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Ricarda Lang: Grünen-Politikerin glaubt, dass sich die Wähler "verarscht fühlen"


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Ricarda Lang
Grünen-Politikerin glaubt, dass sich die Wähler "verarscht fühlen"


16.12.2024 - 03:13 UhrLesedauer: 5 Min.
Grünen-Politikerin Ricarda Lang zu Gast bei Caren Miosga.Vergrößern des Bildes
Grünen-Politikerin Ricarda Lang zu Gast bei Caren Miosga. (Quelle: IMAGO/Uwe Koch)
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Ricarda Lang erklärte bei "Caren Miosga", warum sie heute freier reden kann als vor ihrem Rücktritt als Grünen-Chefin und wovor sie damals besonders Angst hatte.

Machtkämpfe, mangelnder Zusammenhalt und miserable Kommunikation: Kurz vor dem Vertrauensvotum von Bundeskanzler Olaf Scholz widmete sich Talkshow-Gastgeberin Caren Miosga noch einmal den Gründen für das Scheitern der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP. "Was sind die Lehren aus dem Ampel-Aus?", fragte die Moderatorin die Gäste in ihrer ARD-Sendung am Sonntagabend und bekam zu hören, dass es für zukünftige Regierungen schwierig werden könnte, es substanziell besser zu machen.

Gäste:

  • Ricarda Lang (Bündnis 90 / Die Grünen), Bundestagsabgeordnete
  • Peer Steinbrück (SPD), Ex-Bundesfinanzminister
  • Robin Alexander, stellvertretender "Welt"-Chefredakteur

"Wir haben in den letzten Jahren eine Regierung erlebt, die vieles – gerade in der Krisenbewältigung – hinbekommen hat, aber die auch viel an politischer Kultur kaputt gemacht hat", gab Ricarda Lang zu. Die Grünen-Politikerin, die bis vor Kurzem noch Vorsitzende ihrer Partei war, gehörte zu den prägenden Gesichtern der Ampelkoalition. Dass mit ihrem Amt auch eine rhetorische Last von ihr gefallen sei, machte Lang wiederholt durch ihre Äußerungen deutlich.

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Den Grund, warum Politiker die Öffentlichkeit lieber in Watte packten, als Unangenehmes zu thematisieren, benannte Lang ebenfalls klar. "Aus Angst", erklärte sie unumwunden. Man sitze beispielsweise in Talkshows und habe aus Sorge vor der Skandalisierung eigener Aussagen immer schon die Schere im Kopf. Bei den Menschen entstehe dadurch das ungute Gefühl, dass die Politik ihnen etwas verheimliche, was wiederum zu einem großen Vertrauensverlust führe, so die ehemalige Grünen-Chefin, die bei der kommenden Bundestagswahl erneut für einen Sitz im Parlament kandidiert.

Würden sich die Wähler aber "verarscht" fühlen von den Regierenden, dann erhielten die Parteien an den Rändern noch mehr Zulauf, so Lang. Ihre Schlussfolgerung lautete: "Wir müssen anfangen, die Menschen wieder mehr wie Erwachsene zu behandeln".

Steinbrück kritisiert deutsche Diskussion über den Krieg

Auch der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat sprach davon, dass die Mitglieder seiner Zunft Angst hätten, die Probleme des Landes klar anzusprechen. Er merke das im Kontext des Ukrainekrieges, insbesondere beim Thema der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Viele Politiker würden so tun, als ob es immer noch die Wahl zwischen Krieg und Frieden gäbe, so Steinbrück. Dabei befinde sich Deutschland längst in einem hybriden Krieg mit Russland. "Wir werden angegriffen", sagte der 77-Jährige. Doch das den Menschen zu sagen, dafür fehle der Mut. "Und diese klare Ansage fehlt", so Steinbrück.

Zumutungen müssten klar adressiert werden, forderte der als Klartext-Redner Sozialdemokrat. "Ich glaube, dass viele Bürgerinnen und Bürger die sogar in Kauf nehmen – unter einer Bedingung: dass diese Zumutungen gerecht verteilt sind", erklärte er. Trotzdem war Steinbrück sich sicher, für das Ansprechen einiger der "sehr unangenehmen Wahrheiten", mit denen Deutschland sich auseinandersetzen müsse, einen Shitstorm in den sozialen Medien zu ernten.

"Wir werden in Deutschland gesamtwirtschaftlich mehr arbeiten müssen", führte Steinbrück als Beispiel für eine solche Aussage und Realität an. Die Zahl der Arbeitsstunden pro Jahr sei hierzulande zu niedrig, die der Ausfallzeiten aus gesundheitlichen Gründen zu hoch. Auch bei der Rente dürfe nicht alles beim Alten bleiben. "Wir können den demografischen Wandel mathematisch nicht überlisten, indem wir politisch zurückschrecken und so tun, als ob wir nichts ändern müssten", resümierte der SPD-Kanzlerkandidat des Jahres 2013.

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Es fehle für einen Wandel in der Kommunikation mit der Wählerschaft an politischer Führung, konstatierte "Welt"-Journalist Robin Alexander und nannte stellvertretend die aktuellen Wahlprogramme. "In der Union gibt es gar keine Gegenfinanzierung, und in der SPD gibt es eine Gegenfinanzierung, wo jeder auf dem Bierdeckel ausrechnen kann, dass es nicht hinkommt." Man habe sich also für das Gegenteil einer klaren Auseinandersetzung mit den Problemen entschieden. "Die wissen, was zu machen ist – das weiß ja jeder –, aber sie trauen sich nicht", lautete Alexanders Fazit im Hinblick auf die mangelnde Nachhaltigkeit des deutschen Rentensystems.

Lang wirft Union Unehrlichkeit vor

Dass Wahlprogramme viele Versprechungen enthielten, sei völlig normal, was man aber aktuell, insbesondere bei der Union erlebe, sei der Gipfel der Unehrlichkeit, schloss sich Lang der Kritik des Politikjournalisten an. Die Pläne steckten voller Steuergeschenke, vor allem für Leute mit relativ großem Geldbeutel, ohne auch nur im Geringsten darzulegen, woher das Geld dafür kommen solle. Das könne nur heißen, dass man es damit entweder nicht ernst meine oder nicht sagen wolle, wo man stattdessen Gelder kürzen wolle: "Wenn man die Fragen nicht beantwortet, dann ist es wirklich nur Wählerverarsche", so Lang.

Dass auch sie in der Vergangenheit schon versucht habe, Mist für Gold zu verkaufen, gestand die Grüne allerdings ein. Konfrontiert mit einem wortreichen, aber nichtssagenden Beitrag ihrer selbst zu einem Regierungskompromiss, erklärte Lang, solche Auftritte seien ihr im Nachhinein peinlich.

Die Gefahr, die mit einem Mangel an Mut und einem Übermaß an Selbstüberhöhung gegenüber Populisten einhergeht, hatte die Ex-Grünen-Chefin zuvor beschrieben. "Liberale Demokratien, die immer schwülstiger in der Beschwörung ihrer selbst werden, aber immer substanzloser im Umgang mit der Realität, die werden sich irgendwann selbst zerstören", so Lang.

Söder-Geste bringt Steinbrück in Wallung

Dass es ihm schwerfällt, ein Blatt vor den Mund zu nehmen, führte zum Ende der Sendung noch einmal Peer Steinbrück vor. Diesmal in seinem Visier: der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder. Dieser hatte sich kürzlich in Warschau vor dem Denkmal der Helden des Warschauer Gettos niedergekniet und damit jene historische Geste wiederholt, die Bundeskanzler Willy Brandt am 7. Dezember 1970 an selber Stelle als Zeichen der Demut und Reue vollzogen hatte.

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"Darf ich da ganz klar sagen: Das ist eine der größten Geschmacklosigkeiten, die ich von einem deutschen Politiker in den letzten Jahren erlebt habe", schimpfte Steinbrück. Sich als Nächstes, wie Söder es auf der Social-Media-Plattform X getan hatte, mit Würstchen ablichten zu lassen, sei "eine Art der Banalisierung der Politik, die genau zu dem Vertrauensverlust beiträgt, über den wir hier gerade reden." Auf die Idee müsse man erst mal kommen. "Da sind irgendwelche Synapsen nicht richtig verdrahtet bei dem Mann", legte der Sozialdemokrat nach.

Vor dem Hintergrund, dass aktuellen Umfragen zufolge die wahrscheinlichste Option für die nächste Bundesregierung ein Bündnis aus CDU, CSU und SPD ist, lassen solche Attacken nichts Gutes ahnen. In der Sendung wurde zwar deutlich, dass die Ampel – gerade beim öffentlichen Austragen von Streitigkeiten – allen zukünftigen Koalitionen als negatives Beispiel dienen wird, dass sie es aber besser hinbekommen, ist damit freilich nicht gesagt. Viele der angesprochenen Probleme – vom allgemeinen Vertrauensverlust bis hin zu den ideologischen Gräben – dürften die Politik jedenfalls auf Dauer begleiten.

Verwendete Quellen
  • ARD: Sendung "Caren Miosga" vom 15. Dezember 2024
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