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Müllproblem in Deutschland: Kommunen sagen Müllsündern den Kampf an


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Höhere Bußgelder
Städte sagen Müllsündern den Kampf an

Von Dietmar Seher

Aktualisiert am 19.11.2019Lesedauer: 5 Min.
Illegal deponierter Müll im Berliner Stadtteil Britz: Bis zu 10.000 Euro Bußgeld werden in der Hauptstadt für wild entsorgten Elektronik-Müll fällig.Vergrößern des Bildes
Illegal deponierter Müll im Berliner Stadtteil Britz: Bis zu 10.000 Euro Bußgeld werden in der Hauptstadt für wild entsorgten Elektronik-Müll fällig. (Quelle: imago-images-bilder)

Vermüllte Stadtviertel locken Kriminalität an. Experten warnen seit Langem vor diesem "Broken Window"-Effekt. Kommunen gehen deshalb verstärkt gegen Müllsünder vor. Der "Kaffee to go" könnte sich verteuern.

240 Euro Bußgeld zahlen geblitzte Raser, die innerorts zwischen 51 und 60 Stundenkilometer zu schnell unterwegs sind. Doch dass Verkehrssünden die teuersten Fehler im Straßenalltag sind, ist bald Vergangenheit. Seit diesem Jahr wird es auch für Hundebesitzer in Mannheim kostspieliger, wenn ihr Liebling den Gehweg versaut hat. Pro Haufen ist bis zu 250 Euro fällig.

Fast flächendeckend gehen Deutschlands Städte gegen "Littering" vor. So nennen Fachleute die illegale Müllbeseitigung in den öffentlichen Raum. Die Strafzahlungen werden lokal festgelegt und klaffen teilweise weit auseinander. Der Trend ist allerdings klar: 2019 sind sie in zahlreichen Kommunen drastisch gestiegen.

Das damit verbundene Signal: Der Verwahrlosung öffentlicher Plätze soll vorgebeugt werden – und damit möglicher Verunsicherungen der Bürger oder auch der Kriminalität, die gerade an solchen Stellen blüht. Der öffentliche Raum ist heute Tatort von einem Viertel der sechs Millionen Straftaten in Deutschland, ergeben die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS).

Je verwahrloster, desto unsicherer

Sachbeschädigungen, Diebstähle, Rohheitsdelikte und Sexualtaten werden jeden Tag gemeldet. Auf der Suche nach der Ursache sehen Experten im sogenannten "Broken-Window-Effekt" eine der Quellen – je verwahrloster eine Gegend wirkt, desto unsicherer ist sie. Kommunalpolitikern reißt die Geduld: "Wenn man sich nicht an die Regeln hält, wird es richtig teuer", drohte Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, SPD, gerade in der "WAZ".

Mannheim kassiert für den fallen gelassenen Zigarettenstummel 75 Euro. Die Stadt hat mit anderen Südwestkommunen in diesem Jahr eine Vorreiterrolle bei den Strafzahlungen übernommen. In einigen bayerischen Gemeinden kostet der öffentlich abgestellte Schrottkühlschrank jetzt 500 Euro. Und nach einer Anpassung des Strafkatalogs in NRW ziehen Ruhrgebietskommunen mit Bußgelderhöhungen über 200 Prozent gerade nach. Dortmund nimmt für ein "verlorenes" Kaugummi statt bisher 15 heftige 50 Euro, Essen für die weggeworfene Kippe 100 Euro statt 25.

Die Bundeshauptstadt Berlin strebt offenbar eine Pole-Position bei der Verfolgung von Umweltsünden im städtischen Raum an. Hundekot auf dem Bürgersteig soll mit bis zu 300 Euro geahndet werden, in Parks mit noch mehr. Weggeworfene Zigarettenkippen kosten bis 120 Euro. Und wer Computermonitore und Elektronikmüll an der Hausecke entsorgt, zahlt bald bis zu 10.000 Euro.

Immer mehr wilde Müllberge

Dahinter steckt ein schwer zu kontrollierendes Müllwachstum. Es wird zum Riesenproblem für viele lokale Politiker. Der Sender hr 3 hat acht hessische Großstädte befragt. Sechs sprechen von einem deutlichen Anstieg des Volumens. Wiesbadens Müllentsorgung räumte im letzten Jahr 805 Tonnen wild beseitigten Müll beiseite – ein Gewicht, das vier Jumbo-Jets entspricht. In der Metropole Frankfurt am Main stehen nach Auskunft des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) über 7.200 Papierkörbe in den Straßen. Sie müssen inzwischen 30.000 Mal (!) pro Woche geleert werden. Das sind über vier Leerungen pro Papierkorb pro Woche – insgesamt über 1,5 Millionen Leerungen pro Jahr.

Berlin, Invalidenstraße. Hier hat der VKU seinen Sitz – und ein Auge auf die Entwicklung überall in Deutschland. VKU-Vizepräsident Patrick Hasenkamp sagte t-online.de, das Volumen des Verpackungsmülls steige "seit Jahren kontinuierlich". Allein die Kunststoffverpackungen hätten sich seit Mitte der 90er-Jahre verdoppelt.

Nach Angaben des Bundesumweltamtes produzierten die Deutschen 2017 18,7 Millionen Tonnen Verpackungsmüll – ein Rekordwert. Rechnerisch waren das 226,5 Kilogramm pro Person und drei Prozent mehr als im Vorjahr. Private Verbraucher hatten daran einen Anteil von 47 Prozent oder 107 Kilogramm pro Kopf. "Die Deutschen nutzen jährlich allein 2,8 Milliarden Einwegbecher", betont Hasenkamp – pro Bürger sind das 34 To-go-Behälter. Ein Großteil werde im städtischen Bereich konsumiert und entsorgt. Zunehmender Außer-Haus-Verzehr verschärfe das Problem. Schon allein mit den To-go-Drinks könne man "rund acht Millionen Straßenpapierkörbe füllen". Oder: Eben daneben werfen und die Stadt verschandeln.

Der VKU nimmt nicht nur die Müllsünder selbst ins Visier. Er übt auch Kritik an der Entwicklung der Verpackungsgesetzgebung in Deutschland. Man hätte auf den "teuren Grünen Punkt" gesetzt statt auf klarere und verbindlichere Vorgaben. "Ursprüngliche Ziele der Verpackungsentsorgung – weniger Verpackungen, mehr Recycling – wurden nicht erreicht."

Hersteller sollen Müllkosten mittragen

Doch jetzt will der Bund den Kampf gegen die Müllflut verstärkt aufnehmen. Parallel zu den erhöhten Bußgeldern macht er eine zweite Front auf. Mit der EU-Einweg-Kunststoffrichtlinie vom Frühjahr dieses Jahres als europarechtlicher Grundlage sollen die Hersteller von Einweg- oder Wegwerfartikeln künftig an den Reinigungs- und Entsorgungskosten im öffentlichen Raum beteiligt werden. Das gilt für Fast-Food-Verpackungen, Getränkebecher, leichte Kunststofftragetaschen und auch für Zigarettenfilter. Auswirkungen auf die Verkaufspreise nicht ausgeschlossen.

VKU-Vize Patrick Hasenkamp sagt: "Kosten der Straßenreinigung werden bisher über Straßenreinigungsgebühren und die kommunalen Haushalte finanziert. Hier brauchen wir mehr Verursachergerechtigkeit."

Wie das genau passieren soll? Wie hoch die Abwälzung der Reinigungskosten auf die Hersteller am Ende ausfallen wird? Wie die Zusatzeinnahmen verteilt werden? Das alles ist noch unklar. Der Verband will bis zum Sommer nächsten Jahres in ausgewählten Mitgliedskommunen, darunter die Großstädte Münster und Duisburg, durch Tests detailliert erfassen, welcher Aufwand dort tatsächlich betrieben werden muss – und dann die Rechnung aufmachen.

Die deutschen Städte, so schätzt man bei dem VKU jetzt schon, geben für die Beseitigung des Abfalls und der Schäden insgesamt "Hunderte Millionen" Euro aus.

Kommunen rüsten gegen Müllsünder auf

Offen ist aber auch eine andere, entscheidende Frage: Wie Müllsünder effektiv ertappt werden können. Zwar gab es in Dresden in den letzten Jahren laut Ordnungsamt 1.439 Verfahren wegen auf der Straße verteilter Kaugummis und Pappbecher. Doch die Bilanzen kommunaler Ordnungsdienste sehen nicht immer so gut aus. Der in Kiel war in den ersten vier Monaten 2019 zwar mit 6.350 Anzeigen äußerst erfolgreich – nur 350 davon betrafen jedoch unerlaubte Abfallentsorgung, Verunreinigung von Grünanlagen und weggeworfene Kippen. Auch in Bonn lagen die Zahlen nach ersten Einsatzmonaten eher niedrig. In Frankfurt wurden 2018 gerade drei Knöllchen wegen Hundekot verteilt.

Eines der Probleme, das die Städte haben: Nähern sich erkennbar kommunale Bedienstete, werden aus nachlässigen Mitbürgern schnell gesetzestreue Mülleimernutzer. In Dortmund, wo der Stadtrat die Einrichtung eines "Ermittlungsdienstes Abfall" für Anfang 2020 beschlossen hat, wird die Truppe deshalb mit Zivilfahrzeugen, lichtempfindlichen Kameras und Blend-Taschenlampen ausgestattet. In Teilen Berlins lassen "Müll-Polizisten" ihre Uniformen zu Hause und sind künftig zivil unterwegs.


Vielleicht gelingt es Deutschland am Ende, den Erfolg südlicher Nachbarn zu kopieren. Österreichs Hauptstadt Wien gilt seit Längerem als Vorbild. 50 Köpfe stark ist dort die Anti-Müll-Brigade, die bereits vor zehn Jahren die Arbeit aufgenommen hat. Hundehaufen waren damals zur flächendeckenden Belästigung geworden. Heute werden jährlich 250.000 Euro an Bußgeldern eingenommen. Und Wien gilt mittlerweile als eine der saubersten Städte Europas.

Verwendete Quellen
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