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Werteunion-Chef Mitsch: "Viele Menschen wählen AfD, weil sie enttäuscht sind"


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Werteunion-Chef
"Viele Menschen wählen AfD, weil sie enttäuscht sind"


Aktualisiert am 12.02.2020Lesedauer: 5 Min.
Alexander Mitsch (Archivbild): Der Vorsitzende der Werteunion ärgert sich über die Beleidigungen, die CDU-Politiker zuletzt gegen seine Gruppe äußerten.Vergrößern des Bildes
Alexander Mitsch (Archivbild): Der Vorsitzende der Werteunion ärgert sich über die Beleidigungen, die CDU-Politiker zuletzt gegen seine Gruppe äußerten. (Quelle: Uwe Anspach)
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Eigentlich ist die Werteunion nur eine kleine Gruppe – trotzdem sorgt sie für großen Ärger in der CDU. Im Interview mit t-online.de erklärt der Vorsitzende der Werteunion, Alexander Mitsch, wohin die Gruppe die Partei führen will.

Es bebt in der CDU – nicht erst, seitdem die Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag ihren Rücktritt ankündigte. Und aktuell steht die sogenannte Werteunion im Fokus. Mit einem "Krebsgeschwür" verglich der langjährige EU-Abgeordnete und Merkel-Vertraute Elmar Brok die Werteunion am Montag, der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans sagte einen Tag später: "Ein Bekenntnis zur Werteunion ist eine Beleidigung für alle CDU-Mitglieder."

Die Werteunion gilt als erzkonservativer, CDU-naher Verein: In ihrem "Konservativen Manifest" schreibt die Gruppe über "Masseneinwanderung", bekennt sich zu "Heimat und ihren Traditionen" und erwartet "von Migranten, dass sie sich nicht nur integrieren, sondern assimilieren". Eines der prominentesten Gesichter des Vereins ist Hans-Georg Maaßen, der 2018 als Chef des Verfassungsschutzes zurücktreten musste, nachdem er angezweifelt hatte, ob es bei den rechten Protesten in Chemnitz wirklich zu Hetzjagden auf einzelne Menschen gekommen war.

Trotz ihrer überschaubaren Größe von rund 4.000 Mitgliedern wird im Vorsitz der CDU um den richtigen Umgang mit der erzkonservativen Gruppe gerungen. Im Vorstand wird gestritten, ob man sich gen Werteunion öffnen soll oder nicht. In der Auseinandersetzung spiegelt sich ein Symptom für einen größeren Konflikt der Partei: Wohin geht es für die CDU – nach links oder nach rechts? Der ultrakonservative Verein spaltet die Partei.

Vorsitzender der Werteunion ist Alexander Mitsch. Laut einem Bericht der "Tagesschau" unterstützte Mitsch die AfD 2016 zwei Mal mit Geldspenden. Inzwischen grenzt er sich von der Partei ab und versucht stattdessen, mit der Werteunion die Politik der Union zu verändern. Im Interview mit t-online.de erklärt Mitsch, wie es mit der CDU seiner Meinung weitergehen sollte – und fordert eine Mitgliederbefragung bei der jetzt anstehenden Kandidatenkür der CDU.

t-online.de: Herr Mitsch, Ihre Werteunion wird aktuell in CDU-Führungskreisen als "Krebsgeschwür” bezeichnet. Wie finden Sie das?

Alexander Mitsch: Man muss doch miteinander reden können, ohne persönlich beleidigend zu werden – und das sind solche Begriffe definitiv. Das ist keine Umgangsform in einer christlichen Partei. Die CDU und die CSU haben in den letzten Jahren viele Konservative und Wirtschaftsliberale verloren, es braucht die Werteunion. Mir schreiben viele Menschen, dass sie nur wegen des Bestehens der Werteunion noch die CDU wählen können! Deshalb bieten wir unseren Kritikern wie Herrn Hans an, in einem vernünftigen Dialog die Differenzen auszuräumen.

Was ist aus Ihrer Sicht der Grund, weshalb in der CDU im Moment so intensiv über die Werteunion gestritten wird?

Sehen Sie: Denjenigen, die die CDU nach links öffnen wollen, stehen wir als Werteunion im Weg. Wir werden deshalb jetzt so scharf attackiert, weil einige die innerparteilichen Positionen verschieben wollen – beispielsweise eine Öffnung zur Linkspartei bevorzugen. Das ist mit uns als Werteunion nicht zu machen, wir lehnen jede Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei strikt ab. Das erwarten wir auch von anderen. In der Union ist einfach vieles in Unruhe geraten, nachdem Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug angekündigt hat.

War dieser angekündigte Rückzug denn richtig?

Ich schätze sie sehr dafür, dass sie ihre persönlichen Karriereambitionen zugunsten der Partei hinten angestellt hat. Die CDU muss sich jetzt von Merkel emanzipieren. Das war übrigens auch das Problem von AKK: Sie konnte die Partei nicht aus der Umklammerung von Angela Merkel lösen und geriet in den Abwärtssog der Groko.

Worauf kommt es im Wahlprozess bei der Suche nach dem nächsten Parteivorsitzenden jetzt an?

Die Union hat nicht die Zeit für eine Hängepartie. Wir sollten uns relativ schnell über das Verfahren klar werden …

... was heißt das konkret – ist der Plan von Kramp-Karrenbauer, bis zum Sommer einen Kanzlerkandidaten zu bestimmen, realistisch?

Das sollten wir uns vornehmen. Dabei sollten die Mitglieder mit einbezogen werden.

Nun hat genau darüber der Parteitag 2019 ja entschieden: Noch vor knapp drei Monaten haben die Delegierten einen Mitgliederentscheid, wie ihn die Junge Union gefordert hat, abgelehnt.

Wir haben jetzt aber eine neue Situation. Im Dezember 2019, als es diesen Parteitagsbeschluss gab, hat niemand damit gerechnet, dass die Parteichefin zurücktreten wird. Wir sollten jetzt noch mal darüber nachdenken, ob wir in dieser Situation nicht doch eine neue Methode wählen. Es braucht auch gar keinen Mitgliederentscheid, aber zumindest eine Befragung, das könnte die Mitglieder mitnehmen.

Sie haben ja bereits in der Vergangenheit für einen Parteivorsitz von Friedrich Merz geworben. Halten Sie daran fest?

Wichtiger als die Person sollte die inhaltliche Positionierung sein: Wir müssen klarmachen, dass wir die Probleme der Menschen in Deutschland lösen. Es gibt viele Menschen, die wählen die AfD nicht, weil sie Rassisten oder rechtsradikal sind, sondern weil sie enttäuscht sind von der Politik. Die gilt es abzuholen – deshalb ist eine neue Positionierung der Partei wichtiger als die Personalie.

Ihr Wunschkandidat ist aber schon noch Friedrich Merz?

Wie gesagt: Ich halte es für wichtiger, dass wir über die Inhalte reden. Aber ja: Herr Merz ist neben Jens Spahn einer der geeigneten Kandidaten dafür.

Was meinen Sie konkret mit "neuen Inhalten" für die CDU?

Es sind ganz wesentlich zwei Punkte: Wir brauchen mehr wirtschaftliche Freiheit, aktuell leben wir in einem ausufernden Sozialstaat, der munter das Geld umverteilt. Es braucht jetzt Steuer- und Abgabensenkungen. Das zweite Thema ist die Begrenzung der Einwanderung. Es kommen zu viele Menschen immer noch ungesteuert in die Bundesrepublik.

Die Einwanderung geht stark zurück in den letzten Jahren. Ist das wirklich ein Thema, mit dem sich mehr Wähler für die CDU gewinnen lassen?

2015 kamen knapp eine Million Zuwanderer nach Deutschland. In den Jahren 2016 und 2017 ging diese enorm hohe Zahl glücklicherweise zurück. Aber seit dem Jahr 2018 kommen jedes Jahr 200.000 Einwanderer ungesteuert nach Deutschland – das sind so viele Menschen wie in Kassel leben. Viele verstärken bestehende Probleme zusätzlich. Das besorgt die Menschen und treibt sie zu radikalen Parteien.

Von welchen Problemen sprechen Sie?

Es ist in vielen Bereichen leider nicht gelungen, alle Zuwanderer wirklich zu integrieren. Die Hälfte der hier lebenden türkischstämmigen Moslems – so sagen es Umfragen – erklären, dass ihnen die Scharia wichtiger ist als das Grundgesetz. Das birgt gesellschaftliche Gefahren.

Sie meinen eine Umfrage aus dem Jahr 2016: Darin erklärten 47 Prozent der zugewanderten Menschen aus der Türkei, dass ihnen die Befolgung der Gebote ihrer Religion wichtiger ist als die Gesetze des Staates, in dem sie leben. Übertreiben Sie da mit ihrer Aussage nicht ein wenig?

Die bestehenden Probleme werden wir nicht dadurch lösen, dass wir noch mehr ungesteuerte Zuwanderung zulassen. Wir brauchen eine Begrenzung, um die Integration in den Griff zu bekommen, bevor wir weitere Zuwanderung zulassen. Das muss die CDU jetzt angehen und den angestrebten Wechsel an der Spitze für eine neue Positionierung nutzen.

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Die Union soll jetzt also ein gutes Stück nach rechts rücken, um wieder mehr Menschen zu überzeugen?

Nein, das hat nichts mit rechts oder links zu tun. Wir müssen auch Konservativen und Wirtschaftsliberalen eine Heimat in der Union geben. Das Thema Steuersenkung ist ein wirtschaftsliberales und kein rechtes Thema. In diesem Land sicher fühlen wollen wir uns alle. Selbst die meisten Wähler der Grünen wollen unsere westlich-freiheitliche Gesellschaft langfristig erhalten. Das erfordert aber beherztes Handeln des Staates.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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