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Ein Problem, das noch nicht alle in der CDU verstanden haben


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Ein Problem, das die CDU noch viele Stimmen kosten könnte

Von Michael Freckmann

Aktualisiert am 27.12.2021Lesedauer: 4 Min.
Christina Stumpp (l) und Friedrich Merz (r): Die CDU-Politikerin soll Stellvertretende Generalsekretärin werden.Vergrößern des Bildes
Christina Stumpp (l.) und Friedrich Merz (r.): Die CDU-Politikerin soll Stellvertretende Generalsekretärin werden. (Quelle: Jens Schicke/imago-images-bilder)

Der Anteil der Frauen ist in der CDU relativ gering. An der Spitze tauscht im Januar ein Mann gegen einen Mann. Das sorgt bei weiblichen Mitgliedern für Unmut – oder?

Mit Friedrich Merz steht wieder ein Mann an der Spitze der CDU. Sein zukünftiger Generalsekretär wird ebenfalls ein Mann sein. Der Posten der stellvertretenden Generalsekretärin musste erst erfunden werden, um auch einer weiteren Frau in der Führung einen Posten anzubieten. Doch wie eine Studie zeigt, ist unter weiblichen CDU-Mitgliedern deutliche Unzufriedenheit über ihre Rolle in der Partei zu spüren. Vor welchen Problemen steht die CDU, wenn Merz sein Amt im Januar antritt?

Die 20 Jahre von Angela Merkel im Parteivorsitz haben lange verdeckt, dass die CDU überwiegend eine Männerpartei ist. Der Frauenanteil innerhalb der Mitgliedschaft ist mit 26,5 Prozent relativ niedrig. Er ist zwar knapp höher als bei FDP, AfD oder CSU, doch bei den Grünen liegt er bei 41 Prozent. In den 15 CDU-Landesverbänden gibt es nach Julia Klöckners Rückzug vom Vorsitz in Rheinland-Pfalz keine Chefin einer Landespartei.

Quorum in der CDU von 30 Prozent Frauenanteil

Dieses Thema wurde in der Partei schon lange angemahnt, nicht zuletzt über viele Jahre von der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth oder von der Frauen-Union innerhalb der Partei. Vorreiter auf diesem Gebiet waren immer die Grünen mit ihrem "Frauenstatut", nach dem alle Gremien mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt sein müssen. Legendär ist auch das grüne "Feminat" aus dem Jahr 1984, ein nur aus Frauen zusammengesetzter Fraktionsvorstand. Bei der CDU gibt es lediglich ein Quorum von 30 Prozent Frauenanteil. Wird dies bei einer Wahl auch in einem zweiten Wahlgang nicht erreicht, gilt das Ergebnis trotzdem.

Bei all den Diskussionen zu diesem Thema geriet lange die Perspektive der Frauen in der CDU selbst aus dem Blick. Die "Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin" hat zusammen mit dem Institut für Demoskopie Allensbach eine Umfrage unter weiblichen Parteimitgliedern durchgeführt.

Wenn es darum geht, wie die Frauen in den Unionsparteien ihre eigenen Aufstiegschancen sehen, dann werden ihre Aussichten, je höher die politische Ebene wird, immer düsterer. Für die kommunale Ebene denken noch 49 Prozent der Christdemokratinnen, dass sie gleich große Chancen haben, wie ihre männlichen Kollegen in der Partei aufzusteigen. Auf der Landesebene sehen dies nur noch 32 Prozent so, auf Bundesebene lediglich 27 Prozent.

Im Kontrast dazu liegt das Vertrauen in gleich gute Chancen von Frauen und Männern unter weiblichen Mitgliedern der Grünen auf allen drei politischen Ebenen konstant bei über 60 Prozent.

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Problemwahrnehmung unterscheidet sich erheblich

Aufschlussreich ist ebenso, wie Männer und Frauen in der Partei ihre eigenen und die Chancen des anderen Geschlechts bewerten. Es sind in den Unionsparteien deutlich mehr Männer als Frauen der Ansicht, dass beide Geschlechter die gleichen Chancen für einen Aufstieg in der Partei haben. Während über 56 Prozent der Frauen glauben, dass Männer bessere Aufstiegschancen in der Partei haben, denken dies gerade einmal 15 Prozent der Männer über sich selbst.

Demgegenüber glauben 34 Prozent der Männer, dass Frauen in ihrer Partei sogar über bessere Chancen verfügen als sie selbst. Unter den christdemokratischen Frauen denken dies gerade einmal verschwindend geringe 1,9 Prozent.

Je nach weiblicher oder männlicher Perspektive in der Partei unterscheidet sich somit die Problemwahrnehmung erheblich. So sind viele Männer offensichtlich der Ansicht, dass die Chancen für Frauen in der CDU bereits aktuell gar nicht so schlecht sind. Entsprechend gering dürfte in ihren Augen auch der Reformbedarf sein.

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Ist eine Quote gar nicht nötig?

Immerhin glauben 61 Prozent der weiblichen CDU-Mitglieder, dass sich die eigene Partei stark darum bemüht, dieses Problem zu lösen. Damit hegen sie aber weit weniger Zuversicht als die Frauen bei SPD (88 Prozent) und Grünen (96 Prozent). Während unter Politikerinnen aller Parteien 72 Prozent eine feste Quote gut fänden, stimmen dem mit 46 Prozent weniger als die Hälfte der weiblichen CDU-Mitglieder zu.

So spiegelt sich in der CDU eine Debatte wider, die in der Gesamtgesellschaft zu diesem Thema ebenso geführt wird: Sollen mehr Frauen vor allem über die Basis in die Partei gelangen und dann aufsteigen, sodass eine Quote gar nicht nötig ist? Oder sollen Frauen per Quote an die Spitze kommen, damit dies genügend andere Frauen nach sich zieht, was dann die Quote überflüssig machen würde?

Zusätzliche Mentoringprogramme für Frauen

Jenseits dieser Fragen zeigt sich, dass eine solche Quote allein kaum das ganze Problem löst. Die Studienautorinnen Helga Lukoschat und Renate Köcher betonen, dass in Parteien die Sitzungszeiten mit Familienbedürfnissen und beruflichen Aufgaben besser vereinbar sein müssen.

Zentral seien zudem besser funktionierende Netzwerke für Frauen untereinander, da sie auf diesem Gebiet gegenüber ihren männlichen Kollegen nach wie vor das Nachsehen haben würden. Sie empfehlen zusätzlich Mentoringprogramme für Frauen und schließlich die Förderung einer parteiinternen Kultur der gegenseitigen Wertschätzung und Sensibilität gegenüber potenzieller Diskriminierung von Frauen.

Der neue CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat angekündigt, mehr Frauen in die Parteiführung zu holen. Manch ein Mitglied gab ihm bei seiner Wahl allerdings auch die Stimme in der Hoffnung auf eine Rückbesinnung auf die alte CDU, auf das Erfolgsmodell vergangener Tage.

CDU muss auch ältere Frauen bewegen

So wird es dann wohl auch nicht reichen, einigen wenigen Frauen Ämter in den ersten Reihen anzubieten. Die CDU darf sich überdies nicht damit begnügen, vorrangig junge Frauen aus Großstädten anzusprechen. Sie muss aufgrund ihrer Wählerstruktur ebenso ältere Frauen und Frauen aus dem ländlichen Raum zur Mitarbeit bewegen.

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Darüber hinaus geht es auch um die Reform der Sitzungsorganisation und von Beteiligungsformaten, um Sensibilisierung im gegenseitigen Umgang im Parteialltag und nicht zuletzt darum, vielen Männern in der Partei das Problem bewusst zu machen.

Das Selbstverständnis der CDU als Volkspartei steht infolge des Wahlergebnisses bei der Bundestagswahl aktuell ohnehin auf der Kippe. Sie sieht sich bürgerlich gewordenen Grünen sowie einer SPD unter Olaf Scholz gegenüber, während bei jungen Menschen die parteiliche Prägung durch das Elternhaus nachgelassen hat, ein kirchlicher Hintergrund nicht mehr zwingend zum CDU-Eintritt führt und die Gegensätze zwischen den Parteien insgesamt verschwimmen.

So gesehen ist das Problem für die Partei eigentlich ein besonders drängendes – zumindest dann, wenn sie auch künftig in der Mitte erfolgreich sein will.

Verwendete Quellen
  • Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin
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