Zusatzjobs der Parlamentarier So viel verdienen die Abgeordneten nebenbei
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler ist ein vielbeschäftigter Mann - er ist nicht nur Vizechef seiner Partei und Parlamentarier, sondern hat in München auch eine Anwaltskanzlei. 19 Mandanten listet der Jurist für die ersten neun Monate der Legislaturperiode auf seiner Bundestagsseite auf.
Gauweiler ist nach Berechnungen von abgeordnetenwatch.de der Top-Verdiener im Bundestag. Der Rechtsanwalt hat seit Beginn der Legislaturperiode neben seinen Diäten mindestens 967.500 Euro kassiert. Bei der Summe handelt es sich um einen Brutto-Mindestbetrag, die tatsächlichen Einkünfte Gauweilers dürften sehr viel höher liegen (Angaben zu den Stufen finden Sie in der Tabelle unten). Die höchste Kategorie der Nebenverdienste ist mit "über 250.000 Euro" definiert, Einkünfte darüber hinaus werden also nicht näher beziffert. Der CSU-Politiker rechnet zwei seiner Mandantschaften dieser Stufe zu.
Vor vier Monaten hatte Gauweiler seine Nebeneinkünfte noch mit mindestens 509.000 Euro angegeben - auch damals führte er die Liste der Großverdiener im Bundestag mit deutlichem Abstand an. Auffällig ist, dass der CSU-Politiker in den ersten Monaten der Legislatur gerade einmal an zehn der 45 namentlichen Abstimmungen teilnahm, wie Angaben des Bundestags zeigen.
Gauweiler ist nicht der einzige Parlamentarier, der neben seinem Bundestagsmandat noch einen lukrativen Job ausübt oder ausgeübt hat. 150 der 631 Volksvertreter haben seit Beginn der Legislaturperiode auf der Bundestags-Homepage mindestens eine Stufenangabe veröffentlicht - das heißt, sie haben neben ihrer Diät mehr als 1000 Euro nebenbei kassiert. Jeder vierte Abgeordnete geht oder ging damit mindestens einer bezahlten Nebentätigkeit nach, die meisten davon sitzen in der CSU-Landesgruppe. 25 der 56 CSU-Parlamentarier geben Nebeneinkünfte an, das sind rund 45 Prozent. Bei der CDU sind etwa 27 Prozent der Abgeordneten nebenher tätig, das ist Platz zwei unter den im Bundestag vertretenen Parteien.
So verwundert es nicht, dass die Liste der 15 Top-Verdiener von Unionspolitikern dominiert wird. Für die Rangliste hat abgeordnetenwatch.de ausgewertet, wie viel die Abgeordneten seit Oktober 2013 mindestens mit ihren Nebentätigkeiten verdient haben. Für wen die Parlamentarier tätig sind, ist in ihren Profilen auf der Webseite des Bundestags einsehbar. Jährliche Einkünfte gingen in voller Höhe in die Berechnung ein, monatliche Beträge wurden für jeden Monat gezählt. Für diese Analyse wurden jeweils die Mindestwerte der einzelnen Verdienststufen summiert.
Elf CDU- und CSU-Politiker finden sich in dem Ranking: zum Beispiel Dagmar Wöhrl (CSU), die im Verwaltungsrat einer Schweizer Bank und zudem in drei Aufsichtsräten der Nürnberger Versicherungsgruppe sitzt; oder die Landwirte Albert Stegmann und Philipp Graf Lerchenfeld sowie der außenpolitische Sprecher der Union Philipp Mißfelder (alle CDU), der Nebeneinkünfte als Buchautor angibt.
Erst auf Platz neun der 15 Top-Verdiener taucht ein SPD-Politiker auf - es ist der ehemalige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Hatte er im März mindestens 7001 Euro Nebeneinkünfte auf seiner Bundestagsseite als Mitglied des Kuratoriums bei der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius angegeben, sind es laut der Analyse von abgeordnetenwatch.de jetzt mindestens 159.000 Euro. Steinbrück war unter anderem wieder als Redner unterwegs - bei einem Treffen der Hamburger Sparkasse und einer Diskussion des Deutschen Zigarettenverbands.
Außerdem hat er mittlerweile bei der Unternehmensberatung des Landshuter CSU-Politikers Wolfgang Götzer angeheuert. Der Sozialdemokrat gibt die Einkünfte mit der Stufe vier - 15.001 bis 30.000 Euro an. Sowohl Götzer als auch Steinbrück wollten sich auf Anfrage des "Spiegel" zu ihrer Partnerschaft nicht äußern.
Die Debatte um Steinbrücks gut bezahlte Vorträge im Bundestagswahlkampf - Ende 2012 waren es mindestens 698.945 Euro - hatte dazu geführt, dass die Regeln für die Veröffentlichung der Nebenverdienste für Bundestagsabgeordnete geändert wurden: Statt drei gibt es nun zehn Stufen.
Stufen der Nebenverdienste der Bundestagsabgeordneten | |
Stufen | Einkünfte |
Stufe 1 | 1001 bis 3500 Euro |
Stufe 2 | 3501 Euro bis 7000 Euro |
Stufe 3 | 7001 bis 15.000 Euro |
Stufe 4 | 15.001 Euro bis 30.000 Euro |
Stufe 5 | 30.001 Euro bis 50.000 Euro |
Stufe 6 | 50.001 Euro bis 75.000 Euro |
Stufe 7 | 75.001 Euro bis 100.000 Euro |
Stufe 8 | 100.001 Euro bis 150.000 Euro |
Stufe 9 | 150.001 Euro bis 250.000 Euro |
Stufe 10 | über 250.000 Euro |
Quelle: Deutscher Bundestag |
abgeordnetenwatch.de zufolge haben die Parlamentarier seit der Bundestagswahl insgesamt mindestens 6,63 Millionen Euro nebenher kassiert. Mindestens 2,1 Millionen Euro davon stammen allerdings von nicht näher benannten Geldgebern. Wegen des Vertrauensschutzes ihrer Mandanten müssen zum Beispiel die Anwälte im Parlament ihren Mandanten lediglich eine Ziffer und die jeweilige Stufe zuordnen. Auch Freiberufler veröffentlichen ihre Vertragspartner nach den derzeitigen Veröffentlichungsregeln namenlos. (Eine Übersicht der 197 Abgeordneten mit nicht näher benannten Kunden, Mandaten und Vertragspartnern finden Sie hier.)
"Es muss klar sein, welcher Bundestagsabgeordnete wie viel Geld von wem kassiert. Nur so lassen sich mögliche Interessenkonflikte erkennen. Daher fordern wir volle Transparenz sowohl über die genaue Höhe als auch über die Herkunft der Nebeneinkünfte", sagte Gregor Hackmack, Geschäftsführer von abgeordnetenwatch.de, gegenüber "Spiegel online". Das Politikportal fordert deshalb Konsequenzen und hat eine Petition für volle Transparenz bei Nebeneinkünften gestartet. Derartige Transparenzrichtlinien gelten zum Beispiel für die britischen Unterhausabgeordneten.
Diese Tabelle gibt einen Überblick über die Top-Verdiener der Verdienststufen:
Abgeordneter | Nebentätigkeit | Ausschüsse |
Stufe 10 (über 250.000 Euro) | ||
Peter Gauweiler (CSU) | Anwalt | Ausschuss Auswärtiges |
Albert Stegemann (CDU) | Landwirt | Ausschuss für Arbeit und Soziales, Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (stv.) |
Stephan Harbarth (CDU) | Vorstand einer Wirtschaftssozietät | Ausschuss Recht und Verbraucherschutz, Ausschuss Wahlprüfung und Immunität, Ausschuss Finanzen (stv.) |
Hans Michelbach (CDU) | Mitglied der Geschäftsleitung einer Unternehmensgruppe | Ausschuss Finanzen, Haushaltsausschuss (stv.), Ausschuss Wirtschaft und Energie (stv.) |
Stufe 9 (150.001 - 250.000 Euro)kein Eintrag | ||
Stufe 8 (100.001 - 150.000 Euro) | ||
Philipp Mißfelder (CDU) | Historiker, teNeues Verlag GmbH & Co. KG | Ausschuss Auswärtiges |
Dagmar Wöhrl (CSU) | Mitglied im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft | Ausschuss Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Vorsitz), Ausschuss wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Ausschuss Kultur und Medien |
Stufe 7 (75.001 - 100.000 Euro) | ||
Heinz Riesenhuber (CDU) | Beiratsvorsitzender eines Umwelt- und Entsorgungsunternehmens | Ausschuss für Wirtschaft und Energie, Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (stv.) |
Johannes Röring (CDU) | Landwirt | Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (stv.) |
Max Straubinger (CSU) | Generalvertreter | Wahlprüfungsausschuss (stv.), Haushaltsausschuss (stv.) |
Stufe 6 (50.001 - 75.000 Euro) | ||
Dagmar Wöhrl (CSU) | Mitglied des Verwaltungsrats einer Basler Bank | Ausschuss Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Vorsitz), Ausschuss wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Ausschuss Kultur und Medien |
Philipp Graf Lerchenfeld (CSU) | Landwirt | Ausschuss Finanzen, Ausschuss Recht und Verbraucherschutz (stv.), Ausschuss für Umwelt und Naturschutz (stv.), Petitionsausschuss (stv.) |
Hans-Georg von der Marwitz (CDU) | Landwirt | Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, Ausschuss wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (stv.) |
Peter Gauweiler (CSU) | Anwalt | Ausschuss Auswärtiges |
Stephan Harbarth (CDU) | Anwalt | Ausschuss Recht und Verbraucherschutz, Ausschuss Wahlprüfung und Immunität, Ausschuss Finanzen (stv.) |
Johannes Röring (CDU) | Landwirt | Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (stv.) |
Quelle: eigene Angaben; Deutscher Bundestag |