Ehemalige SPD-Chefin Nahles könnte in neuem Job Hartz IV abschaffen
Andrea Nahles ist die neue Chefin der Bundesagentur für Arbeit. Die SPD-Politikerin könnte dort ihr Herzensprojekt realisieren.
Als sie noch SPD-Chefin war, schien Andrea Nahles die Krisen nur so anzuziehen – in ihrem am 1. August offiziell startenden neuen Job als Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) erwarten Nahles zu Beginn ebenfalls Herausforderungen. Die kommenden Monate wird die Zahl der Arbeitslosen steigen, weil die Flüchtlinge aus der Ukraine in der Statistik auftauchen. Dazu kommen die drohenden Auswirkungen der Energiekrise auf die Wirtschaft und der Fachkräftemangel.
Dass die 52 Jahre alte Nahles sich von den Problemen aus der Ruhe bringen lässt, ist angesichts ihrer Stärke aus mehr als 20 Jahren als Berufspolitikerin nicht zu erwarten. Die vor ihr liegenden Herausforderungen treffen sie auch nicht unvorbereitet. Nahles hat schon im Mai den Dienst in der Behörde angetreten, die mit ihren 101.000 Mitarbeitern eine herausragende Stellung im deutschen Behördenapparat einnimmt. Bisher konnte sie sich von ihrem Vorgänger Detlef Scheele im Hintergrund einarbeiten lassen. Erst jetzt muss sie selbst in den Vordergrund treten.
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Nahles hat dabei den Vorteil, als frühere Bundesarbeitsministerin mit den Strukturen der BA bestens vertraut zu sein. Die neue BA-Chefin, in Mendig in der Eifel geboren, war von 2013 bis 2017 Bundesarbeitsministerin. In ihrer politischen Karriere war dies ihre erfolgreichste Phase.
Sie gilt als durchsetzungsstark
Nahles galt allgemein als anerkannt und durchsetzungsstark. Viele Elemente ihrer Amtszeit tragen bis heute: Sie führte den Mindestlohn ein, sorgte für Verbesserungen bei Leiharbeit und Werksverträgen, boxte das Tarifeinheitsgesetz durch und die Ost-West-Rentenangleichung bis 2025.
Auch die Rente mit 63 stammt aus Nahles' Amtszeit. Die Regelung wurde allerdings so erfolgreich, dass es weit mehr Anträge als die erwarteten 200.000 pro Jahr gibt und die Rente damit teurer geworden ist als prognostiziert.
Obwohl Nahles in ihrer Amtszeit klassische sozialdemokratische Themen umsetzte, rutschte die SPD bei der Bundestagswahl 2017 auf ein historisch schlechtes Wahlergebnis. Zunächst schien Nahles davon zu profitieren. Die Frau, die als Juso-Vorsitzende Furore machte, dann 1998 in den Bundestag einzog, 2009 erste Generalsekretärin der SPD und 2013 Ministerin wurde, übernahm nach der Wahl den Posten der SPD-Fraktionschefin.
2018 Parteichefin der SPD
Eigentlich wollte die Parteilinke die SPD 2017 in die Opposition führen – doch nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition ging die SPD eine weitere große Koalition ein und machte Nahles im Frühjahr 2018 zur Parteichefin.
Was folgte, waren äußerst unglückliche Monate mit einer erneuten Wahlpleite bei der Europawahl 2019 und immer neuen parteiinternen Angriffen auf die Vorsitzende. Deren politische Laufbahn war damit im Juni 2019 auf einmal vorbei – entnervt von ständigen Querschüssen trat Nahles von allen Ämtern zurück und gab ein paar Monate später auch ihr Bundestagsmandat ab.
Die Literaturwissenschaftlerin und alleinerziehende Mutter einer Tochter verschwand zwar aus der Politik, wurde aber nicht arbeitslos. Am 1. August 2020 wurde sie Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation und konnte Erfahrungen in der Leitung einer Bundesbehörde machen.
Pläne noch nicht bekannt
Was sie jetzt bei der Bundesagentur für Pläne hat, hat sie noch nicht verraten. Da sie sowohl mit Bundeskanzler Olaf Scholz als auch mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) bestens vertraut ist, dürfte sie ganz auf deren Linie agieren.
So ist es vermutlich kein Zufall, dass Heil nur wenige Tage vor Nahles' offiziellem Dienstantritt den Entwurf seines Bürgergelds vorlegte, das Hartz IV ablösen soll. Die Idee zum Bürgergeld hatte Nahles selbst 2019 wenige Monate vor ihrem Scheitern als SPD-Chefin vorgelegt. Hartz IV abzuschaffen, war ihr Herzensprojekt. Jetzt kann Nahles als Behördenchefin in die Praxis umsetzen, was sie als Politikerin nicht mehr anpacken konnte.
- Nachrichtenagentur AFP