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Neuwahlen: Heftiger Streit über Wahltermin – war es das wert?


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Streit um Neuwahlen
Als gäbe es nichts Wichtigeres


Aktualisiert am 12.11.2024Lesedauer: 5 Min.
Jetzt entscheidet das Duell zwischen Scholz und Merz.Vergrößern des Bildes
Der Wahltermin ist geklärt, nun beginnt das Duell Scholz gegen Merz. (Quelle: Hannes P. Albert/dpa)

Tagelang stritten SPD und Union über den Neuwahltermin, bis am Dienstag eine Einigung präsentiert wurde. Der Ton war rau, es hagelte Vorwürfe, selbst die Bundeswahlleiterin wurde attackiert. War es das wert?

An diesem Dienstagabend soll im Schloss Bellevue in Berlin das Ende der Bundesregierung besiegelt werden. Um 18.30 Uhr treffen dort nach t-online Informationen der Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) und der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, um über den Termin für Neuwahlen zu sprechen.

Tagelang hatten Merz und Mützenich in Rücksprache mit ihren Parteispitzen über einen Zeitplan verhandelt. Der Termin am 15. Januar, den der Bundeskanzler ursprünglich für die Vertrauensfrage angekündigt hatte? War der Union zu spät. Merz' Gegenvorschlag, die Vertrauensfrage bereits diese oder nächste Woche zu stellen, wollte Scholz wiederum nicht.

Eine Weile ging das so, hin und her. Jetzt ist man sich einig: Am 23. Februar soll in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt werden.

Wie aus der Vertrauensfrage ein Pingpongball wurde

Zunächst hatten sowohl die SPD als auch die Union über das Wochenende an ihren jeweiligen Standpunkten festgehalten.

Die Genossen bestanden am Wochenende zumindest öffentlich weiter auf dem 15. Januar, vorher sei es einfach nicht machbar. Das Argument: Zu schnelle Neuwahlen brächten organisatorische Probleme mit sich, hieß es in der SPD. Die Bundestagswahl müsse rechtlich und logistisch einwandfrei ablaufen. Die Populisten von AfD bis BSW würden jede Unregelmäßigkeit zum Anlass nehmen, Zweifel zu säen und das Wahlergebnis infrage zu stellen. Am Sonntag widerlegte Scholz die Begründung selbst, als er bei "Caren Miosga" plötzlich einlenkte und die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten in Aussicht stellte.

Auf der anderen Seite wiederholte man in der Union fast gebetsmühlenartig: Es werde keinen Deal zur Vertrauensfrage geben. Olaf Scholz müsse sie in dieser oder der nächsten Sitzungswoche stellen. Dann könnte am 19. Januar gewählt werden. Alles andere sei eine Verzögerungstaktik, um möglichst lange Wahlkampf zu machen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte Scholz den "Klebe-Kanzler", das Ganze sei eine politische Insolvenzverschleppung. Sogar die Unabhängigkeit der Bundeswahlleiterin Ruth Brand wurde infrage gestellt, die vor "unabwägbaren Risiken" übereilter Neuwahlen gewarnt hatte. Ein schwerer Vorwurf.

Am Montag klingen beide Seiten plötzlich sehr konziliant. Innerhalb weniger Stunden gibt es einen Termin für die Neuwahlen und die Vertrauensfrage. Was ist also in der Zwischenzeit passiert?

"Geruhsam" in die Neuwahl

Begonnen hat die Schlacht um den Wahltermin am vergangenen Donnerstag. Im Kanzleramt treffen sich Merz und Scholz im Büro des Kanzlers. Das Ampelzerwürfnis liegt da keine 12 Stunden zurück. Scholz soll ihm einen guten Grund dafür nennen, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen, so Merz. Der Kanzler weicht aus. Es gehe darum, jetzt eine "geruhsame" Entscheidung zu treffen. Bloß nichts übereilen. Merz reagiert irritiert. Was soll das heißen, "geruhsam"? Scholz präzisiert, er meine "geordnet". Auch das ist für Merz kein Argument. Nach gerade mal 25 Minuten gehen die beiden Männer ohne Einigung auseinander.

Einen Tag später steht SPD-Fraktionschef Mützenich vor der Tür von Merz' Bundestagsbüro. Er will wissen, ob der Oppositionsführer kurz Zeit habe. Hat er. Die beiden können gut miteinander. Für den kurzen Dienstweg nutzen sie häufiger ein separates Treppenhaus, das den Weg zwischen beiden Büros verkürzt.

In Merz’ Büro bietet Mützenich dem CDU-Chef an, die Vertrauensfrage schon früher zu stellen. Die Rede ist vom 20. Dezember. Der Kanzler werde auf seiner Ungarnreise gleich ein Pressestatement abgeben, in dem er Bereitschaft zu einem früheren Termin signalisieren könne, soll er Merz informiert haben. Der bittet um Bedenkzeit, um die Sache noch einmal mit den eigenen Leuten durchzusprechen. Man rechnet durch – und kommt auf einen Termin Anfang März. Zu spät, findet Merz. Im Fraktionsvorstand am Montag nennt er dann zwei Alternativen, die stattdessen infrage kämen: den 16. und den 23. Februar.

Video | Gemischte Reaktionen auf Neuwahl-Termin: "Kann nur zum Wohl der Bürger sein"
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Quelle: reuters

"Lächerlicher Streit"

Auch bei der SPD ist ein möglicher Neuwahltermin am Montag in den Gremien Thema. Im Präsidium spricht man Teilnehmern zufolge über den wachsenden öffentlichen Druck, mit Neuwahlen nicht allzu lange zu warten. Tatsächlich plädiert in Umfragen die Mehrheit der Deutschen für ein früheres Datum als den März 2025. Um das Gezerre mit der Union um den Termin nicht weiter eskalieren zu lassen, lenkt die SPD schließlich ein. Aus Parteikreisen heißt es, man habe den "lächerlichen Streit" beenden wollen. Es sei "unwürdig", was Merz wegen einer Verschiebung um wenige Tage veranstalte. Der 23. Februar sei jetzt der "frühestmögliche Termin", um die Bundestagswahl rechtssicher und logistisch sauber abzuhalten.

Während im Hintergrund schrittweise eine Annäherung stattfindet, sich langsam ein Kompromiss abzeichnet, wirken die Fronten nach außen weiterhin verhärtet. Noch am Montagabend wird vonseiten der Union betont, man werde hier nicht auf die SPD zugehen. Bis Dienstagmorgen.

Da geht es plötzlich ganz schnell. Im ZDF-Morgenmagazin kündigt der CDU-Generalsekretär an, es werde "in den nächsten Stunden" eine Entscheidung geben. Binnen Minuten gerät über verschiedene Kanäle eine Reihe von Terminen in Umlauf. Irgendwann steht fest: Die Vertrauensfrage wird Scholz aller Voraussicht nach am 16. Dezember stellen, Neuwahlen können dann am 23. Februar 2025 stattfinden.

Jetzt muss nur noch der Bundespräsident seinen Segen geben. Am Abend ist zwischen Mützenich, Merz und Frank-Walter Steinmeier ein Termin vereinbart.

Die Sachsen und die Saarländer haben das Nachsehen

Zu einem Streit gehören immer zwei. Die SPD kann sich wie die Union nun gleichermaßen die Frage stellen: Hat sich das öffentliche Gezerre um den Wahltermin am Ende wirklich gelohnt?

Beide Seiten haben ihre Argumente, warum sie Neuwahlen früher oder später wollen. Für die SPD etwa dürfte die Hamburg-Wahl am 3. März eine Rolle gespielt haben. Sie gewinnt hier in der Regel mit einem starken Ergebnis. Das, so ihr Kalkül, hätte für die Bundestagswahl Rückenwind geben können. Genau das wollte aber die Union verhindern, sie wollte zudem die Zeit verkürzen, in der Scholz aus dem Kanzleramt Wahlkampf machen kann.

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Wobei auch die jetzige Einigung ihre Tücken hat. Das Datum fällt mit den Schulferien in Sachsen und im Saarland zusammen. Menschen, die in der Zeit bereits ihren Urlaub gebucht haben, stellt das vor Probleme. Bei den Sozialdemokraten hat man den Hauptverantwortlichen schnell ausgemacht: "Dass es jetzt Sachsen trifft, ist die Schuld von Friedrich Merz", heißt es aus der Partei. Scholz habe nicht ohne Grund den März vorgeschlagen.

Am Ende haben sich beide Seiten von ihren Standpunkten, von denen sie zuvor unter keinen Umständen abrücken wollten, binnen kurzer Zeit verabschiedet. Es könnte ein Vorgeschmack auf künftige Gespräche zwischen Union und SPD sein. Etwa, wenn es um gemeinsame politische Vorhaben geht, die man bis zur Neuwahl noch beschließen will.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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