Beschaffung der F-35 Deutschland kauft sich in die Gegenwart
Die Bundesregierung will wohl moderne Tarnkappenjets beschaffen, um die veralteten Tornados abzulösen. Die Entscheidung kommt überraschend, immerhin setzt man langfristig auf ein ganz anderes Flugzeug.
Die Bundesregierung plant laut Berichten mehrerer Nachrichtenagenturen ein großes militärisches Anschaffungsprojekt: Bis zu 35 Tarnkappenflugzeuge des Typs F-35 soll die Bundeswehr erhalten. Die Kampfjets des US-Herstellers Lockheed Martin sollen die gealterte Tornado-Flotte der deutschen Luftwaffe ersetzen. Zudem sollen 15 Eurofighter beschafft werden.
Ende Februar hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer historischen Rede eine massive Aufrüstung der Bundeswehr in Aussicht gestellt: Angesichts der russischen Aggression in der Ukraine brauche die Truppe "Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen können, Soldatinnen und Soldaten, die optimal ausgerüstet sind für ihre gefährlichen Aufgaben".
Scholz versprach unter anderem zusätzliche Finanzmittel von rund 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Der nun durchgesickerte F-35-Plan legt nahe, dass die Ampel keine Zeit verlieren will.
Die Hightech-Kampfmaschinen sollen vor allem die Nachfolge der alternden Tornados klären, die im Ernstfall die in Deutschland lagernden US-Atomwaffen transportieren könnten. Doch noch sind viele Fragen offen – vor allem in den USA entwickelten sich die F-35 zur Kostenfalle.
Qualität statt Quantität: 50 neue Kampfjets ersetzen 85 alte
Die Luftwaffe verfügt über eine Flotte von 85 Tornado-Kampfjets, die überwiegend seit Mitte der 1980er-Jahre im Einsatz sind. Zwei Versionen der alternden Kampfjets führt die Bundeswehr im aktuellen Bestand: als Jagdbomber (IDS oder "Interdiction Strike"), um Bodentruppen zu unterstützen oder feindliche Ziele zu zerstören; und als Tornado ECT ("Electronic Combat and Reconnaissance"), der zur elektronischen Kampfführung eingesetzt wird und feindliche Radarstellungen ausschaltet.
Allerdings gilt nur ein Teil der Tornados überhaupt als einsatzfähig. Beide Versionen sollen ersetzt werden durch die F-35-Tarnkappenjets. Auch soll die bisherige Flotte von 140 Eurofightern um 15 weitere aufgestockt werden, um den Tornado ECT und dessen Fähigkeiten in der elektronischen Kampfaufklärung zu ersetzen. Allerdings muss der Eurofighter dazu entsprechend nachgerüstet werden, was Jahre dauern könnte.
"Der tödlichste Kampfjet der Welt"
Technisch gesehen ist die F-35A Lightning II eine Hightech-Kampfmaschine in der Luft: Er ist extrem schnell, mit tödlichen Waffen ausgestattet – und beinahe unsichtbar: Wegen der speziellen Geometrie und der radarabsorbierenden Außenbeschichtung wirft die F-35 kaum Signale zurück. Ein konventionelles, hochfrequentes Radar erhält so ein zu geringes Echo.
Trotzdem hat es vor einigen Jahren ein deutsches Unternehmen geschafft, die F-35 zu enttarnen. Statt eines Radarstrahls gelang das, indem Veränderungen gemessen wurden, die durch sich in der Luft bewegende Metallkörper verursacht werden.
Der Hersteller Lockheed Martin spricht auf seiner Website vom "tödlichsten Kampfjet der Welt". Die Maschine fliegt mit bis zu 1,6-facher Schallgeschwindigkeit und kann knapp zehn Tonnen Waffen transportieren, auch Atomwaffen. Sechs Infrarotkameras an der Außenhülle nehmen im Flug die Umgebung auf – und übertragen die Bilder direkt in den Helm des Piloten, der dadurch einen 360-Grad-Blick bekommt.
Wie teuer wird die Anschaffung?
Zu den möglichen Kosten ist bisher nichts bekannt. In den USA stellte sich die Entwicklung der F-35 jedoch als das teuerste Rüstungsprogramm in der Geschichte des Landes heraus. Nicht nur die Anschaffung geht ins Geld: So kostet ein Flugzeug rund 80 Millionen Dollar (73 Millionen Euro) beziehungsweise 110 Millionen Dollar (100 Millionen Euro) inklusive Waffensystemen und Ersatzteilen.
Auch der Unterhalt der Jets wird kostspielig: Nach einem Bericht des Government Accountability Office (GAO), eines überparteilichen Gremiums des US-Kongresses, stiegen die Kosten des F-35 nach Anschaffung beträchtlich: Umgerechnet rund 35.000 Euro kostete eine Flugstunde des Tarnkappenjets. Insgesamt 1,37 Billionen Euro veranschlagte das Pentagon für die rund 2.400 F-35 im US-Bestand bis zum Jahr 2070. Versuche, Kosten zu drücken, scheiterten bislang und mündeten stattdessen in Empfehlungen des GAO, die Jets weniger zu fliegen.
Trotz der Kostenprobleme finden sich auch im Ausland immer mehr Käufer. Neben den USA haben 14 Länder Kaufverträge abgeschlossen – unter ihnen auch die europäischen Staaten Großbritannien, Italien, Belgien, die Niederlande, Dänemark, Norwegen und Polen.
Nukleare Abschreckung
Mit der Entscheidung für die F-35 sind auch die letzten Zweifel in der Frage ausgeräumt, wie sich die Ampel zur "nuklearen Teilhabe" in Deutschland verhält. Die Militärdoktrin sieht vor, dass sich die Bundesrepublik an der nuklearen Abschreckung feindlicher Staaten beteiligt, obwohl sie keine eigenen Atomwaffen besitzt. Bei einem möglichen Einsatz der in Deutschland lagernden US-Kernwaffen wäre Berlin in die Entscheidungsfindung einbezogen.
Die Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland ist seit Jahren ein Streitthema. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und der frühere Parteichef Walter-Borjans hatten im Wahlkampf gefordert, alle US-Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen.
Auch wenn sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag bereits dazu bekannt hatten, macht die Regierung nun Nägel mit Köpfen: Die F-35 soll unter anderem deswegen gekauft werden, weil der Kampfjet auch Atomraketen transportieren und abwerfen kann. Rund 20 US-Wasserstoffbomben sollen im rheinland-pfälzischen Büchel lagern, die bisher unter die Tornados eingeklinkt werden können.
Streit mit Frankreich?
Langfristig setzt Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Spanien auf das europäische Projekt "Future Combat Air System" (FCAS). Allerdings sind diese Flugzeuge noch in der Entwicklung. Experten rechnen mit einem Einsatz nicht vor dem Jahr 2040.
Die Idee hinter dem FCAS-Projekt war unter anderem, die europäische Luftfahrtindustrie zu stärken und die strategische Autonomie Europas gegenüber den USA zu sichern. Die US-Präsidentschaft Donald Trumps hatte diesem Argument Auftrieb gegeben, da sich eine Abwendung der USA von der Nato abzeichnete und die EU die Notwendigkeit sah, eigene Konzepte der kollektiven Sicherheit zu entwickeln. Mit der Präsidentschaft Joe Bidens und der im Zuge des Ukraine-Krieges gewachsenen Einigkeit der Nato scheinen diese Bedenken in den Hintergrund zu geraten.
Ob die Anschaffung der F-35 die Zusammenarbeit mit Frankreich beeinträchtigt, muss sich zeigen. Die Franzosen zeigten sich in der Vergangenheit besorgt, ob Berlin bei einem F-35-Deal die Kosten für das FCAS noch tragen könnte.
Allerdings war das, bevor Scholz seinen 100-Milliarden-Sondertopf für Verteidigungsausgaben verkündet hatte. Gut möglich, dass die Sorgen der Franzosen dahingehend etwas gelegt haben.
- Eigene Recherchen
- Nachrichtenagentur dpa
- Bundeswehr: Der Kampfjet Eurofighter
- Bundeswehr: Das Mehrzweckkampfflugzeug PA-200 Tornado