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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Grünen Parteiausschluss von Boris Palmer zieht sich hin
Die Grünen wollten ihn loswerden – auch damit der Wahlkampf nicht überschattet wird. Doch der Parteiausschluss gegen Boris Palmer lässt auf sich warten.
Der umstrittene Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer wird noch eine ganze Weile Mitglied der Grünen bleiben. Nach dem Beschluss des Parteitags der Grünen in Baden-Württemberg aus dem vergangenen Mai, einen Parteiausschluss einzuleiten, sind bisher keine weiteren formalen Schritte des Verfahrens abgeschlossen worden.
"Derzeit bereitet der Landesvorstand den Antrag an das zuständige Schiedsgericht vor", teilte eine Sprecherin der Grünen Baden-Württemberg t-online auf Anfrage mit. "Die Vorbereitungen sind aufwendig und zeitintensiv und können noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen."
Vor der Bundestagswahl am 26. September wird es somit offensichtlich nichts mit dem Parteiausschluss. Zugleich bleiben die Grünen wohl bis dahin auch von weiteren Schlagzeilen zum Verfahren verschont.
"Es gibt kein laufendes Parteiausschlussverfahren"
Boris Palmer selbst hatte zuletzt auf Facebook geschrieben, weder ihm selbst noch seinem Rechtsanwalt sei bislang irgendein Dokument zugestellt worden, das eine Eröffnung eines Verfahrens bedeuten könne: "Es gibt kein laufendes Parteiausschlussverfahren gegen mich, nur eine Ankündigung desselben."
Der polarisierende Tübinger Oberbürgermeister hatte Anfang Mai in einem Facebook-Kommentar über den früheren Nationalspieler Aogo, der einen nigerianischen Vater hat, das sogenannte N-Wort benutzt. Mit diesem Begriff wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.
Palmer betonte damals, seine Äußerung sei ironisch gemeint gewesen. Es war jedoch längst nicht die erste Äußerung Palmers, die bei vielen Grünen auf Empörung stieß.
Parteispitze war alarmiert
Zu diesem Zeitpunkt im Mai hatte die Nominierung der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock die Grünen gerade in neue Umfragehöhen katapultiert. Das Kanzleramt schien damals tatsächlich ein erreichbares Ziel. Entsprechend ernst nahmen die Parteispitze und Baerbock den erneuten Eklat. Die Parteispitze nahm Kontakt zu Palmer auf, und die Kanzlerkandidatin schaltete sich höchstpersönlich ein.
Die Äußerung sei "rassistisch und abstoßend", schrieb Baerbock in einem Statement. "Sich nachträglich auf Ironie zu berufen, macht es nicht ungeschehen." Die Sache "reiht sich ein in immer neue Provokationen, die Menschen ausgrenzen und verletzen". Palmer habe "unsere politische Unterstützung verloren".
Anfang Mai stimmte die Landesdelegiertenkonferenz der Grünen deshalb für ein Parteiordnungsverfahren gegen Palmer und beauftragte den Landesvorstand damit, es zu führen. Die erste Instanz des Verfahrens ist dabei laut Grünen die Kreisschiedskommission Tübingen. "Nach unserem Kenntnisstand ist die Kreisschiedskommission bereit, sich des Verfahrens anzunehmen, sobald der Antrag des Landesvorstandes eingereicht wird", hieß es von den Landesgrünen.
Da Palmer jedoch von Beginn an angekündigt hatte, sich gegen den Rauswurf verteidigen zu wollen, dürfte er gegen ein mögliches negatives Urteil in Berufung gehen. "Eine Berufung zur Entscheidung ist beim Landesschiedsgericht möglich", teilte eine Grünen-Sprecherin mit.
Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein
Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Palmer war vergangene Woche eingestellt worden. Nach einer umfassenden rechtlichen Prüfung liege eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung nicht vor, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Tübingen mit.
Kritik oder Diskussionsbeiträge dürften auch polemisch, pointiert oder überspitzt vorgebracht werden, hieß es zur Begründung. In der Äußerung Palmers liege weder ein "Aufstacheln zum Hass" noch ein "Angriff auf die Menschenwürde" im Sinne des Strafgesetzbuches.
Es gab laut Staatsanwaltschaft insgesamt drei Strafanzeigen wegen Volksverhetzung und Beleidigung gegen Palmer. Der Betroffene selbst hat demnach keinen Strafantrag gestellt.
- Eigene Recherchen
- Aktueller Facebook-Beitrag von Palmer zum Verfahren
- Stellungnahme von Baerbock auf Twitter
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa