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CDU und CSU in der Krise: Seehofer der "Erzfeind in der eigenen Regierung"


Pressestimmen zur Regierungskrise
"Der Erzfeind innerhalb der eigenen Regierung"

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 02.07.2018Lesedauer: 3 Min.
Horst Seehofer tritt nach der Sondersitzung des CSU-Vorstands vor die Presse: Ein Rücktritt des Innenminister hätte unabsehbare Folgen für die deutsche Politik, ist sich die internationale Presse einig.Vergrößern des Bildes
Horst Seehofer tritt nach der Sondersitzung des CSU-Vorstands vor die Presse: Ein Rücktritt des Innenminister hätte unabsehbare Folgen für die deutsche Politik, ist sich die internationale Presse einig. (Quelle: Peter Kneffel/dpa-bilder)
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Die Union streitet weiter um die Asylpolitik. Tritt Innenminister Seehofer nun zurück oder nicht? Für einige Medien wäre das eine Atempause für Kanzlerin Merkel – für andere ihr Ende.

Ein Rücktritt des CSU-Chefs und Innenministers Horst Seehofer wäre für den Londoner "Guardian" eine kurze Atempause für Kanzlerin Angela Merkel: "Denn damit würde ein Politiker verschwinden, der seit seinem Amtsantritt als Innenminister zu ihrem Erzfeind innerhalb der eigenen Regierung geworden ist. Wenn aber nach Seehofers Ausscheiden sein Nachfolger einen ähnlich konfrontativen Ansatz verfolgen würde, könnte dies ein Ende der historischen Allianz von Merkels CDU mit der bayerischen CSU bedeuten. Das würde für die Koalitionsregierung der Kanzlerin das faktische Aus bedeuten."


Die konservative französische Tageszeitung "Le Figaro" sieht in der deutschen Regierungskrise ein Spiegelbild der französischen Verhältnisse: "Es ist, als ob der Pessimismus und die Selbst-Schlechtmacherei den Rhein überquert hätten. In diesen Tagen tauchen in der deutschen Presse immer mehr Titelseiten auf, deren Tonfall uns (Franzosen) bekannt vorkommt. Da ist zum Beispiel der "Spiegel" von diesem Wochenende mit einer Titelseite, auf der die Farben der (deutschen) Nationalflagge traurig verlaufen. Dazu dieser Titel: "Es war einmal ein starkes Land", und die drei Schlüsselwörter "Fußball", "Wirtschaft", "Politik".

"Existenzbedrohender Kamikaze-Konflikt"

Für t-online.de-Chefredakteur Florian Harms ist der dramatische Showdown zwischen CDU und CSU auch ein Schauspiel: "In der CSU regiert die blanke Angst vor einer krachenden Niederlage bei der Bayernwahl im Herbst; jede Stichelei der AfD, jedes neue Umfragetief lässt die Parteioberen aufjaulen wie ein verwundetes Wild. Weil bisher kein Abwehrmanöver hilft – nicht das Kruzifix, nicht der Geldsegen, nicht das Polizeigesetz – fährt die CSU in der Flüchtlingspolitik einen Scharf-rechts-Kurs, um der AfD keine Angriffsfläche mehr zu bieten. Dazu gehören das öffentliche Drama, die Donnerschläge, das demonstrative Mit-sich-Ringen des Parteivorsitzenden. Die Botschaft an die Wähler soll sein: Wir machen es uns nicht leicht, wir quälen uns, wir ringen um die Sache. Um die geht es in Wahrheit aber kaum noch. Asylstreit ist ein viel zu kleines Wort für den offenen Kampf in der Union. Die in den vergangenen Jahren stabilste politische Kraft Deutschlands, die außer der Kanzlerin zahlreiche Ministerpräsidenten und überall im Land Abgeordnete, Landräte, Bürgermeister stellt, die so eng wie keine andere Partei mit Dax-Konzernen und mittelständischen Betrieben verbandelt ist – diese politische Kraft leistet sich einen existenzbedrohenden Kamikaze-Konflikt."

Die belgische Zeitung "De Tijd" fordert endlich Klarheit von der deutschen Politik: "Solange es der deutschen Regierung nicht gelingt, die interne Debatte über den Umgang mit der Migrationsproblematik beizulegen, bleibt es schwierig, an einer europäischen Lösung zu arbeiten. Deutschland muss rasch für Klarheit sorgen. Die Bundeskanzlerin argumentiert, dass eine europäische Lösung unmöglich wird, sollte Deutschland die Rolle des Einzelgängers spielen, weil die anderen EU-Mitgliedstaaten das dann ebenso machen würden. Das macht deutlich, dass Horst Seehofer das Kräftemessen mit Merkel nicht gewinnen kann, ohne die mehr als 50 Jahre alte Verbindung zwischen den christdemokratischen Schwesterparteien CDU und CSU zu sprengen und damit eine Regierungskrise auszulösen. Doch Einlenken will er auch nicht, weil er seine Glaubwürdigkeit dann vollständig verlieren würde. Deshalb hat er Sonntagnacht seinen Rücktritt als Innenminister und CSU-Vorsitzender ins Spiel gebracht."

Die "Neue Zürcher Zeitung" stellt die Überlegung an, ob die CSU den Asylstreit gezielt nutzen könnte, um den Sturz von Bundeskanzlerin Angela Merkel einzuleiten: "Das wäre möglich, wenn die CSU aus dem Fraktionsbündnis mit der CDU austritt und der Kanzlerin die Unterstützung entzieht. Diese hätte dann keine Mehrheit im Bundestag mehr. Von diesem dramatischen Schritt müsste Seehofer allem Anschein nach aber erst noch die CSU-Führung überzeugen, die sich am Sonntagabend stundenlang beriet. Ein Bruch mit der CDU vier Monate vor der Landtagswahl in Bayern wäre ein großes Risiko für die CSU."

Der Schweizer "Tages-Anzeiger" merkt an, dass die zweite Reihe der CSU nach einem Seehofer-Rücktritt entschiedener gegen die Kanzlerin vorgehen könnte: "Welche Folgen Seehofers Rücktritt haben würde, war vorerst völlig unklar. Denkbar wäre, dass ein anderer CSU-Politiker Seehofer als Innenminister nachfolgen könnte, etwa (CSU-Landesgruppenchef Alexander) Dobrindt. Dieser hat sich in den letzten Wochen im Asylstreit mit Merkel jedoch als noch unerbittlicher hervorgetan als Seehofer. Seehofer begründete seinen Entscheid nach Angaben von Teilnehmern vor der Parteispitze damit, dass er nur drei Optionen sehe: Entweder die CSU gebe im Streit mit Merkel klein bei, auf Kosten ihrer 'Glaubwürdigkeit'. Oder sie bleibe hart – und riskiere den historischen Bruch mit der CDU. Die dritte Option sei sein eigener Rücktritt. Dafür habe er sich entschieden."

Verwendete Quellen
  • dpa
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