Nach hitziger Bundesratssitzung Welche Auswirkungen die Krankenhausreform hat
Minister Lauterbach bringt sein Prestigeprojekt trotz des Bruchs der Ampelkoalition ins Ziel: Eine Neuaufstellung der Kliniken ist nach langem Gezerre beschlossene Sache. Doch was bedeutet das genau?
Nach fast zweijährigem Ringen um eine große Krankenhausreform hat Karl Lauterbach sein Prestigeprojekt durchgesetzt. Der Bundesrat ließ den Entwurf passieren, sodass das Gesetz am 1. Januar in Kraft tritt.
Dabei kam es im Vorfeld immer wieder zu hitzigen Diskussionen, die noch in der entscheidenden Bundesratssitzung andauerten. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) entließ in der laufenden Sitzung die Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), bevor es zur Abstimmung kam. Die thüringische Regierung war sich dagegen uneins, sodass die Stimmen aus dem Freistaat ungültig waren. Lesen Sie hier mehr dazu.
Die Ziele der Reform: weniger Finanzdruck für die Kliniken und mehr Spezialisierung bei komplexeren Eingriffen sollen zu einer besseren Versorgung der Patienten führen. t-online beantwortet die wichtigsten Fragen zur Reform.
Wofür braucht es überhaupt eine Reform?
In Deutschland gibt es nach Experteneinschätzung im Vergleich zu den Nachbarländern relativ viele Kliniken – und diese haben seit Jahren schwelende Probleme: Finanznöte, Personalengpässe, und ein Drittel der 480.000 Betten sind laut Gesundheitsministerium nicht belegt. Lauterbach sieht die Reform denn auch als eine Art Notbremse: Ohne Änderungen drohten Klinik-Insolvenzen und nicht optimale Behandlungen.
Dabei sei klar, dass Deutschland weder den medizinischen Bedarf noch das Personal für 1.700 Krankenhäuser habe. Ziel sei daher, den wirklich benötigten Häusern eine auskömmliche wirtschaftliche Basis zu sichern.
Was sieht die Reform bei der Vergütung vor?
Das vor 20 Jahren eingeführte Vergütungssystem mit Pauschalen pro Behandlungsfall soll grundlegend geändert werden. Denn es führt laut Lauterbach bisher zu einem "Hamsterrad-Effekt", bei dem Kliniken versuchen, auf möglichst kostengünstige Weise auf möglichst viele behandelte Fälle zu kommen – oder sogar zu Anreizen für medizinisch unnötige Eingriffe.
Künftig soll es daher einen festen Sockel von 60 Prozent der Vergütung schon allein dafür geben, dass Kliniken eine Grundausstattung mit Personal und Geräten für bestimmte Leistungen vorhalten. Der Rest soll weiterhin durch Fallpauschalen finanziert werden. Zusätzliche Vergütungszuschläge soll es geben für Kliniken mit Kinderheilkunde, Geburtshilfe, Intensiv- und Unfallmedizin, speziellen Schlaganfall-Stationen und Notfallversorgung.
Was sieht die Reform bei der Behandlungsqualität vor?
Die neue Fix-Vergütung soll eine Klinik für "Leistungsgruppen" bekommen, die ihr das Land zuweist. Sie bilden medizinische Leistungen ab, und zwar präziser gefasst als grob benannte Fachabteilungen. Ausgangspunkt sollen 65 Gruppen sein, die maßgeblich auf ein Modell aus Nordrhein-Westfalen zurückgehen – etwa "OPs an der Wirbelsäule" oder "Leukämie".
Dabei muss ein Krankenhaus bestimmte Qualitätskriterien erfüllen, um eine Leistungsgruppe zu erhalten, etwa was das Fachpersonal und die Ausstattung angeht. Lauterbach machte wiederholt klar, dabei keine Abstriche machen zu wollen. Denn so soll sichergestellt werden, dass etwa Krebsbehandlungen in Kliniken mit den dafür nötigen Spezialkenntnissen gemacht werden.
Was heißt das für das Netz der Kliniken?
Steuern sollen den Wandel die für die Krankenhausplanung zuständigen Länder. Sie könnten etwa sagen, ob es in einer Region zwei oder vier Standorte für Wirbelsäulenchirurgie gebe, erläuterte Lauterbach. Die neue Fix-Vergütung soll auch die weitere Existenz kleinerer Häuser auf dem Land absichern.
Die Länder sollen Standorte zudem zu "sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen" erklären können, die "wohnortnah" stationäre Behandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden. Wo Praxen von Fach- und Hausärzten fehlen, sollen Patienten künftig für diese Behandlungen auch ins Krankenhaus gehen können. Wegfallen dürften Klinikstandorte vor allem in westdeutschen Großstädten.
Sind Finanzhilfen für Klinken geplant?
Das Gesetz sieht auch Finanzspritzen vor. So sollen Kostensteigerungen der Kliniken – etwa bei den Tariflöhnen der Beschäftigten – schon von diesem Jahr an nicht mehr nur zur Hälfte, sondern voll von den Krankenkassen finanziert werden. Um den Wandel zu den neuen Strukturen zu unterstützen, soll zudem ein "Transformationsfonds" kommen, aus dem von 2026 bis 2035 bis zu 25 Milliarden Euro fließen könnten – sofern sich die Länder in jeweils gleicher Höhe beteiligen. Kommen soll das Geld aus Mitteln der gesetzlichen Kassen und – entsprechend ihrem Anteil an den Behandlungen – der privaten Krankenversicherungen.
Was bringt der große Umbau?
Im Entwurf weist das Ministerium auf "Effizienzgewinne und Minderausgaben" durch eine stärker koordinierte, hochwertigere Versorgung hin. Die Jahresausgaben der gesetzlichen Kassen für Kliniken stiegen zuletzt schon auf 94 Milliarden Euro. Das war ein Drittel aller Leistungsausgaben.
Die Kassen unterstützen eine stärkere Spezialisierung für mehr Qualität – warnen aber vor einer weiteren "Kostenlawine" in einer ohnehin angespannten Finanzlage. Die Kliniken und die Länder fordern denn auch schnellere Finanzspritzen, da die erst in einigen Jahren greifende Reform manche Häuser sonst gar nicht mehr erreichen könnte.
Wie geht es weiter?
Planmäßig in Kraft treten soll die Reform zum 1. Januar 2025. Komplett umgesetzt würde sie dann aber nicht sofort, sondern schrittweise bis 2029. Geplant ist, dass die Länder ihren Kliniken bis Ende 2026 die jeweils vorgesehenen Leistungsgruppen zuweisen.
Die Finanzierung soll dann 2027 und 2028 schrittweise auf das neue System umgestellt werden, wie das Ministerium erläutert.
- Nachrichtenagentur dpa