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Plötzlich ist Markus Söder still: Wann wacht der Löwe auf?


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Die erneute Wandlung des Markus Söder
Und plötzlich schnurrt der bayerische Löwe nur noch


Aktualisiert am 17.06.2021Lesedauer: 5 Min.
Gruppenbild mit Dame: Markus Söder bei einer Schaltkonferenz der Ministerpräsidenten.Vergrößern des Bildes
Gruppenbild mit Dame: Markus Söder bei einer Schaltkonferenz der Ministerpräsidenten. (Quelle: imago-images-bilder)
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Er stichelte, er zeterte – doch seit Kurzem ist er still: Markus Söder hat seine Attacken gegen Armin Laschet eingestellt. Einige fürchten bereits, dass es nur die Ruhe vor dem nächsten Schlag ist.

Markus Söder hat einen neuen Lieblingsplatz. Und der ist in Bayern. Das zeigte sich vor ein paar Tagen bei einer Pressekonferenz mit Angela Merkel. Söder war nur per Monitor dazugeschaltet. Ein Journalist fragte, warum er denn nicht real in Berlin anwesend sei. Antwort mit Blick zur Kanzlerin: "Der Monitor steht direkt daneben. Also, ich finde, da passt kein Blatt Papier dazwischen." Schnell schob er nach: "Doch, ein Blatt Papier schon, aber mehr nicht."

In Wahrheit trennten die beiden Spitzenpolitiker fast 600 Kilometer. Ausgerechnet Markus Söder verzichtete auf den großen Auftritt in der Hauptstadt. Also der Mann, der seinen Terminkalender in der Corona-Krise unzählige Male umgeworfen hatte, um ja live und in Farbe bei einer Pressekonferenz neben der Kanzlerin in Berlin zu sitzen. Um prestigeträchtige Bilder zu produzieren. Und vor allem: Um sich als heimlicher Kanzler zu inszenieren.

Ausgerechnet diesem Mann reicht plötzlich eine Zuschaltung via Video, ein Auftritt als Nebendarsteller? Was ist da passiert?

Eine ganze Menge. Denn Markus Söder hat sich vorgenommen, weniger medialen Wirbel zu erzeugen und lieber ein bisschen Frieden auszustrahlen. Deshalb bleibt er neuerdings gern in Bayern und verzichtet auf den Auftritt auf ganz großer Bühne.

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Söders Wandlung wird zum Gradmesser für den Erfolg

Der Wahlkampf nimmt langsam Fahrt auf. Auch deshalb blicken sie in der CDU mit Misstrauen auf den neuen, zurückhaltenden Söder. Für die Union geht es im September um den Sieg gegen die Grünen. Die Umfragen mögen im Moment günstig sein. Aber sicher ist nichts. Deshalb wird jedes interne Zucken genauso registriert wie jedes Stillhalten. Söder, so heißt es in der CDU-Zentrale, wirke gerade wie einer, der nur darauf warte, dass sich seine Gegner – auch die internen – von seiner Zurückhaltung einwickeln lassen. Um dann richtig loszuschlagen.

Die aktuelle Ruhe in der Union ist also trügerisch, denn Söder ist unberechenbar. Seine plötzliche Wandlung von "Ich bin der bessere Kanzlerkandidat" zu "Ich wollte nie mehr werden als Ministerpräsident" nehmen ihm die wenigsten wirklich ab. Er bleibt eine Art weiß-blaues Pulverfass für die Christdemokraten. Sobald Söder nicht mehr ruhig ist, wäre der Erfolg des Kanzlerkandidaten Armin Laschet gefährdet.

Deshalb geht es in diesem Wahlkampf für die CDU auch darum, Söder still zu halten. Ob das gelingt, ist offen. Der Sommer ist noch lang.

Man könne Baerbock auch gleich die Schlüssel fürs Kanzleramt übergeben, hieß es

Damit man die aktuelle Situation versteht, muss man zwei Monate zurückblicken. Am 27. April gab Söder ein Interview, kurz nach seiner Niederlage gegen Laschet beim Ringen um die Kanzlerkandidatur. In der "Süddeutschen Zeitung" polterte er, die Union müsse mindestens 30 Prozent bei der Wahl erreichen, eher sogar 35 Prozent.

Es wirkte, als würde er Laschet bewusst vorführen: So, dann liefer mal, Kollege. Das "SZ"-Interview war Söders erster Streich, die Demütigung des Siegers im internen Machtkampf. Und es folgten viele weitere. Immer gegen Laschet, immer mit der Botschaft: Er, Söder, wäre der bessere Kandidat gewesen. Der 53-Jährige, der in der CSU gern als bayerischer Löwe bezeichnet wird, brüllte: Ich, einfach unverbesserlich.

In der CDU war das Entsetzen groß. Zumal die Grünen die Union in den Umfragen überholten. Wenn das so weitergehe, könne man Annalena Baerbock gleich die Schlüssel fürs Kanzleramt übergeben, hieß es. Doch Markus Söder ging es im Mai erst einmal darum, den Ton zu setzen. Er wollte testen, welchen Wind er noch erzeugen konnte.

Söder will allerhand Punkte im Wahlprogramm verankern

Anfang Juni folgte dann die Wahl in Sachsen-Anhalt. Zuvor hatte Söder über Vertraute gezielt erzählen lassen, dass er die Kanzlerkandidatur noch übernehmen könnte, wenn die CDU hinter der AfD lande. Doch es wurde nicht einmal knapp, die CDU siegte furios. Ein CDU-Mitglied der Bundesregierung sagt: "Söder hat die Latte für Laschet ziemlich hoch gelegt. Doch Haseloff und Laschet sind gemeinsam drüber gesprungen."

Öffentlich hat sich Söder seitdem zurückgenommen. Der brüllende Löwe schnurrt plötzlich nur noch. Zumindest nach außen hin. Intern sieht das anders aus, er ist nicht bereit, der Schwesterpartei einfach das Feld zu überlassen. Besonders bei den nächsten Schritten Richtung Bundestagswahl.

Derzeit wird das Wahlprogramm von CDU und CSU geschrieben. Hinter den Kulissen wird darum hart gerungen, weil es – anders als in den Wahlkämpfen zuvor – keinen sogenannten "Bayernplan" geben soll. Also keine zusätzliche Wunschliste der CSU.

Deshalb tüftelt Söder nun umso eifriger mit, viele Punkte will er im Programm verankern. Söders Mann dafür ist sein Generalsekretär Markus Blume. Der 51-Jährige ersinnt gemeinsam mit dem CDU-General Paul Ziemiak den Leitfaden für den Wahlkampf. Manche sagen, Blume sei so etwas wie der Chefstratege von Söder. Leute, die es nicht so gut mit Blume meinen, sagen, er wirke eher wie seine Sprechpuppe.

Ziemiak verschickt die Vorschläge für das Wahlprogramm intern an die Fachausschüsse und an die CDU-Landesleitungen. Immer wird abgesprochen: Was tragen die Parteifreunde mit und was nicht? Dementsprechend justiert Ziemiak nach. Blume dagegen spricht die CSU-Forderungen primär mit einem ab: Söder. Hebt oder senkt er den Daumen? Das ist die entscheidende Frage.

Wie lange lässt sich Söder noch beruhigen?

Während die Generalsekretäre um die richtigen Inhalte ringen, versucht auch der Kanzlerkandidat persönlich, Söder ruhig zu halten. Laschet und der CSU-Chef sprechen in der Regel einmal pro Woche miteinander: in einer Schalte mit den Generalsekretären. Laschet lotet dabei regelmäßig aus, wie weit er Söder entgegenkommen muss. Hauptsache, er halte weiterhin still, heißt es in Laschets Lager.

Zuletzt klappte es erstaunlich gut. Aber offen ist, wie lange es so weiterläuft. Söder ist für seine Sprunghaftigkeit bekannt, in den Landesministerien in Bayern kennen sie das schon. Ein Unions-Abgeordneter sagt: "Bei den Ministerien heißt es dann immer, für bestimmte Fälle gebe es noch keine klare Anweisung aus der Staatskanzlei. So lange müssen sich eben alle anderen Ressortchefs gedulden." Es kann auch durchaus passieren, dass sich Söder an einem Tag für die eine Richtung entscheidet, am nächsten für die andere – und dann sagt, er habe das schon immer so gesehen.

Auch deshalb fragen sich nicht wenige in der CDU: Wie lange lässt sich Söder noch beruhigen? Wie viel Entgegenkommen braucht er im gemeinsamen Wahlprogramm, um weiterhin die Füße stillzuhalten, zumindest bis zum Wahlabend im September?

Der Streit gefährdet das mühsam austarierte Gleichgewicht

Die Sorge bei manchen in der CDU lautet: Nun, da Söder erst mal nicht Kanzler wird, gilt sein ganzes Augenmerk einem möglichst guten Ergebnis bei der Landtagswahl 2023. Und zur Not könnte er versuchen, sich auf Kosten des Bundes und damit auch von Armin Laschet zu profilieren.

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Große Unterstützung, so die Einschätzung in Berlin, wird es von Söder im Wahlkampf wohl eher nicht geben. Aus CSU-Sicht muss Laschet es allein schaffen. "Man könnte glauben, der Schatten von Markus Söder sei so groß, dass er selbst nicht drüber springen kann", sagt einer aus dem Führungszirkel der CDU.

Die Spannung zwischen den Schwesterparteien könnte noch zu größeren Verwerfungen führen. Denn sie stört das mühsam austarierte Gleichgewicht. Als Annegret Kramp-Karrenbauer noch CDU-Parteichefin war und Söder nicht Beinahe-Kanzlerkandidat, rühmten beide noch die Einheit der Union.

Zuvor hatte Horst Seehofer fast die Große Koalition platzen lassen im Streit um die Zurückweisung von Flüchtlingen. Söder erklärte im Dezember 2019 im Interview mit t-online: "Wir haben aus dem Sommer vergangenen Jahres gelernt. Streit innerhalb der Union bringt nichts. Das wird von den Wählern nicht goutiert." Auf die Frage, ob sich so etwas wiederhole, sagte Söder: "Nein."

16 Monate später ließ er seinen Generalsekretär Blume ausrichten, Söder sei erkennbar der "Kandidat der Herzen" bei der Frage nach der Kanzlerkandidatur gewesen. Ein Vizevorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag drückt es so aus: "Der bayerische Löwe hat höchstens mal die Augen geschlossen, doch er schläft nie. Er tut nur so."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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