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FDP-Chef Christian Lindner im Wahlkampf: Der Luftschlossverkäufer


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FDP-Chef Lindner
Der Luftschlossverkäufer


Aktualisiert am 29.07.2021Lesedauer: 4 Min.
Christian Lindner: Der FDP-Parteichef muss die guten Umfragewerte seiner Partei irgendwie behalten.Vergrößern des Bildes
Christian Lindner: Der FDP-Parteichef muss die guten Umfragewerte seiner Partei irgendwie beibehalten. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die FDP ist in den Umfragen so stark wie seit Langem nicht. Damit das so bleibt, tut Christian Lindner so, als säße er bereits in der Bundesregierung — und gibt große Versprechen ab.

Wo Christian Lindner hinkommt, geht die Sonne auf. Die dunklen Wolken des Vorabends in Warnemünde bei Rostock sind an diesem Dienstagmorgen verschwunden, blau leuchtet der Himmel, blau leuchtet das Meer. Eine Traumkulisse. Wie bestellt für den strahlenden FDP-Chef, der hier Wahlkampf auf seiner Küstentour macht.

Christian Lindner betritt einen Platz vor dem Warnemünder Leuchtturm und beackert im Schnelldurchlauf die aktuellen Themen: die Corona-Politik, das Hochwasser im Rheinland, den Klimaschutz. Etwa 150 Menschen hören zu.

Seine Botschaft ist: Alle Probleme sollten mit Augenmaß gelöst werden und nicht mit Ideologie. Lindners Stimme schallt über den Platz: "Wir wollen nicht Moralweltmeister werden!" Beiläufig erzählt er dann noch von seinem Treffen mit dem ehemaligen US-Außenminister John Kerry, der jetzt Bidens Klimabeauftragter ist.

Wer braucht da noch die FDP?

Er spielt jetzt bei den Großen mit. Der 42-jährige Lindner spricht mit einem Duktus, als wäre er Vizekanzler. Oder mindestens Finanzminister. Auf jeden Fall nicht jemand, der nur eine von mehreren Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag führt. Und diese Art zu sprechen ist kein Zufall.

Denn Christian Lindner hat in diesem Sommer ein Problem: Einerseits ist seine Partei so erfolgreich wie lange nicht, im ARD-"Deutschlandtrend" kommt die FDP auf 12 Prozent. Andererseits sieht es jetzt schon so aus, dass es trotzdem für ein schwarz-grünes Bündnis reichen könnte. Wer braucht da noch die FDP, die doch schon 2017 die Jamaika-Verhandlungen platzen ließ?

Gegen diese Frage arbeitet Lindner an. Und deshalb spricht er bei seiner Deutschlandtour schon mal so, dass man glauben könnte, man höre einem Kabinettsmitglied zu. Direkte Attacken auf die politische Konkurrenz spart er sich, damit er staatstragend wirkt. Liebe Wähler, dieses Mal will ich wirklich mitregieren, soll das heißen.

Gleichzeitig versucht Lindner, den Markenkern seiner Partei herauszuschälen. Sein Instrumentarium dafür besteht aus drei markigen Forderungen: Dass es trotz der Corona-Krise keinerlei Steuererhöhungen geben dürfe und mit der FDP auch nicht werde. Dass er in der nächsten Koalition auf jeden Fall Finanzminister werden wolle. Und dass die Unternehmen um 60 Milliarden Euro entlastet werden sollen.

Lindner sucht noch die richtige Lautstärke

Die Forderungen sind kühn, manche sagen: tollkühn. Unter anderem weil die Kosten für Pandemie, Flut und Klima zu hoch seien für Entlastungen. Sie wirken wie Luftschlösser, die den Wählern Lindners Ziele vermitteln sollen. Hauptsache, der Eindruck stimmt.

Der nächste Auftritt von Lindner an diesem Dienstag ist nur wenige Kilometer weiter, ebenfalls in einem Ferienort an der Küste: Kühlungsborn. Der regionale Bundestagsabgeordnete Hagen Reinhold spricht ein wenig, auch die Kandidaten für den Landtag in Mecklenburg-Vorpommern — sie müssen die Zeit überbrücken. Dann, mit etwa einer Stunde Verspätung: Ankunft Christian Lindner.

Er hält fast wortgleich dieselbe Rede wie am Morgen. Themen: Corona, Flut, Klima. Mit einem kleinen Unterschied. Noch am Vormittag in Warnemünde sagte Lindner, die Klimawende werde den deutschen Steuerzahler ("Also Sie!") 3.000 Milliarden Euro kosten. Jetzt, fünf Stunden später, korrigiert er sich: Die Klimawende werde 2.500 bis 3.000 Milliarden Euro kosten. Dabei ist die Wahrheit, dass 3.000 Milliarden nur die maximale Zahl sind. Lindner sucht noch die richtige Lautstärke, der Bundestagswahlkampf nimmt nun erst Fahrt auf.

Seine Ziele sind etlichen Finanzpolitikern schleierhaft

Seine sonstigen Forderungen stoßen bei den möglichen Koalitionspartnern bereits auf Kritik. Besonders der Vorstoß von 60 Milliarden Euro, mit denen die Wirtschaft entlastet werden soll. Zwar betont man bei der FDP, die Zahl resultiere aus einem Pakt mit den Unternehmen. Lindner sagte der "FAZ": "Für jeden Euro Entlastung durch den Staat schafft die private Wirtschaft zwei Euro an Investitionen." Wie ein Staat, der in der Krise die Schwarze Null aufgegeben hat, aber auf so viele Einnahmen verzichten kann, ist etlichen Finanzpolitikern von Union und Grünen schleierhaft.

Lindner muss aufpassen, dass er es mit den gebauten Luftschlössern nicht übertreibt — und die ihm am Ende den Weg verbauen. Denn eine Jamaika-Koalition ist für ihn das Wunschziel. Dass eine schwarz-gelbe Mehrheit eher aussichtslos ist, weiß Lindner.

Und eine Ampel-Koalition unter Führung der Grünen hat er im Interview mit der ARD faktisch ausgeschlossen: "Mir fehlt die Fantasie, welches inhaltliche Angebot Annalena Baerbock der FDP machen könnte, das attraktiver wäre als die Angebote, die vor vier Jahren Frau Merkel gemacht hat." In der FDP heißt es schon, dass künftige Vorstöße von Lindner im Gegensatz zu der 60-Milliarden-Euro-Frage konformer für Union und Grüne sein könnten. Und vielleicht sind die dann auch einer Deutschland-Koalition vermittelbar.

In Warnemünde erklärt Lindner zum Schluss seiner Rede noch, die "Sache" sei eigentlich gelaufen, denn: "Der wird den Regierungsauftrag kriegen". Mit der "Sache" meint Lindner die Bundestagswahl und mit "der" den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet.

Doch wie die sonstige Koalition aussehe, das hätten die Wähler in der Hand, so Lindner. Die Leute sollten daher überlegen, ob man "die Finanzen nicht einem Politiker der FDP anvertrauen" sollte. Und, damit keine Missverständnisse aufkommen, wer gemeint ist, schiebt Lindner nach: "Zum Beispiel mir." Er lächelt im Sonnenschein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche vor Ort in Warnemünde und Kühlungsborn
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