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Tagesanbruch: Kündigung des INF-Vertrags – Ab jetzt bleiben uns sechs Minuten


Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 04.02.2019Lesedauer: 8 Min.
Eine Explosion einer Atombombe.Vergrößern des Bildes
Eine Explosion einer Atombombe. (Quelle: imago/ Archvibild)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Mitmachen statt mosern: Das ist ein schönes Motto für den Wochenbeginn. Sicher, als Bürger haben wir alle das gute Recht, uns aufzuregen. Über Dieselfahrverbote, das ungerechte Steuersystem, Mietwucher, meinetwegen auch das Fernsehprogramm. Natürlich auch über unfähige Politiker, die nichts auf die Reihe kriegen, weil sie einfach zu doof …

Stopp! So einfach ist es nicht. Ich fange lieber noch mal von vorne an.

Mitmachen statt mosern: Das ist der Kern der gelebten Demokratie, und es ist wichtig, gerade jetzt daran zu erinnern. Selten waren der Ärger und die Frustration über Politiker in der Bevölkerung so groß wie heute. Wer nach den Gründen für den Unmut sucht, findet sie einerseits bei den Amts- und Mandatsträgern in Parlamenten, Ministerien, Behörden. Da gibt es jene, die weniger vom Engagement fürs Allgemeinwohl als vom Engagement für ihre Karriere geleitet zu sein scheinen. Da gibt es auch die wachsende Kluft zwischen den Entscheidern in Berlin und den Menschen draußen im Land.

Aber wo es ein Einerseits gibt, da gibt es auch ein Andererseits. Da gibt es zu viele Menschen draußen im Land, die glauben, ihrer demokratischen Pflicht sei genüge getan, wenn sie alle paar Jahre ihr Kreuzchen machen und ansonsten am Stammtisch, auf Facebook oder in Online-Kommentarforen ihren Unmut kundtun. Wer sich den Furor ansieht, der aus vielen Facebook-Posts spricht, bekommt mitunter den Eindruck, Deutschland bestehe aus einer Ansammlung schlecht gelaunter, fremdenfeindlicher und egoistischer Eigenbrötler. Zugleich fällt die Naivität auf, mit der sich viele Menschen online austoben. Sie scheinen zu vergessen, dass Facebook kein Hort der Meinungsfreiheit ist, sondern eine geschickt getunte Maschine, mit der uns unsere Aufmerksamkeit, unsere Lebenszeit und oft auch unsere Empathie geraubt werden, um sie gegen Werbeanzeigen zu versilbern.

Ein Mensch, der im Jahr 2030 auf das Jahr 2019 zurückblicken würde, würde wohl fassungslos den Kopf darüber schütteln, mit welcher Sorglosigkeit wir unsere privatesten Daten – Fotos, Erlebnisse, Aufenthaltsorte, Freunde, Telefonnummern, Hobbys, Sehnsüchte, Wünsche – einem intransparenten, profitgierigen Konzern in den blauen Rachen geworfen haben, um dafür ein paar Likes und das kurze Dopamin-Glück im Gehirn zu bekommen. Dieser Mensch im Jahr 2030 würde sich wohl auch wundern, warum es EU-Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland zuließen, dass eine autokratische Macht wie Russland mithilfe einer perfiden Social-Media-Strategie ihre demokratische Kultur torpedierten – obwohl sie sogar darüber Bescheid wussten.

Denn wir wissen ja tatsächlich darüber Bescheid. Eine Arbeitsgruppe des Europäischen Auswärtigen Dienstes untersucht fortlaufend, wie von Russland gesteuerte "Medien" und Trolle im Internet Desinformationen verbreiten. Schon mehr als 4.500 Fälle hat sie aufgelistet. In der Sankt Petersburger Trollfabrik mit dem euphemistischen Namen "Internet Research Agency" arbeiten rund 1.000 Aktivisten im Auftrag des Kremls daran, westliche Staaten durch Online-Propaganda zu unterminieren. In den USA waren sie damit außerordentlich erfolgreich; Donald Trump profitierte im Wahlkampf massiv vom Online-Trommelfeuer gegen seine Gegnerin Hillary Clinton. Aber auch Frankreichs Präsident Macron und den Deutschen Bundestag haben die Cyber-Soldaten schon angegriffen.

Die Strategie ist meist dieselbe: Daten werden abgesaugt, Politiker diskreditiert, durch Lügen und verdrehte Fakten wird Misstrauen geschürt, Brüche in westlichen Gesellschaften werden vertieft und soziale Gruppen gegeneinander aufgehetzt, das Vertrauen in etablierte Medien und demokratische Institutionen wird ausgehöhlt – um so die konkurrierenden Staaten zu schwächen. Das Perfide daran: Viele Menschen hierzulande bekommen gar nicht mit, wie sie manipuliert werden. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hat die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt am Wochenende erzählt, wie sie auf Wahl- und Diskussionsveranstaltungen immer wieder mit Verschwörungstheorien und angeblichen "Fakten" konfrontiert wird, die schlicht nicht stimmen. Andere Politiker berichten von ähnlichen Erfahrungen, und sehr oft stammen diese Gerüchte von: Facebook.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Bundeskanzlerin umso bemerkenswerter: Angela Merkel hat ihre Facebook-Seite soeben geschlossen. In einem Video begründet sie ihren Schritt damit, dass sie nicht mehr CDU-Vorsitzende ist. Wer aber weiß, wie kritisch die Aktivitäten des amerikanischen Konzerns inzwischen im Kanzleramt gesehen werden, der ahnt, dass mehr dahintersteckt – und dass Merkels Abschied aus dem sozialen Netzwerk nur die erste von weiteren, womöglich weitaus gravierenderen Maßnahmen gegen Herrn Zuckerbergs Geldmaschine sein könnte. Mehr Kontrolle, mehr Transparenz, mehr Datenschutz, harte Strafen für das Verbreiten von Lügen und Hass, endlich angemessene Steuerzahlungen: All das und mehr wäre bitter nötig. Nicht nur die meisten Bürger, auch die meisten Politiker sind mit Facebook viel zu lange grenzenlos naiv umgegangen.

Moment!, rufen Sie jetzt vielleicht. Würde das Online-Netzwerk strenger reglementiert, wo tun wir dann unsere Meinung kund, wo diskutieren wir, wo schimpfen wir auch mal und sagen, was uns nicht passt? Natürlich sollten wir uns den Mund nicht verbieten lassen, nur weil wir einem kalifornischen Milliardär nicht länger auf den Leim gehen wollen. Aber vielleicht sollten wir unsere Meinung nicht nur in den Computer oder das Smartphone hacken, sondern öfter wieder von Angesicht zu Angesicht äußern. So wie es Bundespräsident Steinmeier mit dem Projekt "Demokratie ganz nah" vormacht, das er am Samstag begonnen hat. Er besucht Orte, wo Menschen bisher selten mit Politik in Berührung kommen, und wirbt dort um demokratische Teilhabe.

Demokratie ist nichts, was wir allein den Politikern in Berlin überlassen können. Sie ist auch niemals fertig. Sie überlebt nur dann, wenn wir alle sie am Leben erhalten, Sie und ich und 82 Millionen andere Bürger. Wenn wir mitreden, mitmachen, uns engagieren. Jeder Einzelne von uns ist gefordert. Mitmachen statt mosern, das kann doch jeder, oder?

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Auf den ersten Blick sieht die Sache einfach aus: Der Narr im Weißen Haus ist wieder einmal aus einem internationalen Vertrag ausgeschert und hat einen Scherbenhaufen hinterlassen. Erst das Klimaschutzabkommen von Paris, dann der Atom-Deal mit dem Iran, jetzt ist es der INF-Vertrag, der Mittelstreckenraketen ächtet. Einziger Trost: So viel ändert sich diesmal nicht. Statt eines immensen Arsenals der nuklearen Vernichtung ohne Mittelstreckenraketen haben wir jetzt bloß ein immenses Arsenal der nuklearen Vernichtung mit Mittelstreckenraketen am Hals.

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Auf den zweiten Blick bleibt von allem, was ich gerade geschrieben habe, nichts übrig. Denn der Narr im Weißen Haus befindet sich in trauter Übereinstimmung mit der Nato. Sie teilt den Vorwurf der USA, Russland habe den Vertrag gebrochen und einen neuen Typ von Mittelstreckenraketen entwickelt und auch bereits stationiert. An der Sinnhaftigkeit des INF-Vertrages gibt es auch unabhängig davon Kritik. Denn es handelt sich dabei um ein Relikt des Kalten Krieges, das nur Russland und den USA die Hände gebunden hat – nicht aber China und anderen Staaten.

Erwartungsgemäß erklärt Wladimir Putin, seine neuen Marschflugkörper mit dem sperrigen Namen 9M729 würden den Vertrag nicht verletzen. Man kann das getrost als Heuchelei abtun. Zugleich aber wirft der Kreml den USA vor, mit Raketenabwehrsystemen die sensible Balance des Schreckens in Schieflage zu bringen. Und tatsächlich hat der Abwehrschild den USA einen Vorteil verschafft. Dessen Errichtung in Osteuropa muss aus russischer Sicht bedrohlich erscheinen. Mit 9M729 erhält die Nato nun die Quittung.

Grund genug, fatalistisch mit den Schultern zu zucken und den neuen Kurs zu noch mehr Atomwaffen zu akzeptieren? Mitnichten. Wegen der sechs Minuten. So kurz ist die Vorwarnzeit bei dieser Waffenart. Bei einer solchen Frist gibt es keine Chance zur Korrektur von Fehlalarmen – ein Albtraumszenario in Zeiten eskalierender Spannungen zwischen Ost und West. Solange Trump in Washington und Putin in Moskau das Sagen haben, wird am Albtraum kaum etwas zu ändern sein. Doch die europäische Politik kann sich schon jetzt um eine geeinte Position bemühen und die Grundlagen für die Zeit danach legen. Denn einen neuen Vertrag werden wir dringend brauchen. Einen Vertrag zum Schutz vor Wolken – in Pilzform.

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Zum Start in den Tag noch etwas behelmten Hochleistungssport – obwohl, schön war es ja nicht, das Super-Bowl-Endspiel zwischen den New England Patriots und den Los Angeles Rams. Spannend war die Abwehrschlacht aber auf jeden Fall. Am Ende gewannen die "Pats" ihren sechsten Meistertitel. Mein Kollege David Digili hat sich das geschichtsträchtige Endspiel angeschaut (und teilweise angetan). Seinen Spielbericht finden Sie hier.


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WAS STEHT AN?

Zwei Länder, zwei Verkehrsminister: Der eine macht sich über Stickoxid-Messstationen lustig und meint, wer saubere Atemluft fordert, wolle in Wahrheit unsere Autoindustrie kaputt machen. Sein Name ist Andreas Scheuer und er residiert in Berlin. Wer so denkt wie Herr Scheuer, verpasst enorme Chancen, hält sein Amtskollege aus Luxemburg dagegen. Sein Name ist François Bausch und er sagt: Deutschland müsse gar nicht zwangsläufig das Land der nervigen Fahrverbote sein, sondern könne als Vorreiter einer modernen Mobilität aus der Abgaskrise hervorgehen. Dafür allerdings müsste sich in Deutschland einiges ändern. Was genau, das erklärt Minister Bausch heute Morgen im Gespräch mit meinem Kollegen Markus Abrahamczyk.

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Angela Merkel reist heute nach Tokio. Nachdem Japan und die EU gerade die größte Freihandelszone der Welt geschaffen haben, will sie mit Ministerpräsident Shinzo Abe vor allem über Wirtschaftsfragen sprechen. Begleitet wird die Bundeskanzlerin von deutschen Unternehmensbossen – und vom "Wirtschaftswoche"-Kollegen Sven Böll, der bestimmt berichten wird.

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Papst Franziskus weilt heute in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es ist der erste Besuch eines Papstes auf der arabischen Halbinsel.

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Anlässlich des Weltkrebstags veröffentlicht das Statistische Bundesamt heute aktuelle Krankheitszahlen. Auf dem Deutschen Krebsforschungskongress in Heidelberg geht es zeitgleich um neue Forschungsergebnisse und Behandlungsmethoden. Wer sich mit Tumorerkrankungen beschäftigt, weiß, wie wichtig es ist, die Symptome rechtzeitig zu erkennen – denn je früher man sie behandelt, desto größer sind die Heilungschancen. Deshalb empfehle ich Ihnen diesen Artikel unseres Gesundheitsteams: Er erklärt, auf welche Warnsignale Ihres Körpers Sie achten sollten.

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WAS LESEN?

Mit großen Worten soll man vorsichtig sein, aber im Falle Greta Thunbergs sind sie angebracht: Die 16-jährige Schwedin hat die Welt aufgerüttelt. Zumindest jene Menschen, die den Klimawandel weder für Quatsch noch für unausweichlich halten, sondern sich ernsthaft darum sorgen, wie – nein: ob! – künftige Generationen noch sicher und gesund auf unserer Erde leben können. Spätestens, seitdem Thunberg auf der letzten Klimakonferenz gesprochen und anschließend auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos den versammelten Staatenlenkern ins Gewissen geredet hat, sehen viele Menschen in ihr ein Vorbild. Andere hingegen sehen in ihr eine verwöhnte Göre, die sich von dubiosen Umweltaktivisten instrumentalisieren lasse – und überziehen sie im Internet mit Schmähungen und Hass. Greta Thunberg wäre nicht Greta Thunberg, würde sie diese Böswilligkeiten auf sich sitzen lassen. Stattdessen hat sie sie beantwortet. Und wie!

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Als Thomas Doll zuletzt in der Bundesliga als Trainer arbeitete, war RB Leipzig noch nicht gegründet, Hoffenheim noch nicht erstklassig, und Hansa Rostock stieg gerade ab. Nach zehneinhalb Jahren und Stationen in der Türkei und Ungarn ist der Coach nun zurück und trainiert den Tabellenletzten Hannover 96. Die Wiedersehensfreude hielt sich jedoch in Grenzen: Zum Start gab es ein verdrießliches 0:3 gegen Leipzig. Dabei soll Doll Hannover doch vor dem Abstieg retten. Ist das überhaupt noch möglich? Eine Steilvorlage für unseren "Zweikampf der Woche".

Ich wünsche Ihnen einen optimistischen Tag. Denken Sie an das Motto: Mitmachen statt mosern!

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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