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Das Problem bei Gabriel und Schröder: Sie wollen es nicht wahrhaben


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Das Gabriel-Schröder-Problem
Sie wollen es nicht wahrhaben

  • Johannes Bebermeier
Eine Analyse von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 03.07.2020Lesedauer: 4 Min.
Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel: Sie wollen nicht wahrhaben, was sie eigentlich immer noch sind.Vergrößern des Bildes
Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel: Sie wollen nicht wahrhaben, was sie eigentlich immer noch sind. (Quelle: localpic/imago-images-bilder)
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Einmal mehr werden Sigmar Gabriel und Gerhard Schröder für ihre Jobs kritisiert. Sie wehren sich mit dem Argument, keine Politiker mehr zu sein. Ein folgenschwerer Irrtum.

Gerhard Schröder war diese Woche mal wieder im Bundestag und das allein kann man ihm nun wirklich nicht vorwerfen. Schröder sollte den Abgeordneten im Wirtschaftsausschuss Fragen beantworten in einer Anhörung zum Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Er war als Experte geladen – und genau da fängt das Problem an.

Nicht etwa, weil Schröder als langjähriger Lobbyist des russischen Energiekonzerns Gazprom und Präsident des Verwaltungsrates der Nord Stream 2 AG keine Ahnung hätte. Auch nicht, weil Lobbyisten per se nicht als Experten taugten. Sie einzuladen ist üblich, mitunter erkenntnisreich und nur problematisch, wenn Politiker ihren Rat nicht einzuordnen wissen.

Das Problem steht am Mittwochmorgen vor ihm auf dem Tisch, schwarz auf weiß: "Schröder", ist auf seinem Namensschild zu lesen, "Bundeskanzler a.D." Wer Gerhard Schröder einlädt, lädt immer auch den Altkanzler ein, den Politiker. Es ist Zufall, dass dieses Problem genau in dieser Woche einem weiteren Sozialdemokraten zu schaffen macht: Sigmar Gabriel. Es offenbart ihren gemeinsamen großen Irrtum, der ihrer Partei und der Politik insgesamt schadet.

Der große Irrtum

Wenn Politiker in die Wirtschaft wechseln, löst das regelmäßig Kritik aus. Die ist manchmal berechtigt, wenn der Eindruck entsteht, dass ein Politiker den Wechsel im Amt schon vorbereitet hat. Manchmal ist sie aber auch vor allem von Neid, Missgunst und Parteiengezänk geprägt.

Damit frühere Regierungsmitglieder ihr Amt zuvor nicht direkt für den Sprung in den neuen Job nutzen, hat die Politik 2015 eine sogenannte Karenzzeit eingeführt. Sie beträgt mindestens ein Jahr, kann aber auch länger dauern, je nachdem, für wie schwerwiegend ein Gremium Interessenkonflikte erachtet.

Das ist gut und richtig und wahrscheinlich sogar zu kurz. Es ist aber in den Fällen Schröder und Gabriel nicht das eigentliche Problem. Das Gabriel-Schröder-Problem beruht auf einem großen Irrtum, den beide gerne als Schutzbehauptung verwenden. Auch in dieser Woche haben sie diesen Irrtum wieder in Sätzen formuliert, die falscher nicht sein könnten.

Politiker aus freien Stücken

Doch das stimmt eben nicht. Wer acht Jahre Ministerpräsident und sieben Jahre Bundeskanzler war (Schröder), wer vier Jahre als Ministerpräsident und neun Jahre als Bundesminister wirkte (Gabriel), wer zusammen 13 Jahre lang die SPD geführt hat, der wird ohnehin nicht so schnell wieder zum Privatmann. Je höher das Amt und je länger die Karriere, desto hartnäckiger hält sich der Politiker.

Noch länger dauert es, wenn jemand gar nicht so richtig Privatmann werden will. Und Schröder und Gabriel wollen nicht, zumindest handeln sie nicht so. Anders als etwa Andrea Nahles haben sie sich nicht aus der politischen Öffentlichkeit zurückgezogen. Sie melden sich immer noch regelmäßig zu Wort, bewerten und beratschlagen ihre Nachfolger in der Regierung und im Willy-Brandt-Haus.

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Allein damit handeln sie weiter politisch. Politisches Handeln ist nicht an Amt und Mandat geknüpft. Ein Bundestagsmandat und ein Regierungsamt helfen natürlich ungemein, es sind die klassischen Machtressourcen, die beide nicht mehr haben. Nur Politik lässt sich nicht allein durch Macht, sondern auch durch Einfluss gestalten. Solchen Einfluss können Interessengruppen ausüben, Gewerkschaften und Umweltverbände. Aber auch Altkanzler und Altvizekanzler können das.

Parteien und Politiker beschäftigen Scharen von Beratern, um die politische Debatte und die Agenda zu prägen. Gewerkschaften und Umweltverbände investieren Millionen in Kampagnen. Gabriel und Schröder schaffen das ziemlich gut alleine. Sie finden Gehör, weil sie früher Amt und Mandat hatten. Und sie üben ihren Einfluss nicht nur in Interviews und als Kolumnisten aus. Sie tun es auch in ihren neuen Jobs.

Politische Maßstäbe

Als Schröder am Mittwochmorgen im Wirtschaftsausschuss hinter seinem Namensschild sitzt, spricht er sich dafür aus, dass die EU Gegensanktionen ergreift, wenn die USA Europa wegen Nord Stream 2 bestrafen sollte. Damit macht der "Bundeskanzler a.D." natürlich lupenreine Politik.

Genauso macht Gabriel Politik, wenn er im Gespräch mit der "Bild" beklagt, Clemens Tönnies würde jetzt "zum Buhmann für die gesamte Corona-Debatte gemacht". Der gesamten Branche seien "Fehler unterlaufen", Tönnies habe sich aber an "Recht und Gesetz gehalten".

Beides prägt die Debatte, beides ist politischer Einfluss, ganz egal, ob man ihre Positionen teilt oder nicht.

Natürlich haben Schröder und Gabriel jedes Recht, alle Jobs anzunehmen, die ihnen gefallen. Sie dürfen sich auch in die Politik einmischen, so viel sie wollen. Nur sie müssen dann auch damit leben, dass ihre Jobs und ihr Handeln nach politischen Maßstäben bewertet werden, erst recht, wenn sich beide Sphären vermischen.

Und da bleiben am Ende: Ein Altkanzler, der als Lobbyist für das russische Staatsunternehmen Gazprom Politik macht. Und ein Altvizekanzler, der Tönnies nicht etwa dabei hilft, die Arbeitsbedingungen der Schlachter zu verbessern, sondern mehr Schweinefüße nach China zu verkaufen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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