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Corona-Hass im Internet: Wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputt machen


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MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 11.01.2021Lesedauer: 7 Min.
Die Kanzlerin hat dem Treiben der Digitalkonzerne bisher weitgehend desinteressiert zugesehen.Vergrößern des Bildes
Die Kanzlerin hat dem Treiben der Digitalkonzerne bisher weitgehend desinteressiert zugesehen. (Quelle: imago images)
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WAS WAR?

Vernunft ist in Krisen von Vorteil. Leider ist sie auch rar gesät. Wie sonst ist es zu erklären, dass trotz schrillender Alarmglocken immer noch so viele Mitbürger nicht bereit sind, die Corona-Regeln konsequent zu befolgen? Ein Wochenend-Trip ins Skigebiet, ein netter Abend mit Freunden, eine kleine Ausnahme kann doch nicht so schlimm sein: Wer so denkt und handelt, verwirklicht sein persönliches Glück auf Kosten der Gesundheit anderer Menschen. Das Coronavirus macht keine Ausnahmen. Es bestraft jeden Fehler. Und die Mutation, die in Großbritannien wütet, tut es erst recht.

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In London ist die Lage außer Kontrolle geraten. Die Zahl der Infizierten explodiert, am Freitag waren es sage und schreibe 68.000 binnen 24 Stunden. Auch die Todesfälle nehmen rasant zu, täglich sind es schon mehr als 1.300. Die Krankenhäuser sind überlastet, vor den Kliniken stauen sich die Rettungswagen. Bürgermeister Sadiq Khan hat den Katastrophenfall ausgerufen, er wird den Lockdown wohl verschärfen. Zur Debatte steht eine strikte Ausgangssperre für alle Bürger: zu Hause bleiben, Tür zu, Schluss mit lustig. Das klingt drastisch, doch anders wissen sich die Behörden nicht mehr zu helfen. Wir sollten darin ein Alarmsignal sehen. Auch in Deutschland sind bereits die ersten Infektionen mit dem mutierten Virus aufgetreten. Bei den Briten sehen wir jetzt, was uns in wenigen Wochen blühen könnte, wenn wir nicht entschlossen handeln. Und wenn sich nicht wirklich jeder konsequent an die Schutzregeln hält.

Doch das fällt einer beträchtlichen Zahl von Bürgern immer noch schwer. Viele sehen nicht ein, wieso sie ihr Leben so massiv einschränken sollen, wie Virologen und Politiker es verlangen. Und viele halten mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Wer sich im Internet umhört, dem schallt der Chor der Uneinsichtigen entgegen. Darunter sind nicht nur ignorante und dumme Stimmen, sondern auch immer mehr aggressive. Die bekommt zu hören, wer das Problem anprangert. In der Wochenendausgabe des Tagesanbruchs habe ich über den Unsinn der Corona-Leugner geschrieben. Die Reaktionen waren überwältigend. Hunderte von E-Mails prasselten in unsere Postfächer, darunter neben zustimmenden auch empörte. Und einige hasserfüllte. Letztere kommen im selben Sound daher wie so viele Schreihälse auf Facebook, YouTube und Telegram, auf Whatsapp und Twitter. Dort ist im wahrsten Sinne des Wortes der Teufel los. "Ich habe Angst, dass sich ganz Deutschland bald überwiegend nicht mehr in öffentlich-rechtlichen oder anderen seriösen Medien informiert, sondern nur noch auf den Müllbergen der Trash-Netze", schreibt mir eine Leserin.

Tatsächlich ist es alarmierend, wie viele Menschen den Lügen und Gerüchten im Internet Glauben schenken. Und es ist ein Skandal, dass Hassprediger wie Attila Hildmann und Verschwörungsapostel wie Ken Jebsen immer noch ungehindert ihren Schund verbreiten dürfen. Die Bundes- und Landesregierungen haben das Problem bisher weitgehend ignoriert, viele Spitzenpolitiker scheinen keine Ahnung zu haben, was im Web los ist, oder sie wollen sich damit nicht die Hände schmutzig machen. Beginnt sich das nun endlich zu ändern? Der Angriff fanatischer Trump-Jünger auf das Kapitol in Washington hat auch hierzulande manchen Politiker aus dem digitalen Tiefschlaf gerissen.

Markus Söder ist als Erster aufgewacht und hat der "Welt am Sonntag" ein bemerkenswertes Interview gegeben. Darin warnt er in deutlichen Worten vor der Radikalisierung der "Querdenker"-Szene: "Es ist verheerend. Endlose Fake News und Lügen führen dazu, dass Leute sich in Scheinwelten und Parallelwelten begeben. Es ist wie eine sektenähnliche Entwicklung. Die Leute werden einer Gehirnwäsche unterzogen", sagt der CSU-Chef. Und weiter: "Aus bösen Gedanken werden böse Worte und irgendwann auch böse Taten. Deswegen müssen wir auch in Deutschland nicht nur die Sicherheitsmaßnahmen für die demokratischen Institutionen verbessern, sondern grundlegend die sektenähnliche Bewegung der 'Querdenker' und anderer vergleichbarer Gruppierungen in den Blick nehmen." Sonst bestehe die Gefahr, dass sich "aus größeren Bewegungen kleine Protestgruppen entwickeln, die am Ende einen radikalen Kern bilden, der zu einer Terrorzelle werden kann. Auch wenn die Umfragewerte der AfD sinken, besteht die Gefahr, dass sich aus ihrem Umfeld heraus in Deutschland ein Corona-Mob oder eine Art Corona-RAF bilden könnte, die zunehmend aggressiver und sogar gewalttätig werden könnte." Und dann die Fanfare: "Wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputt machen."

Wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputt machen: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber diesen Satz würde ich gern auch mal aus dem Mund der Bundeskanzlerin, des Innenministers sowie der Chefs von Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bundespolizei hören. Noch besser wäre es, die Damen und Herren würden es nicht bei handfesten Worten belassen – sondern das Problem endlich anpacken. Gegen die amerikanische Plattform Facebook und ihre Töchter WhatsApp und Instagram, gegen den russischen Messenger-Dienst Telegram, gegen die amerikanische Google-Tochter YouTube und den ebenfalls amerikanischen Kurznachrichtendienst Twitter braucht es jetzt harte Gesetze. Nicht irgendwo in Amerika oder sonst wo, sondern hier in Deutschland, in der EU. Sie müssen für jedes einzelne menschenverachtende, Hass schürende oder Lügen verbreitende Posting mit hohen Bußgeldern bestraft werden. Ohne komplizierten Meldeprozess, sondern sofort. Sie müssen daran gehindert werden, dass all die Irren auf ihren Plattformen unsere Demokratie wie in den USA sturmreif schießen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, Telegram-Chef Pawel Durow, Google-Boss Sundar Pichai und die anderen Digitalunternehmer haben jahrelang Milliarden damit verdient, überall auf der Welt Hass und Lügen zu säen. Das muss endlich aufhören. Angela Merkel, Horst Seehofer, Olaf Scholz, Markus Söder und die anderen Häuptlinge in unserem Land sollten sich endlich trauen, ihnen das Handwerk zu legen – am besten über eine EU-weite Initiative mit Unterstützung von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Sonst verletzen sie ihren Amtseid, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Alle aufwachen, bitte!


WAS STEHT AN?

In sechs Bundesländern gelten die verschärften Corona-Regeln schon, heute folgen fast alle anderen. Sie sind unangenehm, sie machen viele Menschen einsam, sie bringen viele um ihren Verdienst. Trotzdem schwant vorausschauenden Köpfen: Sollte sich die gefährliche Mutation des Virus auch hierzulande weiterverbreiten, werden diese Regeln kaum ausreichen. Das Ziel sollte null Infektionen sein. Einmal für drei, vier Wochen alles hart ausbremsen – statt bis zum Herbst zwischen ständigen Lockdowns und Lockerungen hin- und herzupendeln. Das würde die Nerven schonen, Leid lindern und sehr viel Staatsgeld sparen. Wann das wohl auch die Ministerpräsidentenrunde versteht?

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Nur noch neun Tage bleiben Donald Trump im US-Präsidentenamt, die Demokraten wollen trotzdem heute im Repräsentantenhaus ein weiteres Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eröffnen. Die Anklage lautet auf "Anstiftung zum Aufruhr". Entschieden würde das Verfahren allerdings im Senat, wo es kaum Aussicht auf die notwendige Zweidrittelmehrheit gibt. Jeder Tag, den Trump noch im Weißen Haus bleibe, sei eine Gefahr, beharrt die demokratische Frontfrau Nancy Pelosi.

In Wahrheit verfolgen die Demokraten mit dem Verfahren drei Ziele: Erstens wollen sie ihn als ersten Präsidenten brandmarken, der sich zweimal einem Amtsenthebungsverfahren stellen muss. Zweitens errichten sie eine Drohkulisse, um Trump klarzumachen: Falls er sich jetzt noch das Geringste erlaubt, dann geht es ihm an den Kragen. Drittens könnte Trump auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt noch schuldig gesprochen werden – samt dem Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden. Damit wäre ihm eine erneute Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2024 verwehrt. Der Welt bliebe viel erspart.


In Paris eröffnet Frankreichs Präsident Macron den "One Planet Summit". Ziel des Gipfels ist es, die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu beschleunigen und mehr Geld für den Klimaschutz lockerzumachen. Rund 30 Staats-, Regierungs- und Organisationschefs schalten sich per Video dazu, darunter Kanzlerin Merkel, der britische Premier Boris Johnson, Prinz Charles, UN-Generalsekretär António Guterres und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Chefs wollen ambitionierte Umweltprojekt voranbringen, darunter die "Große grüne Mauer" in der Sahelzone: Ein 15 Kilometer breiter Grünstreifen aus Bäumen und Pflanzen von West- bis Ostafrika soll die Ausbreitung der Sahara stoppen, die Lebensgrundlage von Millionen Menschen verbessern und Fluchtbewegungen vorbeugen. Spannend!


Der Untersuchungsausschuss zum Pkw-Mautdebakel nähert sich dem Ende. Heute sind der frühere Verkehrsstaatssekretär Guido Beermann und Ministeriumsabteilungsleiter Karl-Heinz Görrissen vorgeladen. Aber auch ohne sie hat die Opposition bereits so viele Hinweise auf Amtsversagen von CSU-Minister Andreas Scheuer zusammengetragen, dass man sich fragt, warum der Mann noch im Amt ist.


WAS LESEN?

Der Sturm auf das Kapitol war der skandalöse Tiefpunkt der Präsidentschaft Donald Trumps. Doch trotz seiner Wahlniederlage bleibt seine Bewegung eine Gefahr. Auch Deutschland muss deshalb gewarnt sein, meint mein Kollege Patrick Diekmann.


Wie gefährlich sind die Mutationen des Coronavirus, was ist das Problem am Impfstoff von Biontech, und auf welche drei Dinge sollte man beim Tragen einer Maske unbedingt achten? Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit beantwortet in unserem beliebten Format "Frag mich" die Fragen unserer Leser.


WAS AMÜSIERT MICH?

Zum Abschluss ein kleines Geständnis: Ich bin ein Freund von Alliterationen. Als ich noch beim guten, alten "Spiegel Online" am Ruder sitzen durfte, versah ich Artikel gern mit Stab- und anderen Reimen. So kam es zu Titeln wie "Bill trifft Il" oder "Schloss sucht Boss" oder "Um Kopf und Kanzleramt". Meine Umtriebe gingen so weit, dass irgendwann sogar Medienjournalisten darüber berichteten. Natürlich nicht gerade wohlwollend. Irgendwann war ich beim "Spiegel" weg vom Fenster und andere durften die Überschriften machen. Doch gelegentlich habe ich den Eindruck, dass der sprachliche Funke auf manche Kollegen übergesprungen zu sein scheint. Keinesfalls nur beim "Spiegel" und auch nicht nur in Texten. Vorhang auf für die geschätzte ARD-Kollegin Hanni Hüsch!

Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Wochenbeginn ohne Verschwörungsblödsinn. Oh, reimt sich sogar.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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