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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vertrauensfrage Was, wenn Scholz sie schon vor Weihnachten stellt?
Die Ampel ist Geschichte. Wann gibt es Neuwahlen? Das hängt davon ab, wann Scholz die Vertrauensfrage stellt: schon vor Weihnachten oder erst im Januar. t-online erklärt, wie es dann weitergeht.
Die FDP ist aus der Ampelkoalition ausgestiegen. Damit hat die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag nun keine Mehrheit mehr. Der Kanzler hat angekündigt, die Vertrauensfrage stellen zu wollen, um den Weg für Neuwahlen freizumachen.
Eigentlich will Scholz diesen Schritt erst am 15. Januar gehen. Doch der Chef der Unionsfraktion, Friedrich Merz, dringt auf den schnellstmöglichen Termin. Er will, dass der Kanzler die Frage schon am Mittwoch, dem 13. November, stellt. Damit könnte im Januar gewählt werden.
Setzt sich die Union am Ende durch? Oder wartet Scholz doch noch bis Januar? Welches der beiden Szenarien eintritt, hat große Auswirkungen darauf, wie die kommenden Monate in Deutschland aussehen.
Szenario 1: Scholz stellt die Vertrauensfrage schnell
Eine Vertrauensfrage an diesem Mittwoch, wie Merz sie fordert, hat Scholz schon verneint. Auf Druck hin erklärte Scholz aber in der ARD, auch ein Termin vor Weihnachten sei denkbar. Die Entscheidung schiebt er weiter: an die Fraktionschefs Rolf Mützenich (SPD) und Merz. Am Mittwoch möchte Scholz dann im Bundestag eine Regierungserklärung zur aktuellen Lage abgeben, vielleicht beinhaltet diese schon eine Entscheidung.
Bis Weihnachten blieben Scholz viele mögliche Tage, an denen er die Vertrauensfrage stellen kann. Nach dieser Woche kommt der Bundestag noch für drei weitere Sitzungswochen zusammen. Der letzte Sitzungstag im Jahr, und damit die letzte Möglichkeit für Scholz, die Frage vor Weihnachten zu stellen: Freitag, der 20. Dezember. Dafür müsste er spätestens am 18. Dezember einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Denn ein solcher ist 48 Stunden vor der Abstimmung Pflicht – so schreibt es das Grundgesetz vor.
Sobald Scholz die Frage dann vor dem Bundestag gestellt hat, müssen die Abgeordneten entscheiden: Stimmen sie mehrheitlich gegen Scholz, hätte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 21 Tage Zeit, den Bundestag aufzulösen. Sobald er das getan hat, tickt die Uhr: Neuwahlen müssten innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Lesen Sie hier mehr zur Vertrauensfrage.
Das bedeutet: Würde Scholz die Vertrauensfrage jetzt sofort stellen, wäre eine Wahl spätestens Ende Januar möglich. Bei einer Vertrauensfrage am 20. Dezember müssten Neuwahlen spätestens im März stattfinden.
Eigentlich gibt es bei Neuwahlen darüber hinaus klare Fristen: Parteien müssen etwa ihre Kandidaten rechtzeitig aufstellen, Gemeinden müssen 21 Tage vor der Wahl die Wahlbenachrichtigungen zugestellt haben. Aber: Wenn der Bundestag aufgelöst wird, kann das Bundesinnenministerium nach Paragraf 52 des Bundeswahlgesetzes diese Fristen verkürzen, damit die Wahl schneller stattfinden kann. Hier kommt dann Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zum Zug.
In der Übergangszeit bis zur Wahl bliebe die Bundesregierung geschäftsführend im Amt, bis eine neue Regierung gewählt und vereidigt ist.
Szenario 2: Scholz stellt die Vertrauensfrage am 15. Januar
Eigentlich war es Scholz' ursprünglicher Plan, die Vertrauensfrage am 15. Januar zu stellen. Das hatte er gleich bekannt gegeben, als er vergangene Woche in einer Fernsehansprache über das Ampel-Aus gesprochen hatte. Nun gibt ihm die Bundeswahlleiterin Ruth Brand neue Argumente: Sie warnt vor zu schnellen Wahlen, appellierte in einem Brief an den Kanzler, ein Termin im Januar oder Februar sei riskant. Die SPD- und die Grünen-Fraktionen planen diesen Dienstag eine Sondersitzung mit ihr, um über eine frühestmögliche Neuwahl zu sprechen.
Wenn Scholz bei seinem ursprünglichen Termin, dem 15. Januar, bleibt und Steinmeier den Bundestag schnell auflöst, wären Neuwahlen bis Ende März wahrscheinlich. Der späteste Zeitpunkt in diesem Szenario wäre dann Mitte April, falls Steinmeier die Fristen ausreizt.
Bei einem Termin im März oder April hätten die Parteien mehr Zeit, um die Aufgaben zu bewältigen, die vor einer Wahl anstehen. Sie nominieren Kandidaten für die Wahlkreise, schreiben Wahlprogramme, stellen Landeslisten auf, halten Parteitage ab. Das Bündnis Sahra Wagenknecht etwa hat in vier Bundesländern bisher keine Landesverbände, will hier noch nachbessern.
Die Gemeinden könnten möglicherweise mehr Wahlhelfer anwerben und schulen, hätten mehr Ruhe, um Wahlräume zu finden und auszustatten. An über 60 Millionen Wählerinnen und Wähler müssen Wahlbenachrichtigungen verschickt werden. Hinzu kommen der Versand der Briefwahlunterlagen und die Einrichtung von Briefwahlbezirken. Bei der Wahl im Jahr 2021 gab es rund 25.000 Bezirke.
Eine Minderheitsregierung aus SPD und Grünen hätte bei späten Wahlen Puffer, um letzte politische Projekte umzusetzen. Doch ob ihr das etwas nützt, ist fraglich: Dafür bräuchten sie die Union. Und deren Chef Merz will entsprechende Gespräche erst dann führen, wenn Scholz die Vertrauensfrage gestellt hat. Es drohen also Monate politischer Blockade. Zumal eine längere Phase mit vorläufiger Haushaltsführung bevorstehen könnte, die nur zwingend nötige Ausgaben erlaubt. Denn für den Bundeshaushalt 2025 fehlt der Ampel wohl die Mehrheit, und auch der Nachtragshaushalt 2024 steht bislang nicht.
- Eigene Recherchen
- Nachrichtenagenturen dpa und afp
- Bundeswahlleiterin: "Wahlbenachrichtigung"
- Deutscher Bundestag: "Sitzungswochen im Deutschen Bundestag 2024"
- Bundeswahlleiterin: "Termine und Fristen"
- Tagesschau: "Wie es nach dem Ampel-Aus weitergeht" und "Wovon hängt der Termin für die Neuwahl ab?"
- BPB: "Wahlen in Deutschland: Grundsätze, Verfahren, Analysen: Kandidatenaufstellung"
- ntv: "Wie geht es nach dem Ampel-Aus weiter?"