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Merz lässt seiner CDU keine Wahl – Risse in der Brandmauer


Union vor der Abstimmung
Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen


Aktualisiert am 31.01.2025 - 10:27 UhrLesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:250131-935-432270Vergrößern des Bildes
Mehrheiten mithilfe der AfD: CDU-Chef Merz hat das lange ausgeschlossen. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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Groß ist die Kritik an der Union wegen ihrer Abstimmung zusammen mit der AfD am Mittwoch. Der Druck auf sie ist nun vor der erneuten Abstimmung entsprechend enorm. Doch ihr bleibt keine andere Wahl mehr.

Am Donnerstagnachmittag ist die Lage im Bundestag angespannt. Versteinerte Gesichter sind in den Fluren zu sehen. Viele Parlamentarier berichten bedrückt vom Mittwoch und blicken mit Sorge auf diesen Freitag. Am Mittwoch haben CDU und CSU für ihren Entschließungsantrag zur Begrenzung illegaler Migration im Bundestag erstmals eine Mehrheit mithilfe der AfD in Kauf genommen. Ein Erfolg für die in weiten Teilen rechtsextreme Partei. Und ein Novum, das sich am heutigen Freitag wiederholen könnte. Dann könnte sogar erstmals ein Gesetz mithilfe der AfD beschlossen werden.

Im Büro einer Abgeordneten herrscht deshalb betretene Stimmung. Gerade kam die Nachricht herein, dass das Konrad-Adenauer-Haus in Berlin geräumt wurde. Vor den Türen der Parteizentrale hätten sich Tausende Menschen versammelt, die Sicherheitsbehörden berichteten von geplanten Besetzungen und Sabotageaktionen. Sie atmet tief durch, sieht auf ihr Handy. Auch in ihrem Büro kamen zahlreiche Mails mit Drohungen und Beleidigungen an. Sie hat deswegen eine Reihe von Wahlkampfterminen abgesagt. Eigentlich gehört die CDU-Politikerin zu denen, die sich am Mittwoch bei der Abstimmung schwergetan haben. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie vielleicht anders gestimmt. Aber kurz vor der Bundestagswahl dem eigenen Spitzenkandidaten die Gefolgschaft verwehren? Das ist noch nie gut ausgegangen.

Merz hat seinen Abgeordneten keine Wahl gelassen

Fast hatten sie in der Union gedacht, Friedrich Merz würde im Schlafwagen ins Kanzleramt fahren. Für viele war das gar nicht so schlecht. Der Kanzlerkandidat hatte auf das Thema Wirtschaft gesetzt, Migration übernahm die CSU. Provokante Thesen oder Übersprunghandlungen? Blieben weitestgehend aus. Zur Erleichterung der eigenen Leute. Doch als am Mittwoch vor einer Woche ein eigentlich ausreisepflichtiger Afghane in Aschaffenburg zwei Menschen tötete, darunter ein Kleinkind, änderte sich alles.

Für Friedrich Merz war damit klar: Jetzt muss bei der Migration etwas passieren. In einer kleinen Runde der Unionsspitze einigte man sich darauf, dass Merz am Tag nach dem Angriff ankündigen sollte, am ersten Tag seiner Kanzlerschaft Gebrauch von seiner Richtlinienkompetenz zu machen. Er werde das "Bundesinnenministerium anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen", so der CDU-Vorsitzende. So weit so gut. Aber Merz ging noch weiter. Das Versprechen für nach der Wahl reichte ihm nicht. Er wollte auch im Bundestag handeln. Und zwar sofort. Also kündigte er ebenfalls an, in der letzten regulären Sitzungswoche Vorschläge in den Bundestag einzubringen, "egal, wer sonst noch mitmacht".

Bei Teilen der CDU herrschte kurz so etwas wie Schockstarre. Denn damit erklärte der Vorsitzende, ob direkt oder indirekt, dass er bereit sei, eine Mehrheit mithilfe der AfD in Kauf zu nehmen, sollten Grüne und SPD den Vorschlägen der Union im Bundestag nicht zustimmen.

Es ist eine Entscheidung, auf die es in der Partei sehr unterschiedliche Perspektiven gibt. Nicht jeder teilt sie. Und doch ist für alle klar: Drei Wochen vor der Wahl lässt Merz ihnen kaum eine Wahl.

Sogar Merkel mischt sich in den Wahlkampf ein

Tatsächlich gibt es in der Union gerade drei Gruppen: jene, die die Entscheidung von Merz für falsch halten. Die darauf pochen, man müsse in der Mitte des Parlaments nach Kompromissen suchen und könne Vorschläge nicht mithilfe von Ultimaten erzwingen. Mancher von ihnen versucht, zwischen den Zeilen zu mahnen. Offene Kritik übt jedoch keiner an Merz.

Dann gibt es jene, die das Vorgehen für schwierig, aber notwendig halten. Sie sehen es am Ende nicht anders als Merz. Eigentlich würden sie sich andere Mehrheiten wünschen, nehmen das Szenario jedoch in Kauf und machen auch Grüne und SPD verantwortlich dafür, dass eine Mehrheit nur mithilfe der AfD zustande kommt.

 
 
 
 
 
 
 

Und dann gibt es noch jene, die das ganze Vorgehen überhaupt nicht problematisch finden. Im Gegenteil. Mancher wirbt seit Jahren dafür, sich nicht von SPD und Grünen abhängig zu machen. Dass Mehrheiten auch mithilfe der AfD möglich seien. Ihnen ist das, was in dieser Woche passiert, mehr als recht. Auch, wenn der CDU-Chef betont, es handele sich nicht um einen Präzedenzfall. Für sie ist klar, damit ist die Tür offen.

Wer die Union am Mittwoch im Parlament beobachtete, als das Ergebnis der Abstimmung verkündet wurde, der konnte sich ein Bild von der Stimmung machen, die sich auch für den heutigen Freitag abzeichnet. Viele waren nach der Abstimmung gar nicht erst zurück ins Plenum gekommen. Diejenigen, darunter auch Merz selbst, die auf ihren Plätzen saßen, blickten zu Boden oder in die Leere, während sich wenige Meter entfernt die AfD jubelnd in den Armen lag.

Die Situation schien so verstrickt, dass am Donnerstag sogar das Undenkbare passierte: Angela Merkel schaltete sich ein. In einer Erklärung auf ihrer Webseite kritisierte die Altkanzlerin offen das Vorgehen ihres Nachfolgers. Eine Reihe ehemaliger CDU-Größen wie der ehemalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier folgten. Michel Friedmann kündigte an, er trete aus der Partei aus. Bei einigen der Abgeordneten ist das Unbehagen über die anstehende Abstimmung seitdem weiter gewachsen. Dass sie an diesem Freitag mit "Nein" stimmen, ist dennoch unwahrscheinlich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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