Kritik an Einigung von CDU und SPD "Dadurch wird der Wählerwille eindeutig missachtet"
Die ersten Reaktionen auf die historische Einigung zwischen Union und SPD fallen verhalten aus. FDP und AfD üben harte Kritik, die Grünen kündigen eine Prüfung an.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hält die Einigung zwischen Union und SPD über ein gigantisches Finanzpaket für wegweisend zur Stärkung der Sicherheit des Landes. "Das ist ein historischer Tag, für die Bundeswehr und für Deutschland", sagte der SPD-Politiker dem "Spiegel". Pistorius' Einschätzung: "Wir senden ein starkes Signal an die Menschen in unserem Land und an unsere Bündnispartner." Ein entsprechender Beschluss des Bundestags ermögliche, dass Deutschland mit anderen eine führende Rolle übernehmen könnte, die Nato in Europa zu stärken.
Nach den Plänen von Union und SPD soll einerseits die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert werden. Außerdem soll ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur mit 500 Milliarden Euro geschaffen werden.
Die AfD kündigte am Dienstag an, ihre Fraktion werde die von Union und SPD "in Aussicht gestellten Anträge zur Kredit-Finanzierung von Verteidigung und Infrastruktur eingehend prüfen, sobald diese im Detail vorliegen". In der gemeinsamen Erklärung der Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla hieß es weiter: "Wir sehen es als sehr kritisch an, dass diese Maßnahmen noch vom alten Bundestag beschlossen werden sollen." Dadurch werde der in der Bundestagswahl ausgedrückte Wählerwille "eindeutig missachtet", argumentierten Weidel und Chrupalla.
Kubicki: "Wir stimmen nicht zu"
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies Vorwürfe zurück, die Union habe nach der Wahl bei der Schuldenbremse eine Kehrtwende vollzogen. Die Situation habe sich zuletzt dramatisch verändert. Deutschland müsse mehr Verantwortung übernehmen. Dobrindt betonte im "heute journal" des ZDF zugleich, dass es im Haushalt auch Prioritätensetzungen und Einsparungen geben müsse.
Dobrindt hob hervor, die bisherigen Sondierungen hätten gezeigt, dass Union und SPD vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Die Union setze darauf, dass man womöglich nächste Woche zu Koalitionsverhandlungen komme und man dann möglichst bald eine Koalition bilden könne.
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki lehnt das Finanzpaket ab. Einem Sondervermögen für Investitionen stimme er nicht zu, sagte Kubicki bei Welt-TV: "Es gibt gar keinen Handlungsbedarf. Das kann man auch im neuen Bundestag machen." Für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit zur Umsetzung der schwarz-roten Pläne im alten Bundestag sind die FDP-Stimmen jedoch nicht erforderlich. Dem neugewählten Bundestag wird die FDP nicht mehr angehören. Allerdings brauchen Union und SPD die Zustimmung der Grünen.
Grüne: "Wir machen gar nichts auf Zuruf"
Die reagierten zunächst zurückhaltend auf die Einigung. "Wir werden uns die Vorschläge nun in Ruhe anschauen", kündigte Fraktionschefin Britta Haßelmann an. "Wichtig ist uns eine langfristige Lösung grundsätzlicher Regeln der Schuldenbremse, und dass neben dem Thema Sicherheit auch Investitionen in Infrastruktur, Wirtschaft und Klima nachhaltig angegangen werden", so Haßelmann weiter.
Die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Katharina Dröge, betonte ebenfalls, die Grünen würden sich die Vorschläge genau anschauen. "Wir machen gar nichts auf Zuruf", sagte sie in einem ARD-"Brennpunkt". Sie bemängelte, dass bei dem geplanten Sondervermögen zur Infrastruktur der Klimaschutz nicht vorkomme. CDU-Chef Merz warf sie zugleich ein gewisses Maß an "Skrupellosigkeit und Unverfrorenheit" vor, weil er eine Woche nach der Wahl tue, was er vor der Wahl abgelehnt habe, nämlich an die Schuldenbremse heranzugehen.
- Nachrichtenagenturen Reuters, dpa und AFP