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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Festgefahrene Schulden-Verhandlungen Steckt in diesem FDP-Vorschlag die Lösung?

Die FDP nutzt die Sondersitzung im Bundestag für einen vielleicht letzten großen Auftritt – und stellt einen eigenen Plan für mehr Militärausgaben vor.
Eigentlich hatten sie schon mit dem Kistenpacken begonnen. Jetzt aber dürfen die Abgeordneten der FDP noch eine Ehrenrunde im Bundestag drehen, ehe es in die außerparlamentarische Opposition geht: Im Milliarden-Streit um neue Schulden für Bundeswehr und Infrastruktur richten sich vor der Sondersitzung des Parlaments am Donnerstag die Augen nun auch auf die Liberalen.
Das liegt zum einen daran, dass sich die Verhandler von CDU/CSU, SPD und Grünen seit Tagen nicht einigen können, das schwarz-rote Sondervermögen wackelt ebenso sehr wie die Ausnahme bei der Schuldenbremse fürs Militär. Zum anderen wird angesichts der Summen, um die es derzeit geht, vielen Menschen nicht nur im Berliner Regierungsviertel blümerant. Manch einer fragt sich, ob es nicht auch einen finanzpolitisch weniger waghalsigen Weg zur Modernisierung von Armee und Infrastruktur gibt, eine Politik also, für die bis zuletzt die FDP eingetreten ist.
Die Liberalen sagen: Den gibt es – und halten ihn fest in einem eigenen Gesetzentwurf, den die Fraktion am Donnerstag ins Plenum einbringen will. Was steht drin? Und wäre das womöglich eine echte Alternative zu den Plänen von Union und SPD, bei denen für die nötige Zweidrittelmehrheit die Grünen mitmachen sollen?
Weniger Schuldenspielraum für neue Regierung
Der Gesetzentwurf, der t-online vorliegt, sieht vor, das bereits bestehende 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr um 200 Milliarden Euro aufzustocken und zu einem "Verteidigungsfonds für Deutschland" zu erweitern. Dieser Fonds dürfe aber nur dann angezapft werden, wenn Verteidigungsausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus dem regulären Haushalt finanziert würden.
"Dadurch wird sichergestellt, dass das kreditfinanzierte Sondervermögen ausschließlich zusätzliche, über die zur Erfüllung des 2-Prozent-Ziels der Nato hinaus erforderliche Verteidigungsausgaben abdeckt", heißt es in dem Entwurf. "Eine Umwidmung von Verteidigungsausgaben im Kernhaushalt wird so verhindert."
Der Vorschlag der FDP würde einer künftigen Bundesregierung weitaus weniger finanziellen Spielraum geben als die Vorschläge von Union und SPD: Die schwarz-roten Sondierer hatten sich zuletzt auf eine deutlich umfassendere Ausnahme von der Schuldenbremse fürs Militär geeinigt, die faktisch grenzenlose Verteidigungsausgaben auf Pump ermöglichen könnte. Demnach sollen lediglich Ausgaben in Höhe von einem Prozent der Wirtschaftsleistung aus dem regulären Haushalt stammen, derzeit wären das in etwa 45 Milliarden Euro. Sämtliche Ausgaben, die diese Summe übersteigen, sollten demnach schuldenfinanziert werden, ohne dass diese Kredite auf die Schuldenbremse angerechnet würden.
Parallel dazu wollen CDU/CSU und SPD ein Sondervermögen einrichten, um die Infrastruktur zu modernisieren. Dafür ist eine halbe Billion Euro (500 Milliarden Euro) vorgesehen.
"Für alle Seiten annehmbarer" Vorschlag
Letzteres lehnt die FDP in Gänze ab, anders als die Grünen, die grundsätzlich für kreditfinanzierte Investitionen in die Infrastruktur sind. Ihre Kritik an den vorliegenden Plänen ähnelt sich aber: Die Koalition in spe spare an anderer Stelle nicht genug – sondern genehmige sich im Gegenteil gar noch zusätzliche Ausgaben für "Wählergeschenke", die schnell verkonsumiert, also nicht nachhaltig investiert sind. Als Beispiel dafür nennen FDP und Grüne die Erweiterung der Mütterrente, die allein mehr als 4 Milliarden Euro kosten würde.
Die Idee der Liberalen ist angesichts des bisherigen kategorischen Neins zu einer höheren Staatsverschuldung durchaus bemerkenswert. Auch bei der FDP scheint man die Zeichen der neuen Zeiten erkannt zu haben, anders lässt sich der Vorschlag für 200 Euro Extra-Milliarden für die Bundeswehr kaum erklären.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hat diesen bereits der Union vorgestellt. Nach t-online-Informationen gab es dafür ein Treffen mit Unionsfraktionsvize Jens Spahn, der auch zum Sondierungsteam von CDU/CSU zählt. Dürr sagte, mit dem Vorschlag würde Deutschland "sehr konkret auf die veränderte Weltlage reagieren, ohne seine finanzpolitische Stabilität über Bord zu verwerfen".
"Meines Erachtens besteht die Möglichkeit, dass sich alle demokratischen Parteien der Mitte hinter diesem Vorschlag versammeln können", so der Fraktionschef weiter. "Angesichts der verfahrenen Lage nach den Sondierungsgesprächen von Union und SPD leistet die FDP damit einen Beitrag, der für alle Seiten annehmbar sein sollte."
Union und SPD brauchen nur die Grünen
Für die Schulden-Vorhaben von Union und SPD braucht es eine verfassungsändernde Zweitdrittelmehrheit. Die wiederum gibt es nur noch für begrenzte Zeit, im alten Bundestag, weil im neuen die Parteien der Ränder, AfD und Linke, eine Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Sitze haben. Beide lehnen höhere Ausgaben für die Bundeswehr ab.
Eine recht große Zweidrittelmehrheit im alten Bundestag hätten die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Grünen, die darum nach der Absage der Grünen zum schwarz-roten Schuldenplan nun intensiv über einen möglichen Kompromiss verhandeln. Deutlich knapper fiele eine verfassungsändernde Mehrheit von Union, Sozialdemokraten und FDP aus.
Da die Liberalen aber ohnehin skeptisch gegenüber einer größeren Staatsverschuldung sind, werben die Konservativen vor allem um die Zustimmung der Grünen, die im Wahlkampf immer wieder für große Geldtöpfe und auch eine Reform der Schuldenbremse getrommelt haben.
Ob die FDP-Idee tatsächlich eine größere Rolle spielen könnte und ob sie als Lösung für die verfahrene Situation taugt, ist darum mehr als fraglich. Zuletzt war zu hören, dass es zwischen Union und SPD einerseits und den Grünen andererseits Bewegung gegeben haben soll.
- Eigene Recherche
- Gesetzentwurf der FDP