wichtigen Zusatz, dass dies alles noch unklar und unbestätigt ist, Spekulatius eben. Werfen wir also heute Morgen einen Blick auf die Damen und Herren, die nach dem 26. September wichtig werden könnten. Und da man als Newsletter-Autor nicht sämtliche aufstrebenden Persönlichkeiten im Blick haben kann, lässt man sich dabei von den politischen Reportern unserer Redaktion helfen.

Welche SPD-Leute nach der Bundestagswahl mehr Einfluss bekommen könnten:

Saskia Esken, Parteivorsitzende: Die Stuttgarterin gilt Konservativen als Rotes Tuch, ein Friedrich Merz sieht in ihr fast schon die Inkarnation von Lenin. Tatsächlich vertritt Frau Esken dezidiert linke Positionen, bleibt dabei aber innerhalb der demokratisch-freiheitlichen Leitplanken. Mit Angela Merkel versteht sie sich auch deshalb so gut, weil sie ähnlich wie die Kanzlerin Politik als Problemlösungsaufgabe begreift – und weil sie im persönlichen Gespräch offenherziger auftritt als viele Politiker, deren Selbstbeweihräucherung zehn Meter gegen den Wind zu riechen ist. So hat sie mit der Union unaufgeregt den Digitalpakt für Schulen ausgehandelt. Bleibt sie Parteichefin, dürfte sie in einer künftigen Regierung viel mitzureden haben.

Lars Klingbeil, derzeit Generalsekretär: Noch vor einem Jahr wurde er von vielen Journalisten belächelt, heute nimmt ihn jeder ernst. Er hat die Wiederauferstehung der SPD und die viel gelobte Werbekampagne für Olaf Scholz geplant. Sollte Scholz ins Kanzleramt einziehen, kann sich der 43-Jährige seinen künftigen Job vermutlich aussuchen. Er ist einer der wenigen in der SPD, der sich mit Verteidigungspolitik und Digitalthemen auskennt.

Hubertus Heil, gegenwärtig Arbeitsminister: Der Niedersachse hat langjährige Regierungserfahrung, gilt als cleverer Politikmanager und kann sich auf einen starken Landesverband stützen. Er hat die Gabe, auch mit Fachpolitikern aus konkurrierenden Parteien gut zusammenzuarbeiten; mit CDU-Mann Jens Spahn und seiner Genossin Franziska Giffey hat er vor Corona Verbesserungen im Pflegesystem angeschoben. Künftig könnte er ein noch wichtigeres Ministerium übernehmen – oder als Fraktionschef im Bundestag die nötigen Mehrheiten organisieren.

Außerdem wichtig in der SPD: Manuela Schwesig, die drauf und dran ist, die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zu gewinnen und langfristig als mögliche Parteichefin gehandelt wird. Wolfgang Schmidt, bisher Staatssekretär im Finanzministerium und möglicher Kanzleramtschef, falls Olaf Scholz dort einzieht. Kevin Kühnert als umtriebiger Neuling in der nächsten SPD-Bundestagsfraktion.

Wer nach der Bundestagswahl in CDU und CSU mehr Macht bekommen könnte:

Friedrich Merz, derzeit Rumpelstilzchen der Union: Sollte Armin Laschet doch noch Kanzler werden, wird Herr Merz wohl Wirtschaftsminister, worauf er sich noch mehr freut als viele Firmenchefs. Sollte die Union bei der Wahl baden gehen, dürfte der Sauerländer zu jenen gehören, die mal kräftig in der CDU aufräumen wollen. Dann dürfte kein Stein auf dem anderen bleiben, und am Ende könnte die dezimierte Unionsfraktion im Bundestag nach einem neuen Chef rufen, der zuspitzen und polarisieren kann. Langweiliger würde es dann im Parlament jedenfalls nicht.

Moment, oder wird Jens Spahn nächster Fraktionschef von CDU und CSU? Als Gesundheitsminister hatte er während der Pandemie einen der härtesten Jobs und musste viel Kritik einstecken. Manche Beobachter raunten deshalb, Herr Spahn werde nach der Wahl aus der Politik ausscheiden, doch der Münsterländer hat jüngst klargestellt, dass er weiter mitmischen will. Sollte das Kanzleramt für die Union verloren gehen, könnte er bei der Neuaufstellung der CDU entscheidende Bausteine setzen – und sich vier Jahre lang für die nächste Kanzlerkandidatur warmlaufen.

Paul Ziemiak, bisher CDU-Generalsekretär: Hat sich unermüdlich hochgearbeitet und genießt in der Union einen exzellenten Ruf als angriffslustiger Stratege. Sein einziges Problem in der von Proporzdenken geprägten Politik ist eigentlich, dass er ebenso wie Laschet, Merz, Röttgen und Spahn aus Nordrhein-Westfalen stammt. So viele NRWler in Spitzenpositionen werden die anderen Landesverbände wohl nicht dulden.

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Außerdem wichtig: Der bisherige Bundestags-Fraktionschef Ralph Brinkhaus, der sich nicht einfach so beiseiteschieben lassen wird (aber leider ebenfalls aus NRW stammt). Der blitzgescheite Nathanael Liminski, bisher Armin Laschets Staatskanzleichef in Düsseldorf, der im Falle eines Wahlsiegs der Union wohl Kanzleramtschef würde (dito aus NRW). Auch Serap Güler, bisher Staatssekretärin für Integration in – Sie ahnen es – NRW, würde im Falle eines Wahlsiegs wohl ihrem Chef nach Berlin folgen und ein Bundesministerium beanspruchen.

Auch bei den Grünen, der FDP, der Linkspartei und der AfD gibt es natürlich Leute, die nach der Wahl wichtiger werden dürften. Aber da der Spekulatius-Tagesanbruch verdaulich bleiben soll, belassen wir es für heute bei den Genannten. Einen jedoch müssen wir natürlich noch rasch erwähnen. Der mächtigste aller Spitzenpolitiker, die nicht Kanzlerkandidaten geworden sind, dürfte nach dem übernächsten Sonntag noch einflussreicher werden – egal, wie die Wahl ausgeht. Verliert die Union, wird er die Ellenbogen ausfahren und die künftige Führungsrolle für sich beanspruchen. Schaffen CDU und CSU einen Zittersieg, dürfte er sich erst recht zum heimlichen Anführer aufschwingen. Denn CSU-Chef Markus Söder schielt wohl schon längst auf 2025, wenn bei der übernächsten Bundestagswahl die Karten neu gemischt werden und er ... aber nein, das ist dann doch zu viel Spekulatius.


Volks-Betrüger

Martin Winterkorn wird nicht dabei sein, wenn heute in Braunschweig der Strafprozess im VW-Abgasskandal beginnt. Wegen gesundheitlicher Probleme (den Ex-Konzernchef plagt ein Hüftleiden) ist der Verfahrensteil gegen ihn abgetrennt und auf einen unbestimmten Zeitpunkt vertagt worden. Vor Gericht verantworten müssen sich dagegen vier ehemalige Führungskräfte des Autobauers. Der Vorwurf: gewerbs- und bandenmäßiger Betrug.

Nun geht es einmal mehr um die Frage, wer wann wie viel wusste – und um die persönliche Verantwortung der ehemaligen Manager und Ingenieure: Waren sie Opfer eines Systems, in dem es nur darum ging, das vorgegebene Ziel zu erreichen, egal, wie? Oder gewissenlose Profiteure, die für ihren Bonus in Kauf nahmen, die Kunden zu täuschen? Um die Antworten zu finden, hat das Gericht sage und schreibe 133 Verhandlungstage angesetzt.


Bündnis in Sachsen-Anhalt

Es ist die erste Koalition von CDU, SPD und FDP seit über 60 Jahren – und rein rechnerisch wäre sie nicht einmal nötig: Weil zwar die SPD bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Juni deutlich verlor, die CDU aber kräftig hinzugewann, hätten die beiden Parteien auch allein die nötige Mehrheit besessen – genau 49 von 97 Mandaten. CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff jedoch wollte angesichts der AfD-Sympathisanten in seiner eigenen Partei auf Nummer sicher gehen, weshalb er die FDP ins Boot holte. Bei seiner dritten Wahl zum Regierungschef heute in Magdeburg sollte also alles glattgehen: Zusammen kommen die Bündnispartner auf 56 Sitze, die CDU-Parlamentarier votierten bei einer Probeabstimmung geschlossen für den Amtsinhaber, und auch die Fraktionen von SPD und FDP kündigten an, geschlossen für Haseloff zu stimmen. Nach der Wahl sollen die vier Minister und fünf Ministerinnen des neuen Kabinetts vereidigt werden.


Was lesen?

Olaf Scholz ist bisher ziemlich unbeschadet durch den Wahlkampf gekommen. Das liegt nicht an einem Mangel an Skandalen, sondern eher an seinem Umgang mit den Skandalen, berichten unsere Rechercheure Johannes Bebermeier und Jonas Mueller-Töwe.


Die Corona-Zahlen sind schon wieder so hoch wie zu der Zeit, als Deutschland noch mitten im Lockdown steckte. Was erwartet uns im Herbst? Meine Kollegin Sandra Simonsen hat es sich von dem Chefarzt Uwe Janssens erklären lassen.


"Bundestag nazifrei", "Grüner Mist": Politische Werbekampagnen haben bundesweit für Wirbel gesorgt. In der Folge wurden auch Mitarbeiter des Werbekonzerns Ströer bedroht. Nun hat das Unternehmen, zu dem auch t-online gehört, reagiert. Das Recherchenetzwerk Correctiv wiederum berichtet über dubiose Hintergründe einer millionenschweren Werbekampagne der AfD.


Die Inflation ist zurück, viele Produkte sind teurer als vor einem Jahr. Mein Kollege Florian Schmidt erklärt, wie wir die Teuerung stoppen können.


Was amüsiert mich?

Politische Korrektheit wird in diesen Zeiten ganz großgeschrieben.

Ich wünsche Ihnen einen gelassenen Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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