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Tagesanbruch: Große Koalition – Da kommen die Hasenfüße


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.02.2019Lesedauer: 7 Min.
Andrea Nahles, Annegret Kramp-Karrenbauer.Vergrößern des Bildes
Andrea Nahles, Annegret Kramp-Karrenbauer. (Quelle: imago)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Hasenfuß ist ein schönes deutsches Wort, aber es bedeutet nichts Schönes. Es heißt, große Koalitionen seien besonders gut geeignet für Krisenzeiten. Wenn der Wind rauer wird und das Geld knapper, wenn man zusammenstehen, den Gürtel enger schnallen und den Karren mit vereinten Kräften aus dem Dreck ziehen muss. Dann, so heißt es stets, sind große Koalitionen eine feine Sache, weil sie stabile Mehrheiten und die geballte Kompetenz der Volksparteien garantieren. Schön wär’s. Das 24. Regierungskabinett der Bundesrepublik Deutschland ist zwar eine große Koalition – aber deren Selbstbewusstsein, ihr Mut und ihre Entschlossenheit, die großen Herausforderungen unseres Landes anzupacken, scheint ziemlich klein zu sein. Die Vorsitzenden von CDU und SPD kommen gerade auf Hasenfüßen daher.

Wie oft hat SPD-Chefin Andrea Nahles die Regierungskoalition schon angezählt, getrieben von ihren eigenen Leuten? Ich habe aufgehört zu zählen. Wie oft hat sie schon angekündigt, nach zwei Jahren eine Halbzeitbilanz zu ziehen? Und wenn dann nicht alle – ALLE!!! – Forderungen, Wünsche, Sehnsüchte der Genossen erfüllt sind, dann wird die SPD die Regierung aber sowas von rucki-zucki mit einem donnernden Bätschi! verlassen!!! Früher nannte man sowas Erpressung. Heute kommt es mir wie die verzweifelte Suche nach dem Hinterausgang vor. Schnell dünnemachen, bevor der Druck der eigenen Leute, die Frust über die eigenen Fehler und die Last der Verantwortung für den steten Niedergang zu groß werden. Hasenfüßig eben.

Bisher hatte ich geglaubt, die CDU-Führung besitze mehr Courage, verstehe sich als Anker in stürmischen Zeiten, verleihe der wackelnden Koalition Stabilität. Der Erneuerungsprozess schien doch ganz gut voranzukommen – Brinkhaus statt Kauder, Kramp-Karrenbauer statt Merkel, die Versöhnung mit der CSU, die wiederbelebte Diskussionskultur, die Schärfung des Profils. So könnte das was werden, dachte man. Aber dann tippte die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer gestern in ihren Twitter-Account drei Sätze: "Heute war ich Gast im Vorstand der @MIT_bund [der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU]. Wir haben darüber gesprochen, wie wir Deutschland unter geänderten Rahmenbedingungen zukunftsfähig halten können. Dazu nutzen wir die Revisionsklausel im Koalitionsvertrag und werden eigene Vorschläge vorlegen."

Das kann man als arglose Einladung zu einem Kaffeekränzchen nebst Diskussion über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags lesen. Oder als Warnschuss gegen die SPD: Was ihr könnt, können wir schon längst! Die Koalition infrage stellen nämlich. Und wenn ihr weiterhin eine Extrawurst nach der anderen verlangt – höherer Mindestlohn, höhere Grundrente, höhere dieses, höhere jenes – dann haben wir irgendwann die Faxen dicke und setzen euch vor die (Hinter-)Tür. Und da könnt ihr dann sehen, wo ihr mit euren 14 Prozentchen bleibt. Liest man Kramp-Karrenbauers Ankündigung so, verbirgt sich darin eine kühle Machtdemonstration – zugleich aber auch die Flucht vor der Verantwortung. Hasenfüßigkeit eben.

Jahrelang brummte in Deutschland die Konjunktur, spülte Milliarde um Milliarde in den Steuersäckel – und die große Koalition gab das Geld mit vollen Händen aus. Leichter lässt sich’s nicht regieren. Und wenn es mal Probleme gab, dann waren sie selbstgemacht, so wie der Asylstreit im Sommer. Aber nun, wo sich am Horizont die dunklen Wolken ballen, wo der Konjunkturmotor zu stottern beginnt, wo der Finanzminister im Haushaltsplan plötzlich ein 25-Milliarden-Loch entdeckt hat, da vermitteln die Regierungsparteien den Eindruck, sie würden sich beizeiten gern aus der Verantwortung stehlen.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich möchte nicht schwarz malen, was vielleicht noch grau ist. Vielleicht sehe ich das alles ja zu düster, vielleicht sind das ja alles nur Phrasen. Aber vor meinem inneren Auge rennen gerade: die Hasen.

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Bundeskanzlerin Merkel ist von der Luftwaffe sicher nach Japan gebracht worden. Der Regierungs-Airbus flog ausnahmsweise ohne Probleme von A nach B.

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Ach ja, und dann hat noch Altkanzler Schröder ein Interview gegeben. Wusste mal wieder irgendwas besser. War nicht weiter wichtig.

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WAS STEHT AN?

Der Brexit soll ja so schlecht für die Wirtschaft sein, doch ich beobachte einen echten Boom im Bausektor: bei der Errichtung von Luftschlössern. Premierministerin Theresa May wird heute in Nordirland eine Rede halten und erläutern, ob sie den neuesten Flügel im Brexit-Traumgebäude für bezugsfertig hält. Der "Malthouse-Kompromiss" soll für die Konservativen alles richten, was zu richten bisher niemandem gelang. Tatsächlich ist es dem Minister für (kein Witz!) Wohnungsbau, Herrn Kit Malthouse, zu verdanken, die bitter verfeindeten Parteifreunde der Lager pro und kontra Brexit an einen Tisch zusammengebracht zu haben. Dort haben die Herrschaften einen Plan geschmiedet, der alle befriedigen und die härteste Nuss des britischen Abgangs knacken soll.

Die Nuss ist "made in Ireland". Zwischen Nordirland und der irischen Republik im Süden darf es keine "harte" Grenze geben, mit Kontrollen und allem drum und dran – darüber sind sich alle einig. Denn sonst könnte in Nordirland der blutige Konflikt wieder aufflammen, in dem sich republikfreundliche Katholiken und probritische Protestanten lange genug das Leben zur Hölle gemacht haben. Keine Grenze also, aber das heißt: Sollten sich Großbritannien und die EU in der Übergangszeit nach dem Brexit nicht auf ein neues Abkommen einigen können, muss Nordirland im gemeinsamen Binnenmarkt bleiben – unbefristet, wenn es sein muss. Und damit die Schlagbäume zum Rest Britanniens nicht komplett heruntergehen, muss auch selbiger Rest wenigstens Teil der europäischen Zollunion sein. Britischer Exit sieht anders aus, und es überrascht nicht, dass die Brexit-Freunde diesen Deal nicht schlucken wollen.

In diesem verfahrenen Moment machen Kit Malthouse und seine Freunde die Wundertüte auf: Wie wäre es, sagen sie, wenn wir Großbritannien und die EU in eine gemeinsame Freihandelszone steckten? Eine ganz einfache? Falls wir keinen anderen, besseren Deal zustande bekommen? Dann brauchen wir keine Grenze. Und damit haben sie recht. Das wäre ein wirklich hervorragender Ansatz ... gewesen, damals, als am 29. März 2017 die Verhandlungen begannen. Aber keine zwei Monate vor dem 29. März 2019, dem Tag des Brexit-Vollzugs, noch schnell Konzept und Details einer Freihandelszone aushandeln? Seien wir freundlich: Es ist ein Traum von einem Plan.

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In der Nacht zum Mittwoch bekommt Donald Trump seinen großen Auftritt, da hält er seine Rede zur Lage der Nation. Der alljährliche Termin ist sogar für ihn etwas Besonderes: Eine volle Stunde lang ruht die ungeteilte Aufmerksamkeit des US-Kongresses, der Fernsehzuschauer im ganzen Land sowie die vieler Beobachter im Ausland auf dem Präsidenten und seinen Plänen fürs kommende Jahr. Was wird der Mann, der nach seinem Shutdown-Fiasko mit dem Rücken zur Wand steht, draus machen? Unser Amerika-Korrespondent Fabian Reinbold erwartet, dass Trumps Berater ihm eine höchst präsidiale Rede mit kompromissbereitem Sound aufgeschrieben haben. Selbst wenn es so kommt: Ein präsidialer Ton, vom Teleprompter abgelesen, hält bei Trump bekanntlich nur bis zum ersten Tweet am nächsten Morgen. Trotzdem sollten wir dem Präsidenten zuhören. Wir wollen ja wissen, was er in der Venezuela-Krise plant und wo er sich Ende des Monats mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un zu treffen gedenkt.

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In Köthen, Sachsen-Anhalt, beginnt heute der Prozess gegen zwei junge Afghanen, denen die Anklage gefährliche Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge vorwirft. Anfang September sollen sie im Streit zunächst einen Mann geschlagen haben. Dann sei der 22-Jährige dazugekommen und habe schlichten wollen. Einer der Angeklagten habe dem 22-Jährigen ins Gesicht geschlagen, so dass dieser zu Boden fiel. Der andere Angeklagte soll ihm dann mindestens einen Fußtritt gegen Oberkörper oder Kopf versetzt haben. Der junge Mann starb wenig später in einer Klinik – und in Köthen gab es mehrere Demonstrationen, an denen auch Hunderte Rechtsextreme teilnahmen.

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Die Berliner Mauer sollte nur noch neun Monate stehen, aber das wusste Chris Gueffroy nicht, als er heute vor 30 Jahren versuchte, aus der DDR zu fliehen. "Das Bewusstsein, dass das lebensgefährlich ist, das war nicht da", erinnert sich ein Bekannter, der dem 20-Jährigen damals half. Gueffroy hatte gehört, der Schießbefehl für die Grenzsoldaten sei aufgehoben worden. War er nicht. Am letzten Zaun wurden er und ein Freund entdeckt und beschossen. Gueffroy starb an Ort und Stelle, er war der vorletzte Tote an der innerdeutschen Grenze. An einem Tag wie heute können wir uns seines Schicksals erinnern. Wir können um 11 Uhr zur Andacht in der Kapelle der Versöhnung in der Bernauer Straße 4 gehen oder um 13 Uhr zur Kranzniederlegung an der Gedenkstele am Britzer Zweigkanal. Oder wir schauen uns die eindrucksvolle Dokumentation an, die Kollegen des RBB gedreht haben. Wir hören Gueffroys Mutter zu, die damals nahe der Todesstelle wohnte und nachts die Schüsse vernahm, ohne zu ahnen, dass sie ihrem Sohn galten. Wir hören seinen Freunden zu, die von den Fluchtvorbereitungen und vom Stasiknast erzählen. Und wir sind dankbar, dass dieses Deutschland Vergangenheit ist.

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WAS LESEN?

Vor fünf Jahren rang ich mich dazu durch, ein neues Smartphone zu kaufen. War teuer, aber toll. Vor drei Jahren brauchte ich dringend ein neues, da ich das alte versehentlich beim Baden in der Nordsee … (ich erspare Ihnen die Details). War noch teurer, aber auch noch toller. Gestern informierte mich mein derzeitiger Apparillo, dass er jetzt bald voll sei, und auch sonst kommt er mir inzwischen etwas gebrechlich vor. Also machte ich mich schlau und fand heraus: Die meisten Modelle sind wirklich toll – aber irre teuer! Warum, zur Hölle, werden Smartphones immer teurer statt billiger? Moment, unsere Digitalredakteurin Laura Stresing müsste das doch eigentlich wissen. Ach, deshalb!

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Aus unserer Kooperation mit dem Magazin "Chrismon" möchte ich Ihnen heute ein besonderes Streitgespräch empfehlen: Es debattieren zwei Herren, beide Christen, beide aus der CDU ausgetreten. Der eine wurde AfD-Funktionär, der andere ist entsetzt vom Menschenbild der AfD. Ist da ein Dialog überhaupt möglich? Lesen Sie selbst.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Die Deutsche Bank steuert durch stürmische Gewässer: Strafzahlungen wegen illegaler Geschäfte, veraltete IT-Strukturen, misstrauische Anleger – da hilft auch der moderate Gewinn kaum, den der neue Chef gerade präsentiert hat. Die Aktie kennt weiter nur eine Richtung: abwärts. Aber es gibt ja Abhilfe, wie unser Cartoonist Mario Lars weiß:

Ich wünsche Ihnen einen gut gelaunten Tag.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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